Tod in Psychiatrie - Eltern fordern Aufarbeitung Von Britta Schultejans, dpa

Vor rund drei Jahren tötet ein psychisch Kranker in der geschlossenen
Psychiatrie eine Mit-Patientin. Ihre Eltern fragen noch heute: Wie
konnte es dazu kommen?

München/Haar (dpa) - «Mein Kind ist von einem Monster getötet
worden», sagt Eleonora Nagy und kämpft mit den Tränen. Sie zeigt sich

«fassungslos» darüber, dass versucht werde, die Sache «einfach so
unter den Teppich zu kehren». «Wir möchten Gerechtigkeit.»

Vor knapp drei Jahren starb ihre 40 Jahre alte Tochter Kamilla in
einer Psychiatrie bei München. Ein Mann, der vorher angekündigt
hatte, einen Menschen töten zu müssen, und darum zwangseingewiesen
worden war, brachte sie in ihrem Krankenzimmer um. 

«Die Umstände, warum es zu dieser schrecklichen Tat kommen konnte und
Kamilla zu Tode kommen musste, sind bis heute nicht geklärt», sagt
Jella von Wiarda, die Anwältin der Familie der Toten. Sie und die
Angehörigen fordern «die juristische, rechtsstaatliche Aufarbeitung»

und haben darum nun einen Antrag auf Klageerzwingung beim
Oberlandesgericht (OLG) München eingereicht. 

Ein Justizsprecher bestätigt den Eingang des Antrags, die Akten seien
von der Generalstaatsanwaltschaft angefordert worden. Wann über den
Antrag entschieden wird, ist zunächst unklar. 

Der Mann, der seine Mitpatientin im Isar-Amper-Klinikum tötete,
räumte später im Prozess gegen ihn vor dem Landgericht München I ein,

sie mit einer Metallstange gequält, mit ihrem Pullover stranguliert
und dann Feuer gelegt zu haben. Gott habe ihm die Tat aufgetragen,
weil die Frau eine Hexe gewesen sei, ließ der damals 33-Jährige im
Juli 2023 über seine Anwältin mitteilen. 

«Kamilla ist nicht von einem Lkw erfasst worden auf der Straße», sagt

ihre Mutter. Sie sei «in einem geschützten Raum» getötet worden, an

einem Ort, an dem sie Heilung suchte. 

Patient hatte Hund getötet und wollte Menschen umbringen

Der Mann war erst wenige Stunden vor der Tat in die Klinik
eingewiesen worden, weil er der Polizei gesagt hatte, dass er einen
Hund auf Anordnung Gottes getötet habe und einen Menschen umbringen
werde. Laut von Wiarda hatte der Mann seinem Hund eine Nagelschere in
die Achselhöhle gestochen und ihn dann erwürgt.

Nur Stunden danach riss er laut Staatsanwaltschaft in seinem Bad die
Stange des Duschvorhangs ab und ging damit in das Badezimmer der
Patientin. Zwei dutzendmal schlug er der Antragsschrift zufolge auf
ihren Kopf, bevor er sie mit einem Pullover strangulierte und das
Feuer legte.

«Dieser Mann darf sich auf einer geschlossenen psychiatrischen
Station völlig frei bewegen», sagt Anwältin von Wiarda. Unbemerkt
habe er die Stange abreißen können. «Er spazierte damit unbemerkt
durch die Stationsgänge.» Erst als der Feueralarm losging, reagierte
das Personal. 

In Gerichtsakten ist von einem Tatzeitraum von bis zu einer Stunde
die Rede. «Wie lange diese Gewalttat gedauert hat, ist bis heute
nicht geklärt», sagt von Wiarda und spricht von einer «fürchterlich
en
Hinrichtung». 

Warum griff niemand ein? 

Warum konnte der Mann ungestört seine Mitpatientin attackieren? Warum
griff niemand ein? Fragen wie diese stellen sich die Eltern der
Getöteten heute noch - und zeitweise tat das auch die
Staatsanwaltschaft München I. 

2022 leitete sie ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein, um zu
klären, «ob ein strafrechtlich relevantes Unterlassen der
behandelnden Ärzte oder des Pflegepersonals im Zusammenhang mit dem
Tod der Geschädigten feststellbar ist, das die Tat des mittlerweile
rechtskräftig verurteilten Beschuldigten ermöglichte oder
vereinfachte», wie eine Sprecherin der Behörde mitteilte. Der
Vorwurf, der im Raum stand: fahrlässige Tötung durch Unterlassen. 

Staatsanwaltschaft stellte Ermittlungen ein

Die Staatsanwaltschaft holte ein Sachverständigengutachten ein,
vernahm Zeugen - und stellte das Verfahren im Januar dieses Jahres
ein. Die Begründung: «Ein strafrechtlich relevantes Verhalten konnte
nicht mit der für das Strafverfahren erforderlichen Sicherheit
festgestellt werden.» Einer Beschwerde gegen die Einstellung gab die
Generalstaatsanwaltschaft München nicht statt. Am 24. März kam der
ablehnende Bescheid. 

Das Isar-Amper-Klinikum wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Vorfall
äußern - auch nicht dazu, ob Sicherheitsvorkehrungen dort womöglich
inzwischen verschärft worden sind. 

Nicht nur ihre Tochter sei Opfer der Zustände in der Psychiatrie
geworden - auch der Mann, der sie umbrachte und laut Nagy und ihrer
Anwältin nach seiner Einlieferung nicht direkt untersucht worden sei.
Er sei als psychisch kranker Mensch in die Klinik gekommen - und dort
zu einem Verbrecher geworden. Vielleicht trauere irgendwo noch eine
andere Mutter um das verwirkte Leben ihres Kindes. «Ich weiß, dass
sie mich nie wieder anlächeln wird», sagt Eleonore Nagy über ihre
Tochter und weint. 

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