Neue Technik für reineres Rheinwasser Von Christian Schultz, dpa

Die größte Kläranlage von Rheinland-Pfalz soll als Vorreiter glänze
n.
Das Abwasser soll hier nahezu frei werden von etwa
Medikamentenrückständen. Es geht um den Tier-, Pflanzen- und
Trinkwasserschutz.

Mainz (dpa/lrs) - Noch sind es zwei schlichte Rohbauten, doch schon
bald werden die Konstrukte im Mainzer Stadtteil Mombach direkt neben
der Schiersteiner Brücke am Rhein mit viel Technik gefüllt. Bis 2027
bekommt die Kläranlage der Landeshauptstadt eine vierte
Reinigungsstufe. 

Die soll das Abwasser in der größten kommunalen Kläranlage von
Rheinland-Pfalz auch um Rückstände von Medikamenten, Kosmetika und
anderen Schadstoffen befreien. Damit wird technisch ein Stück weit
Neuland betreten. 

Und warum das Ganze? Selbst nach der Klärung mit heutzutage
herkömmlichen Verfahren bleibt ein Großteil einiger sehr langlebiger
Schadstoffe im Abwasser. Ein Beispiel das Schmerzmittel Diclofenac,
von dem laut Umweltbundesamt in Deutschland pro Jahr rund 85 Tonnen
verbraucht werden.

Etwa 100 Tuben Schmerzmittel landen täglich im Rhein

Allein in der Kläranlage Mainz werden laut des dortigen
Wirtschaftsbetriebs nach Durchlaufen der bisherigen Reinigungsstufen
noch immer umgerechnet etwa 100 Tuben des Schmerzmittels pro Tag in
den Rhein geleitet. Mit dem Start der vierten Reinigungsstufe 2027
sollen es geschätzt lediglich noch 0,2 Tuben sein, wie Ralf Kaiser
erklärt, der für den Bau der Stufe zuständig ist. 

Und Diclofenac ist nur einer von Tausenden Stoffen, die im Abwasser
stecken. Es geht um viele andere medizinische Wirkstoffe, um
künstliche Hormone, Röntgenkontrastmittel, Süßstoffe aus Diätdrin
ks
oder Duftstoffe aus Duschgels. Sie alle gelangen ins Abwasser, indem
Menschen sie nach der Einnahme fast komplett wieder ausscheiden oder
indem alte Medikamente unsachgemäß entsorgt und einfach in die
Toilette oder den Ausguss geschüttet werden. 

Hormone können Fischbestände verweiblichen lassen

In Gewässern können diese Rückstände Pflanzen und Tiere schädigen
,
mittelbar etwa über Fische auch wieder in den menschlichen
Nahrungskreislauf gelangen. Bei Fischen, Krebsen, Muscheln oder Algen
kann es zu Verhaltens- oder Entwicklungsstörungen kommen. 

Es sei sogar schon beobachtet worden, dass aufgrund vieler Hormone
etwa aus Antibabypillen Fischbestände komplett verweiblicht seien,
erklärt Henning Knerr, Leiter der Beratungsstelle Abwasser an der
Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau.
Knerr spricht von einem «Riesencocktail» im Abwasser. 

Wie also funktioniert die Reinigung des Abwassers genau? Zunächst
gibt es drei herkömmliche Reinigungsstufen, so auch in Mainz:

1. Stufe: 

Mit Sieben, Rechen oder in Absetzbecken werden Feststoffe aus dem
Abwasser geholt, etwa Toilettenpapier, Essensreste oder auch Sand. 

2. Stufe:

Bei dieser biologischen Behandlung mit Hilfe von Bakterien und
anderen Mikroorganismen geht es darum, Abwasser von organischen
Verbindungen zu befreien, zum Beispiel von Nährstoffen wie
Stickstoff. 

3. Stufe: 

Hier folgt die chemisch-physikalische Behandlung. Es geht in erster
Linie um die Entfernung von Phosphor. Es werden Chemikalien für die
Phosphor-Fällung zugegeben, es bilden sich Flocken, die aus dem
Wasser geholt werden können. 

An diese drei Stufen wird sich in Mainz voraussichtlich ab 2027 die
vierte Stufe anschließen. In der Landeshauptstadt wird auf eine
Kombination zweier Verfahren gesetzt, wie Kaiser erklärt. Das gebe in
diesem großen Maßstab so noch nicht. Zunächst geht es in die
Ozonierung. Hierbei crackt oder spaltet Ozon - O3 - die chemischen
Verbindungen der Schadstoffe. Danach fließt das Abwasser durch
granulierte Aktivkohle, an der bleiben die Substanzen hängen, der so
gewonnene Klärschlamm wird schließlich verbrannt. 

Für diese künftig noch sorgfältigere Reinigung des Abwassers spricht

nach Angaben der rheinland-pfälzischen Umweltministerin Katrin Eder
(Grüne) auch, dass im Land ein großer Teil des Trinkwassers aus
Uferfiltrat des Rheins gewonnen wird. Da liege der Sinn einer vierten
Reinigungsstufe auf der Hand. Der Klimawandel bringe häufiger
niedrige Wasserstände, die Verdünnung der Stoffe im Fluss nehme ab.
«Das ist also keine Klimaspinnerei», sagt Eder. 

Teures Vorhaben

Darüber hinaus verlangt die EU-Kommunalabwasserrichtlinie, dass bis
2045 Kläranlagen ab einer bestimmten Größe eine solche Stufe bekommen

müssen. In Rheinland-Pfalz trifft das laut Umweltministerium von den
insgesamt 660 Kläranlagen im Land auf 65 zu. Ein teures Vorhaben -
kostet doch allein die Ergänzung in Mainz rund 30 Millionen Euro. 

Das Land unterstützt die Stadt mit 10,5 Millionen Euro, der Bund gibt
für das auch bundesweit außergewöhnliche Projekt 5,8 Millionen. Für

Ministerin Eder ist das alternativlos. «Die Investitionen sind nötig,
denn wir alle brauchen saubere Gewässer und sauberes Trinkwasser»,
sagt sie. 

Was müssen die Hersteller solcher Substanzen tragen?

Klar ist, dass sich die Investitionen auch auf Gebühren von
Bürgerinnen und Bürger auswirken werden. In Mainz soll sich das den
Angaben zufolge in Grenzen halten. Ministerin Eder hofft außerdem
darauf, dass in Zukunft Hersteller von Produkten mit solch
problematischen Substanzen über die erweiterte
Herstellerverantwortung zur Kasse gebeten werden. Wann und wie das
konkret von den EU-Mitgliedsstaaten umgesetzt wird, sei aber noch
unklar.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite