Der «Silent Killer» - Wieso Bluthochdruck gefährlich ist Von Marc Fleischmann, dpa
Experten nennen ihn «Silent Killer», weil er oft unbemerkt bleibt.
Mitunter macht Bluthochdruck sich durch Stechen in Kopf oder Herz
bemerkbar. Betroffene fragen sich: Kann das wieder weggehen?
Berlin (dpa) - Wer Bluthochdruck hat, ist damit nicht allein. Bis zu
30 Millionen Menschen leiden nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga
hierzulande darunter. Das Tückische: Viele wissen gar nichts von
ihrer Erkrankung, die deshalb «Silent Killer» (auf Deutsch: «Stiller
Mörder») genannt wird.
Bluthochdruck kann zu schlimmen Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt,
Schlaganfall und Nierenversagen führen. Deshalb wird zum sogenannten
Welthypertonietag (17. Mai) jährlich über die Volkskrankheit
aufgeklärt.
Wenn die Diagnose einmal gestellt ist, ähneln sich bei Patienten die
Fragen: Bleibt das für immer? Wie kann das wieder weggehen?
Ab welchen Werten ist der Blutdruck hoch?
Keine internistische Erkrankung gebe es in Deutschland häufiger als
die arterielle Hypertonie - also Bluthochdruck, erklärt Anne Fleck,
Fachärztin für Innere Medizin und Rheumatologie. Das Krankheitsbild
liegt nach Angaben der European Society of Hypertension vor, wenn die
systolischen Werte 140 mmHg und/oder die diastolischen Werte 90 mmHg
überschreiten.
Der erste, systolische Wert bezieht sich auf den Druck in den
Arterien, wenn das Blut aus dem Herzen herausgepumpt wird. Ideal sind
hier etwa 120 mmHg oder weniger. Die in der Regel dreistellige Zahl
wird auch oberer Wert genannt, weil sie bei digitalen
Blutdruckgeräten auf der Anzeige oben steht. Darunter findet sich als
unterer der zweite, diastolische Wert. Dieser misst den Druck in den
Arterien, wenn das Blut wieder zurück ins Herz fließt und es sich
entspannt. Ziel sind hier etwa 80 mmHg oder weniger.
Zum ersten Wert stellt Markus van der Giet, Vorsitzender der
Deutschen Hochdruckliga, fest: «98 Prozent der Patienten kämpfen
damit.» Bluthochdruck kann auch in einer Kombination von systolischer
und diastolischer Hypertonie und anderen Formen auftreten. Martin
Middeke, Professor für Innere Medizin und ehemaliger Leiter des
Hypertoniezentrums München, hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die
Krankheit zu schreiben. Sein neuestes Werk «Die Altersformel»
erscheint am 1. Juni und thematisiert den Zusammenhang zwischen guter
Durchblutung und der Gesundheit.
Allgemein gilt bei Bluthochdruck: Wer nichts dagegen unternimmt,
steigert das Risiko für weitere Krankheiten des
Herz-Kreislauf-Systems. Das können Herzinfarkt oder Schlaganfall
sein.
Warum entsteht Bluthochdruck überhaupt?
Wenn das System ins Ungleichgewicht gerät und der Körper seine
Funktionen erhalten will, entsteht Bluthochdruck. Das kann der
normale Alterungsprozess sein, wie Bluthochdruckexperte van der Giet
erklärt: «Bei jedem steigt im Laufe des Lebens der Blutdruck an.»
Dabei geht es um die Versteifung der Gefäße. Beim Blutdruck spielen
aber auch das Geschlecht (Männer sind häufiger betroffen) und
erbliche Veranlagungen eine Rolle.
Häufig bestehe auch eine erbliche Veranlagung, wenn ein Elternteil
oder beide Eltern eine Hypertonie haben, sagt Experte Middeke. Das
beginne im jungen und mittleren Erwachsenenalter, meist mit einem
Anstieg des diastolischen Blutdruckes, also des unteren Werts. Gründe
hierfür können Gewichtszunahme, mangelnde körperliche Aktivität ode
r
chronischer Stress sein.
Daneben gibt es für Bluthochdruck weitere Faktoren wie
Insulinresistenz, hoher Alkohol- und Nikotinkonsum oder eine zu
salzreiche oder kaliumarme Ernährung. Auch Infektionskrankheiten wie
Virusinfektionen (Covid-19) oder chronische Borreliose-Erkrankungen,
mit denen der Körper kämpft, können für Bluthochdruck oder starke
Schwankungen des Blutdrucks sorgen.
Die Niere hat als Filter eine besondere Rolle im Körper - und wenn
das nicht gut funktioniert, ist es nach van der Giets Worten wie bei
einer verstopften Espressomaschine. «Dann produzieren wir höheren
Druck.»
Primäre oder sekundäre Hypertonie - was ist das?
Bluthochdruck kann in zwei Arten unterteilt werden: die primäre und
die sekundäre Hypertonie. Etwa 90 Prozent aller Betroffenen haben die
primäre Form. Dabei ist der Bluthochdruck selbst die eigentliche
Krankheit.
Bei der sekundären Hypertonie ist der Bluthochdruck eine
Begleiterscheinung einer anderen Krankheit. Das Alter spiele hier nur
eine untergeordnete Rolle, erklärt Middeke. Hinter einer sekundären
Hypertonie kann laut van der Giet eine mangelhafte Durchblutung der
Niere stecken. Ursache können aber auch eine
Schilddrüsenüberfunktion, entzündlich-rheumatische Krankheiten an den
Gefäßen, neurologische Ursachen oder psychogene Ursachen bei etwa
starken Schmerzen sein, so Expertin Fleck.
«Silent Killer»: Was ist, wenn es keine Symptome gibt?
Nicht immer lässt sich Bluthochdruck sofort erkennen. Van der Giet
schätzt, dass ein Drittel der Betroffenen gar nichts von ihrer
Erkrankung weiß. Für Fleck ist das «das Tückische». Denn Beschwer
den
können lange Zeit fehlen oder fehlgedeutet werden.
Als typische Symptome nennt die Fachärztin frühmorgendliche
Kopfschmerzen im Hinterkopfbereich oder generell Kopfschmerzen im
Nacken. Wer nachts Bluthochdruck hat, kann unter Schlafstörungen
leiden oder öfter aufwachen. «Viel zu selten wird bei Schlafstörungen
an eine konsequente kurze Blutdruckmessung gedacht», warnt Fleck.
Auch Ohrensausen, Schwindel, starke Nervosität, Nasenbluten oder
Luftknappheit bei Belastung seien Indizien.
Kann man Bluthochdruck heilen oder nur behandeln?
Für Fleck ist klar: «Je früher Symptome nicht nur mit Medikamenten
glattgebügelt, sondern Ursachen erkannt und abgestellt werden, umso
besser sind die Heilungschancen.» Für die Fachärztin ist Grundlage
jeder Therapiemaßnahme eine Anpassung des Lebensstils. Wer seine
Ernährung anpasse, Nährstoffdefizite wie Kalzium, Kalium und
Magnesium ausgleiche und regelmäßig Ausdauertraining mache, könne
«immens viel erreichen».
Allein durch diese Maßnahmen lassen sich nach ihren Worten ein
Viertel aller Fälle mit Grad 1 umfänglich normalisieren. Grad 1
besteht nach Angaben der Bundesärztekammer bei systolischen Werten
zwischen 140 und 159 systolisch und/oder diastolischen Werten
zwischen 90 und 99 mmHg.
Wer an sekundärer Hypertonie leidet - also als Begleiterscheinung
einer Krankheit -, hat einen Vorteil: «Wenn man die Krankheit
erkennt, kann man sie in der Regel behandeln, sodass eigentlich
danach das Blutdruckproblem gelöst sein sollte», erläutert van der
Giet, der das Hypertoniezentrum an der Berliner Charité leitet. Eine
Spezialform können dabei Folgen einer Corona-Erkrankung sein. Die
Omikron-Varianten des Virus bringen nach seinen Worten die
«Blutdruckregulation durcheinander».
Wer dagegen an einer genetischen oder altersbedingten primären
Hypertonie leide, habe schlechtere Karten. «Aus dieser Falle kommt
man nicht raus», sagt van der Giet. Dann heißt es: aktiv etwas gegen
den Bluthochdruck zu tun und meist lebenslang Tabletten nehmen.
Warum ist die Behandlung so wichtig?
Patienten, die von ihrem Bluthochdruck nichts wissen, sind van der
Giet zufolge mitunter überrascht. Denn «viele fühlen sich unter hohem
Blutdruck sogar besser, weil sie leistungsfähiger sind», erklärt der
Experte. Ihnen müsse er dann erklären, dass eine Regulation etwa
mittels Tabletten trotzdem wichtig sei. Van der Giet fragt dann:
«Wollen Sie einen Herzinfarkt oder Schlaganfall bekommen?» Weil das
keiner will, lautet sein dringender Appell: «Stellen Sie ihren
Blutdruck ein.»
Für Middeke ist die dauerhafte Behandlung von Bluthochdruck die
«erfolgreichste medizinische Maßnahme zur Prävention von
Herz-Kreislauferkrankungen».
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