Chirurgen warnen: Kliniken nicht auf Kriegsfall vorbereitet
Augen verschließen helfe nicht, betonen Experten. Mit Blick auf
Russland müssten sich die deutschen Kliniken besser auf kriegerische
Auseinandersetzungen vorbereiten. Bislang gebe es viele Defizite.
München (dpa) - Deutschlands Gesundheitswesen ist aus Sicht von
Fachleuten unzureichend für den Fall vorbereitet, dass das Land in
kriegerische Auseinandersetzungen hineingezogen wird. Für den
Bündnis- oder Verteidigungsfall gebe es derzeit zu wenige
spezialisierte Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte und zu wenig
vorrätiges Material, sagte Dietmar Pennig als Vertreter zweier
Fachverbände für Unfallchirurgie vor dem heute beginnenden Deutschen
Chirurgenkongress in München.
Ähnlich hatte sich zuvor der Grünen-Bundestagsabgeordnete Janosch
Dahmen geäußert. «Unser System ist auf planbare Eingriffe ausgelegt -
nicht auf eine Massenanzahl an Verwundeten und schon gar nicht auf
die Versorgung unter anhaltenden Drohnenangriffen oder gar
Artilleriebeschuss», sagte er. Die Großmachtfantasien des russischen
Präsidenten Wladimir Putin ließen keinen Zweifel, dass auch
Deutschland von Krieg betroffen sein könnte. «Wir müssen deshalb in
der Lage sein, im Ernstfall bis zu 1.000 Verletzte pro Tag in
Deutschland zu versorgen.»
Auch die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hatte
kürzlich massiven Handlungsbedarf konstatiert. Das gesamte
Gesundheitssystem müsse auf alle Arten von Krisen vorbereitet werden
- «auch auf kriegerische Angriffe aller Art».
Pläne für Unfälle und Naturkatastrophen
«Es existieren zahlreiche Notfall- und Katastrophenpläne für
Zivilschutzmaßnahmen bei schweren Unfällen oder Naturkatastrophen»,
erläuterte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen
Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß. «Ein tatsächlicher Krieg wäre
jedoch eine völlig andere Herausforderung.» Im Gegensatz zu einem
Zugunglück oder einem Terroranschlag würde ein solcher Konflikt eine
dauerhafte Hochbelastung des gesamten Systems bedeuten.
Bislang werden im Schnitt rund 85 Schwerverletzte täglich in
Deutschland versorgt. Pennig geht im Bündnis- oder Verteidigungsfall
von täglich rund 1.000 weiteren Verletzten aus, darunter etwa 250
Schwerverletzte. Die vorhandenen Strukturen seien dafür aber nicht
ausgelegt, sagte Pennig, der sowohl Generalsekretär der Deutschen
Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) als auch der
Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) ist.
Zum einen werde Material wie OP-Bestecke oder Verbände derzeit meist
nur für wenige Tage vorgehalten. Bei einer Unterbrechung der
Lieferketten seien die Kliniken dann «sehr schnell blank». Zum
anderen seien Ärztinnen und Ärzte wie auch Pflegepersonal nicht
ausreichend darin geschult, Verletzungen etwa durch Projektile oder
Explosionen zu behandeln. Diese seien gänzlich anders als die
Verletzungen etwa durch Auto- oder Arbeitsunfälle, erläuterte
Pennig.
Schutzkonzepte für Krankenhausstandorte
Neben der fachlichen Seite habe die Corona-Pandemie gezeigt, dass
auch Engpässe bei der Verfügbarkeit von Personal in den Blick
genommen werden müssten, ergänzte Gaß. «Hier benötigen wir eine
flexible Strategie zum Aufbau von einer Art von Personalpool als
zivile Reserve, die wir im Krisenfall aktivieren können.» Zudem
müssten auch Schutzkonzepte vor militärischen Angriffen für die
Krankenhausstandorte entwickelt werden.
Deutschlands Gesundheitssystem auf Großkrisenfälle besser
vorzubereiten, sei schon das Ziel der alten Bundesregierung gewesen,
sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums. Das
Gesundheitssicherstellungsgesetz habe aber nicht mehr abgeschlossen
werden können. Wie die Mittel des Finanzpakets nun für den Zivil- und
Bevölkerungsschutz verteilt würden, müsse daher der neue Bundestag
entscheiden.
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