Was bringt der «Soft-Start» für die E-Patientenakte? Von Sascha Meyer, dpa
Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen hinkt Deutschland
hinterher. Für eine zentrale Anwendung für Millionen Versicherte
beginnt nun aber die Ausdehnung auf die ganze Republik -
schrittweise.
Berlin (dpa) - Untersuchungsbefunde, Medikamente, Röntgenbilder: Für
wichtige Gesundheitsdaten gibt es inzwischen elektronische
Patientenakten (ePA), die Anfang des Jahres in den Masseneinsatz
gingen. Der neue digitale Speicher kann Patientinnen und Patienten
ein Leben lang bei allen Ärztinnen und Ärzten begleiten. Doch die
meisten haben davon wohl noch gar nicht viel bemerkt. Das soll sich
jetzt ändern. Gestartet ist nun ein «Hochlauf», damit die E-Akte nach
und nach bald überall in Deutschland zum Standard wird.
Was genau ändert sich jetzt?
Seit 15. Januar haben 70 Millionen der gut 74 Millionen gesetzlich
Versicherten eine ePA von ihrer Krankenkasse angelegt bekommen, was
man für sich auch ablehnen kann. Der konkrete Einsatz in
Gesundheitseinrichtungen, die Daten in die E-Akte geben und die
Technik im Alltag nutzen, wurde aber vorerst nur in drei Regionen
getestet. In Hamburg und Umland, Franken und Teilen
Nordrhein-Westfalens beteiligten sich rund 300 Praxen, Apotheken und
Kliniken. Nach dem Abschluss der Probephase soll jetzt die
bundesweite Ausdehnung folgen.
Wie läuft die Ausweitung?
Der Übergang auf die gesamte Republik kommt nicht auf einen Schlag,
sondern schrittweise. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV)
spricht von einem «Soft-Start»: Einige Praxen könnten die ePA sofort
benutzen, andere müssten noch ein Modul installieren. Gebraucht
werden auch Software-Updates. Dieser Prozess dürfte mehrere Wochen
dauern, wie die mehrheitlich bundeseigene Digitalagentur Gematik
erläutert. Befüllen können die Einrichtungen die ePA vorerst auf
freiwilliger Basis. Eine gesetzliche Pflicht greift dann ab 1.
Oktober.
Warum kommen überhaupt E-Akten?
Für den scheidenden Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD),
der die Großoperation noch umsetzte, bringt die ePA eine
«Zeitenwende» in der Digitalisierung. «Patienten bekommen endlich
einen Überblick über ihre Daten und Befunde. Ärztinnen und Ärzte
können bessere Entscheidungen treffen.» Bisher kommen Patienten oft
mit Ausdrucken in die Praxen oder haben gar keine Unterlagen parat.
Ziel ist daher, verstreute oder fehlende Daten zu bündeln und bessere
Behandlungen zu ermöglichen. Mehrfachuntersuchungen und
Medikamenten-Wechselwirkungen sollen so ebenfalls vermieden werden.
Was kann man mit der ePA machen?
Patientinnen und Patienten können in ihre ePA schauen, müssen es aber
nicht. Einsehen kann man sie über eine App der Kasse etwa auf dem
Smartphone. Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, rät
Versicherten, die ePA auch aktiv zu nutzen. «So können sie sehen,
welche Daten in ihrer Akte hinterlegt sind und sind viel besser über
die eigene Gesundheit informiert.» Was Ärzte einstellen und wer
worauf zugreifen darf, kann jeweils festgelegt werden. Bei einem
Kassenwechsel kann man seine gespeicherten Daten auch mitnehmen.
Wie funktioniert es mit der ePA in den Praxen?
Wenn man die Versichertenkarte am Anmeldetresen der Praxis einsteckt,
bekommen Ärzte ein Zugriffsrecht zum Lesen und Befüllen der ePA für
standardmäßig 90 Tage. Die Spanne kann man per App verkürzen und
verlängern. Wer die Smartphone-Anwendung nicht selbst bedienen will,
kann etwa Angehörige damit betrauen. Auch Kinder bekommen eine ePA,
wenn die Eltern nicht widersprechen, ab 15 können sie selbst
entscheiden. Zum Schutz von Kindern können bestimmte sensible Angaben
nicht eingetragen werden.
Was kommt in die E-Akte hinein?
Von Anfang an soll eine Liste der Medikamente enthalten sein, die
automatisch aus den inzwischen üblichen E-Rezepten erstellt wird.
Schrittweise sollen weitere Inhalte dazukommen - als nächstes ein
Medikationsplan mit Angaben etwa zu Arznei-Dosierungen. Generell
sollen Ärztinnen und Ärzte wichtige Behandlungsdaten in die E-Akte
einstellen. Die KBV weist zugleich darauf hin, dass die ePA als
«versichertengeführte» Akte die Dokumentation jeweils in den eigenen
Praxissystemen nicht ersetzt. Auch eine direkte Kommunikation
zwischen Praxen bleibe wichtig, zumal Versicherte Daten löschen
können.
Wie kann man steuern, was die E-Akte zeigt?
Generell ist die E-Akte für Patienten eine freiwillige Sache. Wenn
man etwas nicht möchte, muss man dafür aber aktiv werden. So können
Patienten in der Sprechstunde bestimmen, wenn ein Befund nicht in die
Akte soll. Bei sensiblen Daten müssen sie ausdrücklich auf das Recht
dazu hingewiesen werden. In der App kann man Einstellungen festlegen.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz beklagte fehlende
Möglichkeiten, einzelne Dokumente nur bestimmten Ärzten zu zeigen. So
könne ein Orthopäde sehen, wenn man in psychotherapeutischer
Behandlung ist. Es bleibe nur, ihm den Zugriff auf die ePA komplett
zu sperren.
Was ist mit der Datensicherheit?
Lauterbach unterstreicht: «Sicherheit geht immer vor.» Während der
Testphase wurden dafür noch zusätzliche Vorkehrungen umgesetzt. So
sei es gelungen, Sicherheitsprobleme für einen Massenzugriff auf ePAs
zu lösen, die der Chaos Computer Club herausgearbeitet hatte.
Gespeichert werden die Daten laut Ministerium auf Servern im Inland.
Jeder Zugriff auf die ePA wird mit Datum und Uhrzeit protokolliert.
Bei der ersten Anmeldung in der App brauchen Versicherte einen
elektronischen Personalausweis mit Geheimnummer (Pin) - oder die
E-Gesundheitskarte mit Pin, die man auf Antrag von der Kasse
bekommt.
Kommt jetzt ein Durchbruch?
Aktuell gibt es laut Gematik bis zu 60.000 Zugriffe auf ePAs pro Tag.
Künftig sollen es mit der bundesweiten Ausdehnung viel mehr werden.
Dabei waren E-Akten als Angebot, um das man sich aktiv kümmern muss,
nach jahrelangen Verzögerungen schon 2021 eingeführt worden. Sie
wurden aber kaum genutzt. Ein Gesetz der Ampel-Koalition kehrte das
Prinzip um: Nun bekommen alle eine ePA, außer man lehnt es aktiv bei
seiner Kasse ab. Die Widerspruchsquote lag im Schnitt bei fünf
Prozent. Aus Sicht der Verbraucherzentralen zeigt das nicht eindeutig
eine breite Zustimmung, es könnte auch mangelnde Information und
Aufklärung sein. Auch private Krankenversicherungen können ePAs
anbieten.
Was ist bei Daten für die Forschung geplant?
Vorgesehen ist in einer nächsten Ausbaustufe wohl 2026, dass Daten
aus der ePA zu Forschungszwecken an eine zentrale Stelle
weitergeleitet werden. Sie werden dafür pseudonymisiert verwendet,
wie das Ministerium erläutert - also ohne direkt personenbeziehbare
Angaben wie Name und Adresse. Versicherte können auch dieser
Datennutzung in der App oder bei einer Ombudsstelle der Krankenkasse
widersprechen. Lauterbach sieht enorme Chancen für die Forschung mit
großen Datenbeständen und künstlicher Intelligenz.
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