18 für Deutschland: Regierungsteam ist komplett Von Michael Fischer, Theresa Münch und Jörg Blank, dpa

Ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel sind die Weichen für den
Machtwechsel gestellt. Das Kabinett steht, die Fraktionen sind mehr
oder weniger sortiert. Was noch fehlt, sind 316 Ja-Stimmen.

Berlin (dpa) - Jetzt muss die neue schwarz-rote Koalition nur noch
eine Hürde nehmen, um loslegen zu können: die Wahl von CDU-Chef
Friedrich Merz zum Bundeskanzler am Dienstag. Nur einen Tag davor
stellte die SPD mit der Benennung ihres Personals für das
Regierungsteam die letzten Weichen für den Machtwechsel. 

Die Sozialdemokraten wollen vier Frauen und drei Männer ins Kabinett
schicken, das am Dienstag ernannt und vereidigt werden soll.
Angeführt werden die Sozialdemokraten in der Regierung von
Vizekanzler Lars Klingbeil, der auch Parteichef ist. Die umstrittene
Co-Vorsitzende Saskia Esken ging dagegen leer aus.

Nach den letzten Personalentscheidungen unterzeichneten die
Vorsitzenden von Union und SPD als Grundlage für ihre
Regierungsarbeit den Koalitionsvertrag mit dem Titel «Verantwortung
für Deutschland». Merz kündigte an, die Koalition wolle «ab morgen

unser Land kraftvoll, planvoll, vertrauenswürdig» regieren. Klingbeil
erklärte: «Deutschland hat alles, was es braucht. Jetzt braucht es
eine Regierung, die daraus etwas macht.»

Nur ein SPD-Minister bleibt im Amt

Der 47-Jährige steigt neben Merz zum mächtigsten Mann auf und
übernimmt als Vizekanzler das Finanzministerium. Neben ihm holt die
SPD vier Frauen und zwei Männer ins engere Regierungsteam, das aus
dem Kanzler und 17 Bundesministern und -ministerinnen besteht. Die
Union hatte ihr Personal bereits vor einer Woche benannt.

Aus der alten Regierung von Olaf Scholz macht nur ein
SPD-Bundesminister weiter: Boris Pistorius bleibt für Verteidigung
zuständig. Die bisherige Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird als
Arbeitsministerin die wichtigste SPD-Frau im Kabinett.

Zwei SPD-Frauen unter 40

Klingbeil hat sich ein Kabinett aus vielen engen Vertrauten
zusammengestellt - darunter neue und vor allem auch junge Gesichter,
wie er es nach dem desaströsen Ergebnis seiner Partei bei der
Bundestagswahl versprochen hatte. Entwicklungsministerin wird die
erst 35-jährige bisherige Integrationsbeauftragte Reem
Alabali-Radovan, deren Eltern aus dem Irak stammen. Nur zwei Jahre
älter ist die Start-Up-Gründerin und jetzige Vizefraktionsvorsitzende
Verena Hubertz, die das Bauministerium übernimmt. Beide hatte
Klingbeil schon in den vergangenen Jahren offensiv unterstützt.

Umweltminister wird der bisherige Ostbeauftragte Carsten Schneider
aus Thüringen. Als Justizministerin wechselt die Juristin und
bisherige rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (56)
nach Berlin. Auch die beiden Staatsministerposten der SPD werden mit
Frauen besetzt: Elisabeth Kaiser, bisher Parlamentarische
Staatssekretärin für Bauen und Wohnen, wird Beauftragte für
Ostdeutschland. Natalie Pawlik, bisher Beauftragte für
Aussiedlerfragen, wird für Migration, Flüchtlinge und Integration
zuständig sein.

Klingbeil fordert «echtes Teamplay»

Die neue Regierung brauche «mehr denn je echtes Teamplay», mahnte
Klingbeil vor Unterzeichnung des Koalitionsvertrags an. Als Motto für
Schwarz-Rot gab er aus: «Deutschland braucht weniger Verwalter und
mehr Möglichmacher.»

CSU-Chef Markus Söder forderte «Volldampf für Deutschland». «Es w
ird
nicht alles über Nacht gehen.» Man müsse aber mit der Umsetzung der
Beschlüsse aus dem Koalitionsvertrag zu einem neuen
«Deutschlandtempo» kommen. «Es ist Zeit für einen neuen Optimismus.
»

Gesamtkabinett: Größer, männlicher, älter

Das neue Kabinett wird insgesamt etwas größer, männlicher und älter

sein als es die Ampel-Regierung von SPD, Grünen und FDP war, als sie
2021 antrat. Das Durchschnittsalter steigt von 50,4 auf 53,1 Jahre.
Das liegt vor allem an den elf Unionisten in der Regierung, allen
voran Kanzler Merz (69). Sie sind im Schnitt 55,5 Jahre alt, die
Sozialdemokraten dagegen nur 49,4 Jahre.

Wegen der Neugründung des Digitalministeriums gibt es künftig 18
statt bisher 17 Kabinettsmitglieder. Zum zweiten Mal in Folge wächst
die Regierung damit. Darunter sind zehn Männer und acht Frauen. In
der ursprünglichen Regierung Scholz waren es neun Männer und acht
Frauen. Nach der Ablösung von Verteidigungsministerin Christine
Lambrecht (SPD) durch Pistorius verschob sich das Verhältnis
allerdings später auf zehn zu sieben.

SPD wählt Fraktionsspitze am Mittwoch - Parteivorsitz offen

Die SPD muss mit der Nominierung ihres Regierungsteams auch die
Fraktionsspitze neu sortieren. Mit den SPD-Parteiflügeln verständigte
sich Klingbeil, dass der Parteilinke Matthias Miersch Fraktionschef
werden soll. Fraktionsmanager, also Erster Parlamentarischer
Geschäftsführer, soll dafür Dirk Wiese vom konservativeren Seeheimer

Kreis werden. Die Fraktion will ihre Führung am Mittwochvormittag neu
wählen.

Auch die Neuaufstellung der Parteispitze muss bald geklärt werden.
Sie soll auf einem Parteitag im Juni neu gewählt werden. Es wird
erwartet, dass Klingbeil als Parteichef weitermachen will - mit wem
zusammen, ist aber offen. Möglich wäre, dass auch Esken erneut
antritt. Dann könnte es auf dem Parteitag sogar zu einer
Kampfabstimmung kommen.

Spahn führt Unionsfraktion - CSU wählt Dobrindt-Nachfolger

Die Union klärte auch noch wichtige Personalien und wählte den
ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit einem Ergebnis
von 91,3 Prozent zum Nachfolger von Merz an die Fraktionsspitze im
Bundestag. Zum neuen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer wurde
der bisherige Vizevorsitzende Steffen Bilger gewählt. Der 46-jährige
Rechtsanwalt aus Ludwigsburg folgt auf Thorsten Frei, der
Kanzleramtschef werden soll. 

Die 44 CSU-Abgeordneten werden künftig von dem 50-jährigen Franken
Alexander Hoffmann geführt. Er löst Alexander Dobrindt ab, der
Bundesinnenminister werden soll. 

Nur zwölf Stimmen Polster bei der Kanzlerwahl

Auch nach den letzten Personalentscheidungen und den vier
Unterschriften unter den 144 Seiten starken Koalitionsvertrag kann
theoretisch noch etwas schiefgehen für Schwarz-Rot. Die Koalition hat
im Bundestag nur zwölf Stimmen mehr als die 316, die für die Wahl von
Merz zum Kanzler notwendig sind. 

Sowohl Merz als auch Klingbeil zeigten sich zuversichtlich, dass es
trotzdem im ersten Wahlgang klappt: Ausnahmslos alle Abgeordneten
seien am Dienstag an Bord, versprach der CDU-Vorsitzende. Klingbeil
sagte über seine Fraktion: «Ich rechne damit, dass wir vollständig
sind und ich rechne damit, dass alle mit Ja stimmen.» 

Falls es so kommt, kann das von Merz als «Arbeitskoalition»
titulierte Bündnis am Dienstagnachmittag an die Arbeit gehen - genau
ein halbes Jahr nach dem Bruch der Ampel-Koalition von SPD, Grünen
und FDP.

Scholz wird mit Zapfenstreich verabschiedet

Mit der Überreichung der Ernennungsurkunde an Merz durch
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier endet nach 1.245 Tagen die
Amtszeit von Kanzler Olaf Scholz. Heute Abend würdigt die Bundeswehr
den SPD-Politiker vor dem Verteidigungsministerium mit einem großen
Zapfenstreich.

Dem Bundestag wird Scholz aber auch danach angehören. Er hat ein
Direktmandat in Potsdam gewonnen und will es bis zum Ende der
Wahlperiode wahrnehmen.

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