Wo Biotech-Start-ups Lösungen für die Zukunft entwickeln Von Ute Wessels, dpa

Das Innovations- und Gründerzentrum IZB nahe München gilt als einer
der größten Biotech-Hotspots in Deutschland. Start-ups arbeiten hier
vor allem an neuen Medikamenten.

Planegg (dpa/lby) - Forschergeist, Fachwissen, Mut zum Risiko und
viel Geduld sind die Zutaten, mit denen Start-ups am Fortschritt
arbeiten - Fortschritt zum Beispiel in der Medizin, der Industrie, im
Dienstleistungsbereich oder beim Umweltschutz. Das Innovations- und
Gründerzentrum (IZB) bietet Unternehmen seit 30 Jahren ein
Arbeitsumfeld mit Büros und Labors. Ministerpräsident Markus Söder
(CSU) nannte die Biotechnologie jüngst eine der faszinierendsten
Branchen, die zudem gigantische Fortschritte mache und viele Menschen
direkt betreffe. Der Freistaat habe seit der Gründung 75 Millionen
Euro in den Standort investiert. Zurzeit sind etwa 40 Firmen im IZB
ansässig. Fünf Beispiele:

Bind-X: Staubkontrolle im Bergbau

Bind-X: Im Bergbau ist Staub eine der Herausforderungen. Minen in
Südamerika oder Afrika haben in der Regel keine asphaltierten
Zufahrtswege. Muldenkipper wirbelten so viel Staub auf, dass mangels
Sicht Unfälle passieren und die Gesundheit der Mitarbeiter gefährdet
ist, wie Luitpold Fried, Technischer Leiter von Bind-X, erläutert.
Auch für nahe Wohnsiedlungen ist der Staub ein Problem. Um dieses zu
minimieren, versprühen die meisten Minen mehrmals täglich Wasser, und
die Lastwagen fahren sehr langsam.

Wasser sei die schlechteste Variante der Staubkontrolle, sagt Fried.
Mit dem Klimawandel steige der Wassermangel und die Spritzfahrzeuge
mit den Wassertanks müssten mehrmals täglich fahren, um den Staub zu
unterdrücken, was Personal und Sprit koste. Die Geschwindigkeit der
Minenfahrzeuge zu reduzieren, um Staub zu minimieren, führe zu
geringerer Produktivität - weil dann weniger Tonnen Material pro
Stunde transportiert werden können. 

Bind-X hat Bindemittel entwickelt, die auf Wegen und offenen Flächen
ausgebracht werden und das Aufwirbeln von Staub verhindern. Dafür
greift das Unternehmen auf einen natürlichen Prozess zurück - die
mikrobielle Biozementierung, bei der ein biologischer Prozess Staub
in Stein verwandelt. Das Bindemittel lasse eine Kruste entstehen, die
im Bergbau Staub um mehr als 70 Prozent reduziere, sagt Fried.
Regenwasser könne weiterhin versickern. Je nach Regenhäufigkeit
genüge es mancherorts, das Mittel nur einmal im Jahr auszubringen.
Die Methode könne etwa auch im Straßenbau sowie zur
Unkrautunterdrückung in der Landwirtschaft verwendet werden. 

Bind-X hat mehr als 30 Mitarbeiter, ein Werk in Südafrika und
vertreibt sein Produkt in Europa, Afrika, Südamerika und Australien.

Tubulis: Krebsforschung

Das 2019 gegründete Unternehmen arbeitet an Tumortherapien, konkret
an Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten. Eines der Hauptprobleme in der
Krebsbehandlung seien die Nebenwirkungen der Chemotherapien, sagt
Geschäftsführer Dominik Schumacher. Ein Medikament wirke in der Regel
nicht nur gegen die Krebszelle, sondern zirkuliere im ganzen Körper
und löse auch bei gesunden Zellen Nebenwirkungen aus, so dass die
Medikamentendosis häufig reduziert oder die Therapie abgebrochen
werden müsse. Der Tumor könne dann wieder wachsen. 

Um Nebenwirkungen möglichst zu verhindern, setzt Tubulis auf
Antikörper, die in der Lage sind, speziell Krebszellen zu erkennen,
und modifiziert diese. «Die Idee ist: Ich nehme den Antikörper,
belade ihn mit einem chemotherapeutischen Molekül, der Antikörper
transportiert dieses dann gezielt zum Tumor und lädt es dort ab. Im
Idealfall wirkt es nur dort und das gesunde Gewebe rundherum bleibt
verschont», erläutert Schumacher. 100-prozentig ließen sich mit
dieser Methode Nebenwirkungen zwar nicht vermeiden, aber massiv
reduzieren. 

In der Praxis könnten Ärzte einen Patienten dann länger mit einem
Medikament behandeln oder hätten mehr Spielraum bei der Dosierung.
Drei Antikörper-Wirkstoff-Konjugate von Tubulis seien in der
klinischen Entwicklung in einer Phase-1-Studie, so Schumacher. Ziel
sei es, das volle Potenzial dieser Therapie auszuschöpfen, um das
Leben von möglichst vielen Krebspatienten signifikant zu verbessern.
Tubulis hat rund 70 Mitarbeiter.

Eisbach Bio: Krebsforschung

Einen anderen Ansatz als Tubulis verfolgt das Unternehmen Eisbach Bio
in seiner Krebsforschung. Ziel ist aber auch hierbei: ein Medikament
möglichst ohne Nebenwirkungen zu entwickeln. Der Wirkstoff soll das
Tumorwachstum stören, indem er dessen genetische Schwachstellen
angreift. «Wir analysieren, was in einer Tumorzelle anders ist als in
der gesunden Körperzelle und entwickeln ein Medikament, das sich zwar
in allen Körperzellen und -regionen verteilt - aber es richtet nur in
den Tumorzellen einen Schaden an», erläutert Geschäftsführer Adrian

Schomburg. 

Der Wirkstoff könne insbesondere bei Tumorarten angewendet werden,
für die es bisher wenige Behandlungsmöglichkeiten gibt - etwa weil
bisherige Medikamenten schwere toxische Nebenwirkungen für den
Patienten haben oder der Tumor Resistenzen dagegen entwickelt. 

Eisbach Bio hat seinen Wirkstoff in einer Phase-1/2-Studie in der
klinischen Anwendung. Dabei wird die Verträglichkeit, Wirksamkeit und
Sicherheit bei Patienten untersucht, die beispielsweise Eierstock-,
Prostata- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs haben. Verabreicht wird das
Medikament einmal täglich als Tablette. Es eigne sich auch für die
Kombination verschiedener Therapien, die bisher aufgrund toxischer
Wechselwirkungen in der Regel nicht möglich waren. Eisbach Bio wurde
2019 gegründet und hat zwölf Mitarbeiter.

Invitris: Antibiotikaresistente Viren

Antibiotikaresistenzen gehören weltweit zu den größten medizinischen

Herausforderungen und sind eines der Arbeitsfelder des 2022
gegründeten Unternehmens Invitris. Eine Möglichkeit der Therapie bei
Antibiotikaresistenz ist der Einsatz von Bakteriophagen (kurz:
Phagen) - das sind Viren, die Bakterien zerstören, gegen die kein
Antibiotikum mehr Wirkung zeigt. Das Problem der Phagen ist, so
erklärt es Geschäftsführer Patrick Großmann, dass sie sich sehr
spezifisch gegen bestimmte, einzelne Bakterien richten und nicht
großflächig, sondern personalisiert verwendet werden können. Das
mache die Therapie sehr aufwendig. In Deutschland ist sie nur in
Einzelfällen zugelassen.

Das Start-up hat eine Technologie entwickelt, mit der es Phagen
synthetisch herstellen kann. Dazu simulieren sie die natürlichen
Prozesse innerhalb einer Bakterie im Reagenzgefäß, und zwar ohne ein
Bakterium zu verwenden, und stellen so Phagen her. Das Verfahren sei
sehr sicher, weil Arbeitsprozesse, die bei der Laborarbeit mit
Bakterien notwendig sind - etwa das Ausfiltern toxischer Elemente -,
wegfallen. Die synthetisch hergestellten Phagen ließen sich einfach
modifizieren. «Wir können ohne gentechnische Manipulation
synthetische Phagen entwickeln, die bessere Eigenschaften aufweisen.»

Das Start-up entwickelt und vertreibt die Technologie zur Herstellung
phagenbasierter Medikamente und stellt selbst solche Medikamente her.
Zudem sollen mit der Technologieplattform von Invitris weitere
therapeutische Moleküle wie Antikörper, Nanobodies und
Membranproteine synthetisiert werden können.

SciRhom: Autoimmunerkrankungen

Das 2016 gegründete Unternehmen gilt als Pionier bei der Entwicklung
von Therapien für Autoimmunerkrankungen auf der Basis von neu
entwickelten Antikörpern gegen das körpereigene Protein iRhom2. Im
Fokus stehen rheumatoide Arthritis und entzündliche Darmerkrankungen.
Bisherige Rheuma-Medikamente erreichten bei gut 50 Prozent der
Patienten eine etwa 50-prozentige Verbesserung der Symptome, sagt
Geschäftsführer Jan Poth. «Wir sind überzeugt, und das haben wir
bereits in präklinischen Studien - also Tiermodellen - zeigen können,
dass unser Ansatz das deutlich verbessert.»

Bisherige Medikamente seien in erster Linie Hemmstoffe, die einzelne
Entzündungstreiber im Körper blockieren und dadurch den
Krankheitsverlauf mildern. In der Regel bildeten bei den genannten
Autoimmunerkrankungen mehrere Entzündungstreiber ein verzweigtes,
aufeinander aufbauendes System und erforderten somit mehrere
Abwehrmechanismen, erläutert Poth. Der Wirkstoff von SciRhom soll so
früh in dieser Kaskade ansetzen, dass er gleich mehrere
Entzündungstreiber auf einmal ausschalten kann, sagt
Co-Geschäftsführer Jens Ruhe. Der Wirkstoff zielt auf eine selektive
Hemmung des Enzyms TACE/ADAM17 ab, das einem Hauptschalter für
verschiedene, für Autoimmunkrankheiten relevante Entzündungstreiber
gleicht. 

Seit Oktober 2024 befindet sich der Wirkstoff in einer Phase-1-Studie
in der klinischen Anwendung. Da gehe es vor allem um Verträglichkeit
und Sicherheit, erläuterte Jens Ruhe. Die Wirksamkeit werde in der
Phase-2-Studie untersucht.

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