«Einfach genießen»: Comeback nach Herzinfarkt mit 28 Jahren Von Jens Marx und Philipp von Ditfurth , dpa
«Es war ein Schock», erinnert sich Lasse Nygaar Priester an den Tag
der Diagnose Herzinfarkt. Olympia-Träume wichen Lebensängsten. Nun
kehrt er zurück - und das bei einem Halb-Ironman.
Freiburg (dpa) - Es beginnt im fernen China vor einem Jahr. Lasse
Nygaard Priester tritt beim Triathlon-Weltcup in Chengdu an. Es ist
der 29. April. Das Ziel: Punkte sammeln für die
Olympia-Qualifikation. Priester ist einer der Kandidaten für Paris.
Der Mann mit der Startnummer 1 gibt in der zweiten Wechselzone nach
dem Schwimmen und Radfahren aber auf - kein Lauf mehr. «Ich habe mich
da so schlecht gefühlt, dass ich ausgestiegen bin. Auch mehrere
Stunden danach ging es mir nicht gut», erinnert er sich.
Die Beschwerden lassen nach. Priester, 28 Jahre alt zu dem Zeitpunkt
und voll durchtrainiert, reist weiter nach Japan. Beim Rennen der
World Triathlon Championship Series kommt er nicht über Platz 29
hinaus. Über Samarkand in Usbekistan (35. Platz) geht es nach
Italien. Mehr als Rang 21 springt auch dort für Priester nicht
heraus. Weit unter seinem Anspruch, weit unter seinem
Leistungsniveau.
«Eine wilde Tour», sagt er rückblickend in einem Gespräch der
Deutschen Presse-Agentur. Priester lächelt dabei. Der gebürtige
Norderstedter betont: «Ich hatte bei allem Pech sehr, sehr viel
Glück.» Denn er erlitt damals einen Herzinfarkt, vermutlich im Rennen
in China.
Ein Jahr zwischen Herzinfarkt und Rückkehr
«Die Belastung danach war schon ein immenses Risiko.» Eines, das
Priester auf sich nahm, weil es er nicht besser wusste und niemals an
eine solche Diagnose gedacht hätte. «Lasse Priester hatte einen
Leistungsabfall, der dazu führte, ihn eingehender medizinisch
untersuchen zu lassen. Dabei wurde der Herzinfarkt - in vereinfachter
Laiensprache eine Durchblutungsstörung des Herzens -festgestellt»,
erklärt Martin Engelhardt, Präsident der Deutschen Triathlon-Union
(DTU). Er ist seit 2008 Chefarzt am Klinikum Osnabrück, von 2012 bis
2024 war er Ärztlicher Direktor des Klinikums.
Nun gibt Priester sein Triathlon-Comeback, gerade mal ein Jahr nach
dem China-Wettkampf. Am kommenden Sonntag tritt der mittlerweile
29-Jährige beim Ironman 70.3 Venice-Jesolo an - 1,9 Kilometer
Schwimmen, 90 Kilometer Radfahren, 21,1 Kilometer laufen. Aber wie
geht das nach so einer Diagnose?
Diagnose war «ein Schock»
An den Moment, als die Ärzte den Befund hatten und ihm mitteilten,
kann sich Priester sehr gut erinnern. «Ich bin ins Herzzentrum von
Bad Krozingen gefahren und nach einer entsprechenden Untersuchung
haben die Ärzte mir gesagt: 'Sie hatten einen Herzinfarkt'. Ich saß
erst mal da und dachte: 'Und jetzt?'», erzählt Priester: «Es war ein
Schock.»
Ein paar Wochen vorher habe sich alles noch um eine Olympia-Teilnahme
gedreht, wo seine Kolleginnen und Kollegen in der Mixed-Staffel
später Gold holten. «Und dann fragt man sich: Werde ich jemals wieder
Sport treiben können? Gleichzeitig spricht man über Themen wie
Lebenserwartung, künftige Lebensweise und man denkt: 'Das geht jetzt
hier gewaltig über den Sport hinaus'.» Eine Balance zu finden in
dieser Phase, sei schwer gewesen. Hinzu kam das Sportverbot - von 30
Stunden und mehr in der Woche auf null.
Keine Einwände für den Comeback-Plan
Im Januar legt Priester wieder mit dem Training los - vorausgegangen
waren eingehende Untersuchungen. Nachdem er die Frage nach der
Wiederaufnahme des Leistungssports gestellt habe, habe das ärztliche
Betreuerteam der DTU das Expertengremium der Arbeitsgemeinschaft
Kardiologie hinzugezogen, erklärt Engelhardt: Einwände gab es keine.
Gleichwohl die Auflage «einer intensiven und individualisierten
sportkardiologischen Betreuung».
Allerdings warnt Engelhardt auch eindringlich: «Allgemeine
Rückschlüsse für die Bevölkerung können daraus nicht abgeleitet
werden. Nicht jeder Herzinfarkt ist gleich. Zudem steht für den
normalen Bürger nicht eine solche Betreuungsmöglichkeit zur Verfügung
wie für einen Top-Leistungssportler.»
Und bei Priester sei es auch kein Herzinfarkt gewesen, «wie wir ihn
als Mediziner klassischerweise im Krankenhaus erleben», sagt der
Verbandschef und Arzt. «Der Bürger denkt beim Herzinfarkt sofort an
einen lebensbedrohlichen Zustand sowie an eine Behandlung auf der
Intensivstation», betonen Engelhardt und DTU-Arzt Casper Grim. Grim
gehörte auch im vergangenen Jahr als Leitender Orthopäde und
Stellvertretender Chief Medical Officer zum Stab der Mannschaftsärzte
des deutschen Olympiakaders.
Mit dem Auto nach Italien
Priester belastete die Diagnose. «So etwas begleitet dich eigentlich
in jeder Situation, selbst beim Treppe hochgehen», schildert er. Beim
Einschlafen erst recht. Mit mehr Wissen gewinne man aber auch in so
einer Situation mehr Sicherheit. Hinzu sei die «sehr, sehr, sehr,
sehr tolle» medizinische Betreuung gekommen. Komplett mit dem Sport
aufzuhören, sei daher auch keine Option für ihn gewesen.
Deswegen wird er sich diese Woche ins Auto setzen, vollgepackt mit
Sportklamotten und seinem Triathlonrad. Von Freiburg, wo er lebt und
trainiert, geht es nach Italien. Vielleicht mit einem Zwischenstopp
in Mailand, wo die Eltern seiner Freundin wohnen.
Machen, «weil man Bock drauf hat»
Am Sonntag um 7.15 Uhr tritt er zu seinem Comeback-Rennen an der
Spiaggia del Faro von Jesolo an. Ein Triathlon und doch Neuland nach
den bisherigen Rennen über deutlich kürzere Distanzen. «Ein bisschen
Aufregung ist schon dabei», sagt Priester. Zu viel Stress oder Druck
will er sich jedoch nicht machen.
«Ab und zu muss ich natürlich auch schon dran denken, dass das nach
der ganzen Geschichte im vergangenen Jahr eine tolle Sache und ein
bisschen Belohnung ist», sagt er. «Ich kann es einfach genießen, dass
da was Neues kommt, dass man das macht, weil man es will, einfach,
weil man Bock drauf hat.»
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