Lebenslange Haft in Folterprozess gegen syrischen Arzt Von Isabell Scheuplein und Sabine Maurer, dpa

Ein Orthopäde, der auch in deutschen Krankenhäusern tätig war, hat in

Syrien Menschen getötet und brutal gefoltert. Seine Taten klingen
entsetzlich. Deshalb stand er in Frankfurt lange vor Gericht.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Blaues Jackett, weißes Shirt, dunkle
Haare, bleiches Gesicht. Äußerlich meist unbewegt hört sich der Arzt

Alaa M. im Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) sein Urteil wegen
Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Mord, Folter und
Kriegsverbrechen in seiner syrischen Heimat an. 

Es ist das höchste Strafmaß, das in Deutschland verhängt werden kann:

Lebenslang mit der Feststellung der besonderen Schuld, was eine
vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren in der Praxis so gut wie
ausschließt, sowie anschließende Sicherungsverwahrung.

Die stundenlange Urteilsbegründung des OLG über die Taten des Arztes
in den Jahren 2011 und 2012 im militärischen Krankenhaus der
syrischen Stadt Homs ist schwer zu ertragen, immer wieder geht ein
entsetztes Stöhnen durch den Zuschauerraum. 

Der Vorsitzende Richter Christoph Koller spricht etwa über einen
weinenden, etwa 14-jährigen Jungen, dem Alaa M. das Geschlechtsteil
mit einem alkoholhaltigen Desinfektionsmittel übergossen und
angezündet hatte. Über einen Häftling, dem er mit den Worten «Jetzt

schicke ich dich zu deinem Gott, dem Zuhälter» ein Gift injizierte. 


Sadismus ausgelebt

Einem weiteren Mann, den er an Händen und Füßen gefesselt an einer
Decke aufhängen ließ und prügelte. Und einem Gefangenen, dessen
Oberschenkelbruch er ohne Narkose richtete. Der Arzt habe sadistische
Neigungen und diese bei der Folter ausgelebt, sagt Koller: «Der
Angeklagte genoss es vor allem, ihm minderwertig und unterlegen
erscheinenden Menschen körperliche Schmerzen zu bereiten.»

Das Assad-Regime habe bis zu seinem Sturz Ende 2024 versucht, auf das
Frankfurter Gerichtsverfahren Einfluss zu nehmen, so seien Angehörige
von Zeugen in Syrien verschleppt worden. Daher wurden Zeugen unter
besonderen Schutz gestellt, einer von ihnen wurde sogar völlig
anonymisiert, über ihn war in dem Prozess nur als «Z10» die Rede.
Koller sagt, ohne die Bereitschaft und den Mut von Zeugen hätten die
Taten nicht aufgeklärt werden können. 

Drei der Opfer des Arztes traten in dem Prozess als Nebenkläger auf,
aufmerksam hören sie dem Urteil zu. «Die Entscheidung ist eine
Genugtuung für meinen Mandanten», sagt im Rahmen des Prozesses der
Rechtsanwalt eines der Opfer. 

«Beseitigungsgruppe»

Verurteilt wurde der heute 40-jährige Arzt, weil er zwei Menschen
getötet und neun Menschen durch Folter schwer verletzt hat. Er
gehörte laut Koller in dem Militärkrankenhaus zu einer Gruppe Ärzte,

die als die «Beseitigungsgruppe» bekannt gewesen sei. Opfer waren
inhaftierte Zivilisten, die der Opposition gegen den damaligen
Machthaber Baschar al-Assad zugerechnet wurden. Praktisch täglich sei
es zu Misshandlungen gekommen. Im Fall des Angeklagten sprach Koller
von einem besonders skrupellosen Vorgehen, das von Hass und
Vernichtungswillen geprägt gewesen sei. 

Alaa M. hatte während des Anfang 2022 begonnenen Prozesses jegliche
Schuld bestritten und sich als Opfer eines Komplotts dargestellt. Er
lebt seit zehn Jahren in Deutschland und hatte in mehreren Kliniken
als gut bezahlter Orthopäde gearbeitet, zuletzt im nordhessischen Bad
Wildungen. 

Im Sommer 2020 wurde der Vater festgenommen - Opfer hatten ihn in
einer TV-Dokumentation über die Geschehnisse in Homs wiedererkannt.
Seitdem sitzt er in Untersuchungshaft. 

Während der Urteilsbegründung schüttelt Alaa M., dem der Vorsitzende

Richter eine «fortbestehende Gefährlichkeit» attestiert, immer wieder

den Kopf. Der Zuschauersaal ist fast bis auf den letzten Platz
gefüllt, nach der Verkündung des Urteils klatschen mehrere Besucher.
Koller verbietet dies: «Freuen können sie sich später.»

Prozess nach dem Weltrechtsprinzip

OLG-Sprecherin Gundula Fehns-Böer sagte, mit 188 Verhandlungstagen
habe es sich um das bisher längste Staatsschutzverfahren in Frankfurt
gehandelt. Dass sich der Mann wegen Verbrechen in seiner Heimat vor
einem deutschen Gericht verantworten muss, liegt auch am sogenannten
Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Es erlaubt, auch hierzulande
mögliche Kriegsverbrechen von Ausländern in anderen Staaten zu
verfolgen.

Die Bundesanwaltschaft hatte für den Mann in ihrem Plädoyer
lebenslange Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung gefordert.
Seine Anwälte forderten unter anderem für den Anklagevorwurf der
Tötungen einen Freispruch. Ihr Mandant sei in dem fraglichen Zeitraum
nicht in Homs tätig gewesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig,
einer der Verteidiger kündigte Revision an.

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