Wenn Agenturen Medizinstudienplätze im Ausland vermitteln Von Jacqueline Melcher, dpa
Jedes Jahr bewerben sich deutlich mehr junge Leute auf ein
Medizinstudium, als angenommen werden. Einige gehen stattdessen ins
Ausland - mit professioneller Hilfe. Das Thema beschäftigt auch den
BGH.
Karlsruhe (dpa) - Wer in Deutschland Medizin studieren will, braucht
in der Regel vor allem eins: einen hervorragenden
Abi-Notendurchschnitt. Reicht der am Ende nicht für einen der
begehrten Plätze, wählen einige angehende Mediziner den Weg übers
Auslandsstudium. Unterstützt werden sie dabei teils von
professionellen Vermittlungsfirmen. Die beraten bei der Auswahl der
Universität, helfen bei der Bewerbung und betreuen die Studierenden
vor Ort.
Mit der Vergütung dieser Studienvermittler hat sich auch der
Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe beschäftigt. Das Gericht
entschied in einem Rechtsstreit zwischen einer Agentur und einem
Studienbewerber, dass der Auftraggeber das ausgemachte Erfolgshonorar
nicht zahlen muss, wenn er mit Hilfe der Vermittler zwar einen
Studienplatz ergattert, ihn dann aber nicht annimmt. Der Fall rückt
ein spezielles Geschäftsmodell in den Fokus.
Viele Interessenten, wenige Plätze
Studienplätze für Medizin sind in Deutschland begehrt und begrenzt.
Nach Zahlen des Statistischen Bundesamts bewarben sich in den
Wintersemestern der vergangenen Jahre je rund 35.000 Menschen auf das
Studium. Angefangen haben pro Wintersemester aber nur etwa 10.000 -
also nicht mal ein Drittel. Hinzu kommt, dass der ein oder andere
Interessent vermutlich schon wegen der bekanntlich hohen
notenabhängigen Zugangshürde Numerus Clausus (NC) von einer Bewerbung
absieht.
Wer den Traum vom Arztberuf trotzdem nicht aufgeben will, der kann
sich stattdessen an einer Universität im Ausland bewerben. Die setzen
bei der Auswahl oft auf spezielle Aufnahmetests statt auf den NC.
Später werden Studienabschlüsse vor allem aus EU-Ländern auch in
Deutschland anerkannt. Wer will - und es sich leisten kann - kann
sich bei der Bewerbung und im Auslandsstudium von speziellen
Agenturen betreuen lassen.
Beratung, Bewerbung, Betreuung
In den meisten Fällen wende sich die ganze Familie ans Unternehmen,
erklärt Hendrik Loll, Geschäftsführer eines solchen Anbieters namens
StudiMed. Die Agentur berate die Abiturienten zum passenden
Studienort, kümmere sich um Bewerbungsunterlagen, bereite die
Bewerber auf die naturwissenschaftlichen Aufnahmetests vor und
betreue sie auch später am Ort - etwa bei der Wohnungssuche und der
Behördenanmeldung.
Für diese Leistungen berechnete das Unternehmen ein Honorar in Höhe
einer Jahres-Studiengebühr der jeweiligen Uni. In der Regel liegt die
laut StudiMed bei 8.000 bis 15.000 Euro. Das Honorar wurde bisher
fällig, sobald der Bewerber einen Platz an der gewünschten
Universität erhält - unabhängig davon, ob er diesen Platz dann auch
annimmt.
Wer trägt das Risiko?
Ungefähr so sollte es auch im Fall eines jungen Mannes aus der Nähe
von München ablaufen. Mit einem Abi-Schnitt von 3,0 war ihm ein
Medizinstudium in Deutschland eher nicht möglich. Er beauftragte
StudiMed mit der Vermittlung eines Studienplatzes an einer
Universität in Bosnien - und bekam den Platz. Das Unternehmen stellte
ihm dafür fast 11.200 Euro in Rechnung. Doch der Abiturient wollte
den Platz nicht annehmen und daher auch nicht das ausgemachte Honorar
zahlen.
Jedes Jahr gebe es etwa eine Handvoll Kunden, die nicht zahlen
wollen, erklärt StudiMed-Chef Loll. Vor Gericht hätten die
Oberlandesgerichte (OLG) bisher aber immer die Auffassung der
Vermittler gestützt, dass die Agentur nicht das Risiko dafür trage,
ob der Studienplatz am Ende angenommen wird oder nicht. Doch im
aktuellen Verfahren sah das OLG München das anders. Es handele sich
um einen Maklervertrag, so das Gericht. Als Makler trage StudiMed
auch das Risiko dafür, dass es sich der Bewerber am Ende anders
überlegt.
Makler- versus Dienstvertrag
Gegen diese Entscheidung wollte sich das Unternehmen am BGH wehren -
hatte damit aber nun keinen Erfolg. Bei der Vereinbarung zwischen der
Agentur und dem Bewerber handele es sich schwerpunktmäßig um einen
Maklervertrag, entschied auch der erste Zivilsenat am Donnerstag.
Grundgedanke eines Maklervertrags sei, dass der Lohn erst gezahlt
werden muss, wenn der vermittelte Vertrag zustande kommt - der
Bewerber den Studienplatz also auch annimmt und es zu einem
Studienvertrag mit der Uni kommt.
Daher sei die Klausel in dem Vermittlungsvertrag von StudiMed, nach
der schon bei einer Studienplatzzusage durch die Uni das volle
Erfolgshonorar fällig wird, unwirksam. Der Bewerber werde durch die
Regelung unangemessen benachteiligt. Er dürfe sich nicht zur Annahme
des angebotenen Studienplatzes gedrängt fühlen. (Az. I ZR 160/24)
Neben dem eigenen Unternehmen gebe es in Deutschland noch mindestens
drei weitere Agenturen, die Studienplätze im Ausland vermitteln, sagt
Loll. Die Vergütung laufe dort nach einem ähnlichen Prinzip,
ebenfalls über ein Erfolgshonorar. Das BGH-Urteil hat daher wohl
Auswirkungen auf die ganze Branche.
Deutsche Medizinstudenten fordern Reform
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd)
kann nach eigener Aussage gut nachvollziehen, dass der Erhalt eines
Studienplatzes eine der größten Hürden auf dem Weg zum Arztberuf ist.
Das Geschäftsmodell der Studienvermittler sehe man aber kritisch.
Denn dadurch würden Bewerber benachteiligt, die sich das
Unterstützungsangebot nicht leisten können. «Die eigene finanzielle
Situation sowie der Geldbeutel der Eltern sollte dabei die Chance auf
einen Studienplatz nicht beeinflussen», meinen die Studierenden.
Nach Ansicht der bvmd sollte das Zulassungsverfahren zum
Medizinstudium in Deutschland reformiert werden. Die Abiturnote werde
derzeit deutlich zu hoch gewichtet. Die Nachwuchsärzte fordern, dass
der Notenschnitt immer um andere Faktoren wie einen Eignungstest,
abgeschlossene Berufsausbildungen oder Freiwilligendienste ergänzt
werden sollte. «So kann vermieden werden, dass Studierende zum
Studium im Ausland faktisch gezwungen werden, weil sie im aktuellen,
zu stark auf die Abiturnote fokussierten Zulassungsverfahren keine
Chance auf einen Studienplatz haben.»
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