Wechseljahre: «Frauen fällt es schwer, darüber zu sprechen» Von Stefanie Järkel, dpa

Hitzewallungen, Depressionen: Wechseljahre können mit vielen
Problemen einhergehen. Millionen Frauen sind betroffen, doch lange
war das Thema ein Tabu: Nun wird es präsenter - auch in Unternehmen.

Heidelberg/Berlin (dpa) - Sybille Müller fächelt sich Luft zu,
streicht sich die Haare nach hinten. «Ich schwitze wie Harry. Es gibt
keine Klimaanlage hier, oder?», fragt die 47-Jährige während des
Interviews in der Praxis ihres Arztes. «Bin ich rot im Gesicht? Jetzt
ist mir richtig heiß im Gesicht.» Müller - halblange blonde Haare,
schwarzer Blazer, dezenter Goldschmuck - sieht gut aus, frisch. Aber
sie fühlt sich nicht so. Hitzewallungen plagen sie seit Jahren,
besser wurde es erst, seit sie Hormonpflaster verwendet.

Sybille Müller, die eigentlich anders heißt, ist eine von Millionen
Frauen in Deutschland, die unter den Wechseljahren leiden. Wenn die
Eierstöcke langsam aufhören, die Hormone Östrogen und Progesteron zu

produzieren, kann das bei Frauen zu massiven Beschwerden führen:
Hitzewallungen, Schlafstörungen, depressive Verstimmungen,
Scheidentrockenheit, Konzentrationsschwierigkeiten. Rund 30 Prozent
der Frauen in den Wechseljahren leiden unter leichten, 50 Prozent
unter stärkeren Problemen, wie Thomas Strowitzki vom
Universitätsklinikum Heidelberg sagt.

Frauen fällt es immer noch schwer, darüber zu sprechen

So viele betroffene Frauen - und trotzdem ist das Thema lange ein
Tabu gewesen. Öffnet sich die Gesellschaft aktuell oder sind
Wechseljahre immer noch etwas, über das Frau lieber nicht spricht? 

«Ich höre immer wieder von Frauen, dass es ihnen schwerfällt, darüb
er
zu sprechen», sagt Mandy Mangler, Chefärztin an zwei Vivantes
Auguste-Viktoria-Kliniken in Berlin. «Das ist schon sehr tabuisiert,
weil das auch etwas mit Altern zu tun hat, mit Türen, die sich
schließen.» Mangler sagt allerdings auch: «Die Gesellschaft verände
rt
sich ein bisschen.» In den Medien seit das Thema präsenter.

Beginn der Wechseljahre meist Mitte 40

Bei den meisten Frauen beginnen die Wechseljahre laut Strowitzki mit
Mitte 40. Bei Sybille Müller fingen sie bereits mit etwa 40 Jahren
mit Schlafstörungen an. Mit 43 Jahren kamen dann Hitzewallungen dazu.
Sie entschied sich, zu ihrer Gynäkologin zu gehen - die ihr
allerdings nicht weiterhalf, wie Müller erzählt.

«Die hat da gar nichts unternommen, auch kein Blut abgenommen, mal
die Hormonwerte geschaut.» Die Ärztin habe sie untersucht und gesagt,
es sehe alles normal aus. Müller wendet sich stattdessen an
Strowitzki, der ihr nach einem Bluttest Hormone verschreibt. Sie
testet erst ein Hormongel, dann die Pflaster, die sie alle zwei, drei
Tage austauscht.

Älterwerden wird in der Gesellschaft kritisch betrachtet

Warum fällt es Frauen immer noch schwer, über ihre Wechseljahre zu
sprechen? «Das Ausbleiben der Regelblutung ist der erste Point of no
Return im Leben und ein erstes Zeichen unserer «Endlichkeit»», sagt
Katrin Schaudig, Präsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft.
«Mit der Fruchtbarkeit ist jetzt Schluss.» Das habe mit Älterwerden
zu tun - was wiederum in unserer Gesellschaft kritisch betrachtet
werde. Dazu komme noch eine gerade bei Frauen verbreitete Haltung:
«Stell dich nicht so an, stell dich selber nicht in den Vordergrund»
- nur nicht über Schmerzen und Probleme klagen.

Und trotzdem finde eine Enttabuisierung statt. «Frauen werden
selbstbewusster in dieser Gesellschaft», sagt Schaudig. «Wenn Sie so
wollen, ist es vielleicht Teil eines feministischen Bewusstseins.»
Dabei gehe es auch um die Gleichstellung der Geschlechter - so wie es
etwa Bestrebungen gegen die ungleiche Bezahlung von Frauen und
Männern gebe. 

Neun Millionen Frauen in Deutschland in den Wechseljahren

Die 64-jährige Frauenärztin aus Hamburg, die in ihrem Podcast
«Hormongesteuert» mit den Wechseljahren einhergehende Probleme wie
die Zunahme des Bauchfetts erklärt, ist auch Teil der Initiative «Wir
sind neun Millionen». Die setzt sich für eine Enttabuisierung der
Wechseljahre und eine bessere Versorgung von Frauen ein. 

Demnach befinden sich aktuell neun Millionen Frauen in Deutschland in
dieser Phase ihres Lebens. «Ich bin nicht der Meinung, dass man diese
Wechseljahre-Frauen wie mit Samthandschuhen anfassen muss, aber sie
müssen wahr- und ernst genommen werden.»

Mittlerweile würden viele Betriebe Frauen Beratung zu den
Wechseljahren anbieten. Auch Strowitzki, Ärztlicher Direktor der
Heidelberger Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und
Fertilitätsstörungen, sieht vermehrt Unternehmen, die das Thema
erkannt haben. So gebe es auch im Universitätsklinikum seit Kurzem
Arbeitsgruppen: Es gehe dabei unter anderem darum, den Arbeitsplatz
so zu gestalten, dass betroffene Frauen weiter produktiv sein
könnten, etwa mit Blick auf Pausen.

Auch pflanzliche Produkte können helfen

Der Gynäkologe betont, Frauen selbst könnten viel tun, um sich
während der Wechseljahre besser zu fühlen - auch ohne Hormone zu
nehmen: etwa Sport, gesunde Ernährung, aber auch Kneipp-Anwendungen,
gerade mit Blick auf Hitzewallungen. Zudem gebe es pflanzliche
Produkte, die helfen könnten, wie etwa Traubensilberkerzenextrakte,
Rotklee oder Soja. 

Manchmal bräuchten Frauen aber auch Hormone, sagt der 66-Jährige -
wobei stets Nutzen und Risiken abgewogen werden müssten: Läuft die
Hormonersatztherapie länger als fünf Jahre, steigt das Risiko für
Brustkrebs, wie die Deutsche Krebsgesellschaft schreibt. Allerdings
sorgten die Hormone auch für stabilere Knochen, sagt Strowitzki.
Zudem gehe es immer um den «Leidensdruck» der Frau.

Wechseljahre bringen auch Positives mit sich

Müllers Hitzewallung hat sich während des Gesprächs gelegt. Sie hat
für Durchzug gesorgt: Die Tür steht offen, das Fenster neben ihr
auch. Sie sagt, sie rede mit ihren Freundinnen offen über ihre
Beschwerden. «Wenn man das Thema anspricht, dann kommen auf einmal
vier Stück und sagen: 'Ach, bei mir ist es auch' und 'Ich nehme aber
das'. Und auf einmal ist es ein Riesenthema.»

Frauenärztin Mangler betont, dass die Wechseljahre auch Positives mit
sich brächten: Frauen müssten sich etwa keine Gedanken mehr über
Verhütung machen, sie hätten keine Menstruationsbeschwerden mehr.
«Frauen neigen in dieser Lebensphase dazu, Dinge abzustellen, die sie
früher so aus mehr oder weniger Goodwill mitgemacht haben - weil sie
gefallen wollten.» Sie würden sich etwa eher dafür entscheiden,
Sexualität so zu leben, wie sie das wollten.

Die 48-Jährige hofft mit Blick auf die Wechseljahre, dass der Umgang
mit dem weiblichen Zyklus sich normalisiert, egal in welcher
Lebensphase - und «wir auch Frauen nicht abwerten, weil sie altern
und in diese Lebensphase kommen. Sondern dass wir ihr Potenzial und
ihre Stärke erkennen und sehen.»

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