Wie rein ist der Rhein? - Ein Fluss unter Dauerbeobachtung Von Wolfgang Jung und Uwe Anspach , dpa
Ein verheerender Chemieunfall gab einst den Ausschlag zur Gründung
der Rheingütestation. Drei Jahrzehnte später erinnern
Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz an die Bedeutung der
Anlage.
Worms (dpa) - Rhein-Kilometer 443,3, direkt an der Nibelungenbrücke:
Hier steht seit 30 Jahren eins der wichtigsten Kontrollzentren für
den Rhein - die Rheingütestation Worms, Gemeinschaftsprojekt gleich
dreier Bundesländer. Seit Mai 1995 entnimmt ein automatisches System
rund um die Uhr Wasser aus Deutschlands längstem Fluss. Was hier
gemessen wird, ist weit mehr als pH-Wert und Temperatur.
Mikroverunreinigungen, Schwermetalle, Arzneimittelreste - was in den
Fluss gerät, landet früher oder später in der Wormser Datenbank.
Anlass zur Gründung war eine Katastrophe: Nach einem Brand bei der
Firma Sandoz in der Schweiz gelangten 1986 rund 20 Tonnen Chemikalien
mit dem Löschwasser in den Rhein, darunter 2,6 Tonnen Quecksilber.
Die Giftwalze schwappte nach Norden, Hunderte Tonnen Fische und
andere Flussbewohner verenden. Nach diesen Erfahrungen wurde die
Station so platziert, dass sie rheinabwärts von größeren Betrieben
wie dem Chemiekonzern BASF steht.
Wie der Rhein lernte, sich zu schützen
Die Erkenntnis, dass Flüsse keine Grenzen kennen, Schadstoffe aber
auch nicht, ist nicht neu. Doch seit dem Chemiebrand 1986 ist sie
auch politisches Programm. Und so wurde seinerzeit von
Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz beschlossen: Worms
braucht eine Station. Denn Vertrauen ist zwar gut, aber Messen ist
besser.
«Gewässergütemessstationen sind Frühwarnsysteme», sagt Dr. Daniel
Schwandt von der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz. «Sie
helfen, Belastungen in Flüssen sowohl kurzfristig als auch über viele
Jahre hinweg zu erkennen.» Dafür gibt es ein ganzes Netzwerk an
Stationen, die rund um die Uhr messen - ergänzt durch Stellen, an
denen Proben genommen werden. «So behalten wir die Wasserqualität
flussgebietsweit und international im Blick.»
Ein Beispiel dafür ist der Rhein. «Das Messprogramm der
Internationalen Kommission zum Schutz des Rheins gibt es seit 1953»,
erzählt Schwandt. Ab den 1970ern kamen automatische Messstationen
dazu. Damals war das mehr als nötig: «In den 50er- und 60er-Jahren
hat die industrielle Entwicklung den Rhein stark belastet - durch
Abwässer aus Fabriken, Bergbau und wachsende Städte.» Der Höhepunkt
dieser Verschmutzung war in den 70er-Jahren erreicht.
Vertrauen ist gut - Messen ist besser
Heute geht es beim Messen nicht nur um klassische Schadstoffe wie
Schwermetalle oder Salze. «Immer wichtiger werden Spurenstoffe - also
Arzneimittelreste, Pestizide oder Industriechemikalien.» Auch
Nährstoffe und der Sauerstoffgehalt spielen nach wie vor eine große
Rolle.
Die drei Bundesländer würdigten das Jubiläum am Mittwoch mit einem
Besuch. Die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne)
sowie ihre baden-württembergische Amtskollegin Thekla Walker (Grüne)
und der hessische Umweltstaatssekretär Michael Ruhl (CDU) kamen zur
Station.
Gemeinsamer Besuch zum Jubiläum
«Wasser ist unser Lebensmittel Nummer eins. Daher ist es
entscheidend, dass wir unsere Flüsse sauber halten», sagte Eder.
Besonders im Zuge fortschreitender Erderwärmung sei es unerlässlich,
den Zustand der Gewässer engmaschig zu beobachten. «Eine gute
Trinkwasserversorgung braucht gesunde Gewässer.» Die Anlage in Worms
trage dazu bei, das Süßwasserökosystem Rhein zu erhalten, das
Lebensraum für zahlreiche bedrohte Arten sei.
Ihre Amtskollegin Walker hob die länderübergreifende Bedeutung der
Station hervor. «Die Rheingütestation in Worms ist nicht nur ein
bedeutendes Zeichen grenzüberschreitender Kooperation, sondern auch
ein elementarer Bestandteil der Überwachungskette entlang des
gesamten Rheins», sagte sie. Besonders im Katastrophenfall ermögliche
die Station eine schnelle Einschätzung.
Auch Umweltstaatssekretär Ruhl lobte die Zusammenarbeit der
Bundesländer. «Seit drei Jahrzehnten wird hier ein unverzichtbarer
Beitrag zum Schutz der Rheinwasser-Qualität geleistet», sagte er
einer Mitteilung zufolge. Die drei Länder setzten auch in Zukunft auf
die stabile Partnerschaft.
Die Rheingütestation ist heute nationale Hauptmessstelle im
internationalen Rheinmessprogramm Chemie, das die Wasserqualität im
Sinne der europäischen Wasserrahmenrichtlinie überwacht. Sie ist
Trendstation, Frühwarnsystem und Qualitätsgarant. Geprüft wird, ob
flussaufwärts etwas schiefgelaufen ist. Wenn das System Alarm schlägt
- was selten ist, aber nie ausgeschlossen -, schrillen Telefone in
Mainz, Wiesbaden und Stuttgart.
Gesundheitsakte eines Flusses
Ein Blick auf die Homepage der Station zeigt: Die wichtigsten
Parameter sind öffentlich. Transparenz gehört zum Konzept.
Bürgerinnen und Bürger können verfolgen, wie sich Temperatur,
Leitfähigkeit oder Nitratwerte entwickeln.
Die Fortschritte sind messbar: Der Rhein ist längst sauberer als in
den 1980ern. Wanderfische kehren zurück, sensible Arten siedeln sich
an. Doch neue Gefahren zeichnen sich ab: Mikroplastik, per- und
polyfluorierte Chemikalien, Antibiotikarückstände. Die
Herausforderung bleibt - auch in Worms.
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.