Warum Pflegekräfte gegen die Pflegekammer mobil machen Von Birgit Reichert, dpa
In Rheinland-Pfalz sind etliche Pflegekräfte richtig sauer. Grund
sind die Pflichtbeiträge der Landespflegekammer. Was die Kammer dazu
sagt.
Trier/Mainz (dpa/lrs) - Bei den Pflegekräften in Rheinland-Pfalz
wächst der Unmut. Sie sind wütend auf die Landespflegekammer, die sie
verpflichtet, Mitglied zu sein und jährlich Beiträge zu zahlen. «Und
zwar für Nichts», sagte der Leiter des Seniorenzentrums in Kell am
See (Kreis Trier-Saarburg), Michael Pauken. «Alle Gesetze, die uns
betreffen, werden auf Bundesebene gemacht. Uns hat die Kammer in zehn
Jahren erkennbar nichts gebracht», meinte er.
Die Kritik an der Landespflegekammer ist nicht neu. Sie wird aber
lauter. Zu einer Demo gegen die Arbeit der Kammer waren Anfang März
in Mainz zwischen 150 und 200 Pflegekräfte und Unterstützer gekommen.
In Trier wird es am 10. Mai eine nächste Demo gegeben - für eine
Reform der Pflegekammer und «ohne Zwangsmitgliedschaft». Am 5. Juli
folgt eine Demo in Koblenz.
Kritiker fordern Befragung aller Pflegekräfte
Im Protest der Pfleger entstehen lokale «Pflegebündnisse» wie in
Trier und in Koblenz, in denen die Menschen sich organisieren. «Nach
den Sommerferien, wenn die Politik dann immer noch nicht wach ist,
gibt es Demos in Bad Kreuznach und Kaiserslautern», sagte Pauken, der
selbst Krankenpfleger ist.
Die Kritiker fordern eine Vollbefragung aller Pflegekräfte, ob sie
die Kammer mit gut 40 Mitarbeitern weiter behalten wollten. Auf jeden
Fall müssten aber die Pflichtbeiträge abgeschafft werden, die es so
in keinem anderen Bundesland gebe: Die Finanzierung solle das Land
übernehmen.
Die Landespflegekammer gibt es seit 2016. Sie ist als gesetzliche
Berufsvertretung aller Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger
in Rheinland-Pfalz gegründet worden - auch mit dem Ziel, die
Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern. Sie hat rund 40.000
Mitglieder. Die Beiträge der Pfleger hängen vom Gehalt ab und liegen
im Schnitt bei knapp 140 Euro im Jahr.
Kammer-Präsident spricht von Kampagne
Die Arbeit der Pflegekammer sei sehr wohl sinnvoll und wirksam, sagte
deren Präsident Markus Mai der Deutschen Presse-Agentur. Man habe in
den letzten Jahren dazu beigetragen, dass diese Berufsgruppe
wesentlich mehr gehört werde und es eine höhere Sensibilität in
Gesellschaft und Politik für sie gebe. Die Bemühungen hätten zu einer
Anhebung der Gehälter geführt.
Zudem entwickele man den Berufsstand weiter: Anfang Juli trete eine
Fortbildungsordnung für Pflegefachpersonen in Kraft. «Darin haben wir
erstmals ein Mindestlevel an Fortbildungen festgelegt», sagte Mai.
Fortbildungen seien für die Qualität der Pflege wichtig. Es gehe
dabei um zweieinhalb Tage pro Jahr.
Kammer-Präsident: Kritiker «überschaubare Gruppe»
Nach Einschätzung von Mai handelt es sich bei den Kammer-Kritikern um
eine «überschaubare Gruppe». Es gebe drei Gründe, die bei dieser
«Kampagne» eine Rolle spielten: Die Kammer habe jüngst die
Pflichtbeiträge erhöht. Zudem sei man seit Jahresbeginn «sehr
intensiv» dabei, Beiträge von Pflegefachkräften einzutreiben, die
sich bisher geweigert haben, zu zahlen oder sich nicht gemeldet
haben. Und man schreibe Arbeitgeber an.
Die betroffenen Personen ärgerten sich jetzt, sagte Mai. Es könne da
auch schon mal um eine Nachzahlung von mehreren 100 Euro gehen.
«Keiner zahlt gerne Beiträge», sagte Mai. Es gebe dafür aber eine
gesetzliche Grundlage. Und an die müsse man sich halten - auch mit
Blick auf die, die zahlten.
Weitere Kammer nur noch in Nordrhein-Westfalen
Die Kammer in Rheinland-Pfalz war als erste Pflegekammer in
Deutschland gegründet worden: Dabei ging man davon aus, dass alle
anderen Bundesländer folgen würden, sagte Pauken. Das sei aber nicht
der Fall. Heute gebe es nur noch in Nordrhein-Westfalen eine
Pflegekammer.
Und diese, sagte Pauken, erhebe keine Pflichtbeiträge bei ihren
Mitgliedern. Stattdessen habe das Land eine Finanzierung bis 2027
zugesagt. Kammern, die es in Niedersachsen und Schleswig-Holstein
zwischenzeitlich gab, seien nach Abstimmungen der Pflegekräfte wieder
abgeschafft worden. Und der Versuch, 2024 eine Kammer in
Baden-Württemberg einzurichten, sei gescheitert.
«Viele Pflegefachkräfte haben jetzt Angst»
Die Kritik nehme neu an Fahrt auf, weil die Kammer in Rheinland-Pfalz
jüngst alle Arbeitgeber aufgerufen habe, die Namen ihrer Pflegekräfte
an die Kammer zu melden, berichtete Bettina Will, Intensiv- und
Anästhesiepflegerin aus Bad Ems. Aber nicht alle Arbeitgeber kommen
der Aufforderung zur Meldung nach.
Wie die Leiterin einer Einrichtung im Kreis Birkenfeld. Sie weigert
sich, die Mitarbeiter zu melden. «Ich weiß aber nicht, wie lange ich
das durchhalte», sagte sie. Sie findet den ausgeübten Druck «ein
Unding». Pauken fügt hinzu: «Es gibt viele Pflegefachkräfte, die
haben jetzt Angst.»
Kammer als Standortnachteil für Rheinland-Pfalz?
Die «Zwangsmitgliedschaft» sei ein Nachteil für den Standort
Rheinland-Pfalz, sagte die Leiterin eines Seniorenzentrums in
Baumholder, Alexandra Schug. Es gebe da Leute, die lieber ein paar
Kilometer weiter fahren und dann im Saarland arbeiteten. Das sei auch
deshalb schlimm, weil die Fachkräfte in der Pflege überall fehlten.
«Man muss aus dieser Pflicht-Geschichte raus», sagte sie. Denkbar
seien stattdessen freiwillige Mitgliedschaften.
Anästhesiepfleger Jörg Sponholz aus Saarburg, der für die
Gewerkschaft Verdi in der Kammer sitzt, ist auch mit deren Arbeit
unzufrieden. «Du bekommst als Pflegekraft vor Ort zweimal im Jahr so
eine Hochglanzbroschüre und mehr hast du nicht von der Kammer», sagte
er.
Altenpflegerin Gollub: Kammer tut nichts für mich
Altenpflegerin Jasmin Gollub, die in einer Einrichtung des
Landesverbandes des Deutschen Roten Kreuzes Rheinland-Pfalz arbeitet,
sagt: «Wenn man an die Kammer eine Frage per E-Mail stellt, kriegt
man keine Antwort. Keiner fühlt sich da zuständig. Die Kammer tut
nichts für mich. Also zahle ich für nichts.»
Die Kammer sage stets, ihre Kritiker seien nur eine kleine Gruppe,
sagte Pauken. «Wir sind keine Randerscheinung. Wir sind Tausende
mittlerweile.»
Kammer-Präsident Mai: Kritiker schaden dem Berufsstand
Kammer-Präsident Mai warnte: «Wer dafür sorgt, dass die Kammer am
Ende einen Schaden erleidet, der schadet dem Berufsstand der Pflege
und der gesellschaftlichen Versorgung von Pflege nachhaltig.» Schaue
man in andere Länder ohne Pflegekammer: Da habe die berufliche Pflege
keinen Einfluss. «Und dann bleibt die Pflege in dem Land wirklich auf
der Strecke.»
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