Neue Regierung rückt näher - CDU stimmt Koalitionsvertrag zu Von Ulrich Steinkohl, Jörg Blank, Michael Fischer und Sascha Meyer, dpa

Der nächste Schritt für eine schwarz-rote Regierung ist gemacht: Nach
der CSU stimmt die CDU für den Koalitionsvertrag. Auch die
Kabinettsliste der Union steht. Sie enthält eine große Überraschung.


Berlin (dpa) - Acht Tage vor der geplanten Kanzlerwahl im Bundestag
hat die CDU dem mit CSU und SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag
zugestimmt. Ein Kleiner Parteitag nahm ihn mit großer Mehrheit an -
ausgezählt wurde nicht. Die Bildung der schwarz-roten Koalition hängt
jetzt nur noch am Mitgliedervotum der SPD, das an diesem
Dienstagabend ausläuft. Der voraussichtlich neue Kanzler Friedrich
Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann warben vor den rund
150 Delegierten vehement für den Koalitionsvertrag. CDU und CSU
legten außerdem die Liste ihrer Kabinettsmitglieder vor.

«Die Kompromisse, die wir in diesem Koalitionsvertrag gemacht haben,
sie sind aus meiner Sicht nicht nur verantwortbar. Es sind
Kompromisse, die ich mit gutem Gewissen zur Zustimmung heute
empfehlen kann», sagte Merz. Linnemann räumte ein, der Vertrag sei
natürlich nicht CDU pur. «Aber in diesem Koalitionsvertrag - und das
ist meine feste Überzeugung - steckt der Politikwechsel drinnen, für
den wir alle gekämpft haben im Wahlkampf.» Nun müsse man ihn
umsetzen. «Wir müssen es jetzt auch machen. Wir müssen liefern.»

Merz sieht neue Regierung zum Erfolg verpflichtet

Merz sieht die angestrebte Regierung aus Union und SPD zum Erfolg
verpflichtet. Es gebe keine Euphorie, dafür sei jetzt aber auch nicht
die Zeit, sagte er. «Wir bilden eine Arbeitskoalition. Wir wissen,
dass wir in der Pflicht stehen, Erfolg zu haben», betonte Merz.
«Erfolg in Deutschland, Erfolg in Europa und auch Erfolg in der Welt.
Erfolg für Wirtschaft und Gemeinschaft im eigenen Land. Und Erfolg
bei der Selbstbehauptung der demokratischen Mitte unseres Landes.»

Merz warnte, wenn nicht eine deutliche Mehrheit der Bürgerinnen und
Bürger des Landes mit der neuen Bundesregierung und ihrer Arbeit
zufrieden sein werde, dann könne man in die Situation kommen, «dass
wir in diesem Land nicht mehr handlungsfähig und vielleicht
irgendwann nicht mehr regierungsfähig sind». CDU, CSU und SPD stünden

in der gemeinsamen Pflicht, dies zu verhindern.

Linnemann: Neue Regierung wird positiv überraschen

Linnemann ging von einer erfolgreichen Arbeit der angestrebten
Regierung aus Union und SPD aus. «Es ist meine feste Überzeugung,
dass diese Bundesregierung überraschen wird - und zwar im positiven
Sinne», sagte er. Alle Beteiligten wüssten um ihre Verantwortung.
Außerdem sei Parteichef Merz als künftiger Kanzler der richtige Mann
zur richtigen Zeit.

Kaum Kritik am Koalitionsvertrag

In der Aussprache über den Koalitionsvertrag warben auch andere
führende CDU-Politiker wie Hessens Ministerpräsident Boris Rhein für

das rund 140 Seiten starke Papier. Kritik gab es kaum. Der
Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, der sich im Vorfeld
kritisch geäußert hatte, stellte die Frage nach der
Generationengerechtigkeit, wenn schon ein Dämpfen von
Rentenerhöhungen für undenkbar erklärt werde. 

Merz hatte zuvor allerdings deutlich gemacht, dass er auf Reformen
der großen Sozialversicherungen für Rente, Gesundheit und Pflege
dringt. Es stimme, dass der Koalitionsvertrag dazu unklar und vage
geblieben sei. Es gelte aber, aus der Spirale immer höherer Beiträge
und Haushaltsmittel und zugleich schlechterer Leistungen in den Augen
Betroffener herauszukommen. 

Vertraute Namen und eine Überraschung bei Kabinettsliste

Bei einer Sitzung der CDU-Führungsgremien hatte Merz zuvor die Liste
der von seiner Partei zu bestimmenden Ministerposten vorgelegt.
Parallel dazu präsentierte die CSU in München ihre
Kabinettsmitglieder. Neben vielen bekannten Namen enthält die
CDU-Liste eine große Überraschung: Der Chef von Ceconomy, des
Mutterkonzerns der Elektronikketten Media Markt und Saturn, soll das
neu geschaffene Ressort für Digitalisierung und Staatsmodernisierung
übernehmen. 

Viele Namen für die Besetzung der anderen Ressorts kursierten bereits
seit Tagen: Das Außenministerium, das nach fast 60 Jahren wieder an
die CDU geht, soll der Außen- und Sicherheitsexperte Johann Wadephul
aus Schleswig-Holstein leiten. Der bisherige
CSU-Landesgruppenvorsitzende im Bundestag, Alexander Dobrindt, wird
Innenminister. Das wichtige Wirtschaftsministerium soll die
Energiemanagerin und frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Katherina
Reiche übernehmen. 

Mehr Männer als Frauen

Im neuen Kabinett werden bei der Union erneut die Männer in der
Überzahl sein. Die CDU schickt vier Männer und drei Frauen, die CSU
zwei Männer und eine Frau. Noch deutlicher unterrepräsentiert sind
Politikerinnen und Politiker aus Ostdeutschland - nur Reiche kommt
von dort. Sie wurde in Luckenwalde in Brandenburg geboren. Von 1998
bis 2015 vertrat sie den Wahlkreis 61 (Potsdam - Potsdam-Mittelmark
II - Teltow-Fläming II) im Bundestag.

Erst mit Ernennung durch den Bundespräsidenten im Amt

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz will sich am Dienstag kommender
Woche im Bundestag zum Kanzler wählen lassen. Er erhält dann von
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde und
leistet anschließend im Bundestag den Amtseid ab. Im Gegensatz zu ihm
ist für die Ministerinnen und Minister keine Wahl vorgeschrieben. Sie
werden mit der Ernennung durch Steinmeier im Amt sein.

Quereinsteiger aus der Wirtschaft 

Die überraschendste Personalie ist die Nominierung Wildbergers zum
ersten Bundesminister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung.
Der 55-Jährige bringt einschlägige Praxiserfahrung mit. In den
vergangenen Jahren gehörte die digitale Transformation in Wirtschaft
und Unternehmenswelt zum Kern seiner Tätigkeiten. So hat Ceconomy als
Elektronikmärkte-Betreiber unter seiner Führung das Online-Geschäft
ausgebaut. Von 2016 bis Sommer 2021 war er beim Energiekonzern E.ON
als Vorstandsmitglied für den digitalen Wandel zuständig. 

Merz-Vertrauter als Kanzleramtschef

Als Kanzleramtsminister holt Merz einen Vertrauten in die
Regierungszentrale, den bisherigen Ersten Parlamentarischen
Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, Thorsten Frei (CDU) aus
Baden-Württemberg. Im Kanzleramt soll der 51-Jährige künftig für
seinen Chef Fallstricke aus dem Weg räumen, einen reibungslosen
Regierungsablauf sichern und Kontakt zu den Ländern halten. 

Bundestagsabgeordnete werden neue Minister

Bei der Besetzung weiterer Kabinettsposten setzen CDU und CSU
größtenteils auf Sachverstand aus dem Bundestag. So soll der
CDU-Abgeordnete Patrick Schnieder aus Rheinland-Pfalz das
Verkehrsressort und die CDU-Abgeordnete Nina Warken aus
Baden-Württemberg das Gesundheitsministerium übernehmen. Die
CSU-Abgeordnete und Parteivize Dorothee Bär aus Bad Kissingen wird
Ministerin für Forschung, Technologie und Raumfahrt, ihr
Parteikollege Alois Rainer aus Straubing bekommt das
Agrarministerium. 

Für die Besetzung des Ministeriums für Bildung, Familie, Senioren,
Frauen und Jugend setzt die CDU auf Sachverstand aus einem
Bundesland: Diesen Posten erhält die profilierte
schleswig-holsteinische Bildungsministerin Karin Prien.

Spahn wird wohl neuer Fraktionsvorsitzender

Der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll neuer
Vorsitzender der Unionsfraktion werden und in diesem Amt Merz
nachfolgen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von
Teilnehmern sagte Merz in einer Sitzung des CDU-Bundesvorstands, er
wolle gemeinsam mit CSU-Chef Markus Söder Spahn für den Vorsitz der
CDU/CSU-Fraktion vorschlagen. Der 44 Jahre alte Spahn sitzt seit mehr
als 20 Jahren im Bundestag. Er war auch als möglicher Minister im
Gespräch.

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