Eine Psychiaterin für Obdachlose Von Isabell Scheuplein und Lando Hass , dpa

Psychiatrische Behandlung ist für wohnsitzlose Menschen oft
unerreichbar. Experten kritisieren ein Defizit im Hilfesystem. Ein
neues Angebot in Frankfurt will helfen.

Frankfurt/Main (dpa) - Viele Menschen, die auf der Straße leben,
leiden unter psychischen Problemen. Doch der Weg in eine angemessene
Behandlung sei ihnen meist versperrt, sagt Eva Fu?ík. Um Hilfe
anzubieten, hat die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und
Psychotherapie in Frankfurt am Main eine Praxis eröffnet, die sich
gezielt an Wohnsitzlose wendet.

Seit September vergangenen Jahres hat die Ärztin mehr als 100
Patientinnen und Patienten behandelt, darunter Menschen mit einer
Suchterkrankung oder einer Depression. Andere fühlten sich verfolgt
und hörten Stimmen: «Das kann Menschen dazu veranlassen, ihre Wohnung
fluchtartig zu verlassen, weil sie fürchten, dort überwacht zu
werden. Sie schlafen dann lieber auf der Straße», sagt die
47-Jährige. 

So könne eine psychische Erkrankung Obdachlosigkeit verursachen.
Hilfe zu bekommen, sei für die Menschen schwer bis unmöglich. Denn
sie überblickten oft kaum die nächsten Wochen, schildert die Ärztin
die Situation: «Bei den meisten geht es ums Überleben: Wo kann ich
nachts schlafen? Wo bekomme ich Essen? Auch gibt es häufig kein Handy
oder kein Guthaben oder keine gültige Krankenkassenkarte.»

Hoher Bedarf, wenig Angebot

Psychische Erkrankungen spielten eine zentrale Rolle im Zusammenhang
mit Wohnungslosigkeit, sowohl als Ursache als auch als Folge, teilt
die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe mit. Der Bedarf an
Hilfen sei hoch, doch es gebe zu wenige geeignete Angebote. 

Die Bundesregierung ging nach letzten Zahlen von Anfang 2024 von rund
531.600 wohnungslosen Menschen in Deutschland aus. Auf der Straße
oder in Behelfsunterkünften lebten demnach rund 47.300 Menschen. 

In Frankfurt sucht die Ärztin Fu?ík auch Obdachlose auf, die ihr von
den Sozialdiensten genannt werden. Viele gingen trotz schwerer
Symptome nicht zum Arzt. Das könne an schlechten Vorerfahrungen,
Angst vor weiterer Stigmatisierung oder Scham liegen. «Oft verhindert
die psychische Erkrankung selbst, dass Hilfe gesucht wird. Das ist
der große Unterschied zu regulären Praxen, dass wir auf die Menschen
zugehen müssen», sagt sie. 

Der Praxiseröffnung ging eine einjährige Vorlaufzeit voraus, in der
gegenüber den Behörden ausführlich und wiederholt die Notwendigkeit
dargelegt werden musste. Schließlich erhielt die Praxis eine
Genehmigung für zunächst zwei Jahre. Sie ist angegliedert an den
Franziskustreff, der in Frankfurt ein Frühstück für 50 Cent sowie
Sozialberatung anbietet. 

Wichtige Unterlagen fehlen

Es gibt auch Patienten mit neurologischen Erkrankungen wie Demenz,
Epilepsie oder Gangstörungen. «Es ist ein bisschen Detektivarbeit,
mit dem Patienten zusammen müssen wir schauen, gibt es Angehörige,
gab es vielleicht einmal einen Betreuer und welche Medikamente wurden
schon eingenommen? Häufig fehlen wichtige Unterlagen», sagt die
Ärztin. 

Ihre Arbeit beginnt mit dem Aufbau einer Beziehung: «Ich spreche die
Menschen an, sage, dass ich Ärztin bin und frage, wie es ihnen geht,
und irgendwann, vielleicht nach dem dritten Mal, kommen sie auch
einmal in die Praxis. Es braucht Zeit, bis die Menschen Vertrauen
fassen.»

Um dies zu erreichen, sei es wichtig, regelmäßige und verbindliche
Sprechstunden anzubieten. «Es ist besonders für die Schwerstkranken
wichtig, dass auch diese Versorgung professionalisiert wird. Sie
haben die gleiche Behandlung verdient wie jeder andere», sagt Fu?ík.

Ein Ziel der Praxis wie auch der Sozialberatung ist, die Menschen
wieder in eine Krankenkasse zu bringen. Für Patienten ohne
Krankenversicherung trägt die Franziskustreff-Stiftung die Kosten.

Normales Leben ermöglichen

Wenn Fu?ík Medikamente verschreibt, müssen die Patienten mehrmals in
der Woche in die Praxis kommen, bis eine regelmäßige Einnahme
sichergestellt ist. «Erstes Ziel ist, dass sie auch anderen Menschen
vertrauen und beispielsweise in ein Wohnheim gehen können.» 

Das kann schnell gehen oder länger dauern. «Ich erinnere mich an eine
Person, mit der ich immer wieder Kontakt hatte. Nach einem halben
Jahr stellte sich heraus, dass sie Stimmen hört und deshalb unter
einer Brücke schläft. Mit den richtigen Medikamenten ging es ihr bald
besser. Schließlich hatte sie auch wieder eine Wohnung und einen
Job», berichtet die Ärztin. «Den langen Atem muss man haben.»

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