Tod von Papst oder Queen: Warum bewegt einen das eigentlich? Von Christoph Driessen, dpa

Am Samstag nimmt die Welt mit einer großen Trauerfeier in Rom
Abschied von Papst Franziskus. Warum berührt das auch viele Menschen,
die mit der Kirche gar nichts zu tun haben?

Berlin/Rom (dpa) - Es ist merkwürdig, dass man den Tod einer
weltpolitischen Persönlichkeit als Einschnitt ins eigene Leben
erfahren kann. Am Ostersonntag war der schwer von Krankheit
gezeichnete Papst Franziskus unter Aufbietung seiner letzten Kräfte
noch einmal aufgetreten. 

Wie er da hoch über dem Petersplatz noch einmal zu den Gläubigen
sprach, wirkte er dem Irdischen schon halb entrückt. Als dann keine
24 Stunden später die Nachricht von seinem Tod um die Welt ging,
berührte dies auch Menschen, die nicht in der Kirche sind.

Ein 90-Jähriger hat acht Päpste erlebt

Bei solchen Anlässen denkt man unwillkürlich zurück und fragt sich
zum Beispiel, wie viele Päpste man selbst schon erlebt hat. Bei einem
30-Jährigen sind es drei, ebenso viele wie bei einem 45-Jährigen.
Aber ein 50-Jähriger kann bereits auf fünf Päpste zurückblicken und

ein 90-Jähriger auf acht. 

Dann ist man in Gedanken schnell bei den eigenen Eltern und
Großeltern. So fällt in solchen Momenten das Allgemeine mit dem
Persönlichen zusammen. 

Andreas Hamburger, Film-Psychoanalytiker und Professor für klinische
Psychologie in Berlin, kann sich sogar noch gut an den Tod des großen
Reformpapstes Johannes XXIII. im Jahr 1963 erinnern. «Ich war da neun
Jahre alt und weiß noch, wie damals in meiner Heimatstadt München
ewig lange die Glocken läuteten.» 

Als dann 1978 der nächste Papst, Paul VI., starb, läuteten die
Glocken wieder - und dann wenige Wochen später erneut. «Ich bin
damals in der Früh davon aufgewacht, das weiß ich noch genau. Und ich
dachte sofort: «Moment mal, jetzt kann doch nicht schon wieder der
Papst gestorben sein?»» 

Doch so war es: Johannes Paul I. hatte nur 33 Tage amtiert, sodass
1978 als das «Dreipäpstejahr» in die Geschichte einging.

Milliarden verfolgten das Staatsbegräbnis für die Queen

Im Rückblick würde Hamburger sein Leben sicher nicht in die
Pontifikate der verschiedenen Päpste einteilen - das mag bei tief
religiösen Menschen der Fall sein. «Aber es waren schon Zäsuren.»
 

Ein anderes Beispiel dafür ist der Tod der Queen 2022. Elizabeth II.
war 70 Jahre lang Königin, ein ganzes Menschenleben lang. Ihr
Staatsbegräbnis soll weltweit von Milliarden Menschen verfolgt worden
sein. 

Gerade auch das ist wohl entscheidend dafür, dass sich das Ereignis
so tief ins Gedächtnis einprägte: «Der Tod solcher Weltfiguren wird
eben von sehr vielen Menschen zugleich geteilt. Und davon geht die
Botschaft aus: Das ist wichtig.» 

Das menschliche Gedächtnis ist kein Computer, der alles, was
passiert, gleichermaßen abspeichert. Dafür ist auf der Festplatte
nicht genug Platz. Es wird sich vielmehr nur an bestimmte Eckdaten
erinnert - alles, was dazwischen liegt, wird vom Gehirn im Nachhinein
rekonstruiert. 

Und dafür spielen kulturell markierte und medial verbreitete
Ereignisse eine Rolle. «Große Figuren sind für uns dementsprechend
auch Organisatoren unseres Gedächtnisses», sagt Hamburger. 

Der Kennedy-Mord war für viele Westdeutsche traumatisch

Ein Sonderfall ist in diesem Zusammenhang die Ermordung von
US-Präsident John F. Kennedy 1963. Besonders für die Westdeutschen,
denen er noch wenige Monate zuvor versichert hatte, «ein Berliner» zu
sein, war das Attentat in Dallas ein derartiger Schock, dass viele
von ihnen noch Jahrzehnte später sagen konnten, wo sie die
Todesnachricht zum ersten Mal gehört hatten. 

«Das ist noch einmal eine andere Dimension, es ist ähnlich wie 9/11»,

meint Hamburger. Auch bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001
können sich noch sehr viele Menschen daran erinnern, wie sie die
ersten Bilder der brennenden Zwillingstürme gesehen haben. «Das ist
vergleichbar mit einer traumatischen Erfahrung, die wir uns in quasi
eingefrorenen Bildern jederzeit wieder vor Augen rufen können.»

Wie verhält es sich nun eigentlich mit den Kanzlern der nüchternen
Bundesrepublik? Hier scheint der Effekt nicht ganz so gravierend
sein. Das mag damit zu tun haben, dass die Kanzler nicht im Amt
sterben, sondern meist lange nach dem letzten Zapfenstreich. 

Doch auch hier kann ein Abgang tiefe Spuren hinterlassen. «Ich kann
mich noch gut an den Tod von Adenauer 1967 erinnern», erzählt
Hamburger. 

Er war damals Schüler an einem Münchner Gymnasium, und am Tag der
Beisetzung wurden alle in die Aula geführt, um die Übertragung der
Trauerfeier im Kölner Dom zu verfolgen. «Ich weiß noch, dass sich der

Kommentator an einer Stelle versprach, er sagte voller Pathos «Im
hohen Köln zu Dom».» Anstatt: im hohen Dom zu Köln. «Da ging bei
uns
ein Riesengekicher los.»

Die katholische Kirche - Spezialistin für mediale Inszenierungen

Dass er das Ereignis 58 Jahre später aber auch als sehr bedeutsam in
Erinnerung hat, führt er selbst auch darauf zurück, dass es so
feierlich inszeniert war. Eben dafür ist die katholische Kirche mit
ihren Riten, Chorälen und Liturgien ausgewiesene Spezialistin. 

Beim Papstbegräbnis an diesem Samstag sind unvergessliche Bilder
garantiert: Kardinäle in blutroten Gewändern und Staatenlenker aus
aller Welt vor der Kalkstein- und Marmormasse des Petersdoms. Ein
weiter Platz mit einem einfachen Holzsarg in der Mitte. Großes
Welttheater.

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