US-Hilfskürzungen - Sorge und Panik bei HIV-Infizierten Von Henry Wasswa, Eva Krafczyk und Kristin Palitza, dpa
Medizinisches Personal im Zwangsurlaub, HIV-Infizierte in Panik:
Obwohl manche Behandlungsprogramme fortgesetzt werden, ist das
Einfrieren der US-Hilfsgelder für HIV-Infizierte in Afrika
dramatisch.
Kampala (dpa) - Die 39 Jahre alte Molly wirkt vital und
energiegeladen - dass sie mit HIV infiziert ist, sieht man ihr nicht
an. Doch nach der Entscheidung der US-Regierung, Hilfsgelder für 90
Tage einzufrieren, ist die alleinerziehende Mutter zweier Kinder in
großer Sorge. «Als ich das hörte, habe ich geweint und gesagt, möge
Gott uns helfen», sagt sie. «Ich weine immer noch, weil ich dachte,
dass ich länger leben würde. Jetzt bin ich mir nicht mehr sicher,
dass das passiert.»
Molly wurde vor acht Jahren HIV-positiv getestet. Seitdem erhält sie
ARV-Medikamente (antiretrovirale Medikamente), die das Virus unter
Kontrolle und ihren Gesundheitszustand stabil halten. Bisher ist die
Krankheit bei ihr nicht ausgebrochen. Ihren Lebensunterhalt verdient
sie mit dem Straßenverkauf gebratener Bananen in ihrem Heimatdorf in
Uganda. Das reicht für ein sehr bescheidenes Auskommen, aber nicht,
um womöglich privat Medikamente zu kaufen.
Die Entscheidung der Trump-Regierung ist in den USA juristisch unter
Beschuss. Ob die Gelder auch auf längere Sicht tatsächlich gekürzt
werden oder ganz wegfallen, ist derzeit offen.
ARV-Medikamente sind wichtige Überlebenshilfe
Allein in Uganda gibt es Hunderttausende Patientinnen und Patienten
mit HIV/Aids. Vor allem im südlichen und östlichen Afrika ist die
Krankheit weit verbreitet. Doch während in den 90er Jahren eine
HIV-Diagnose einem Todesurteil gleichkam, konnten bisher auch in
afrikanischen Ländern Patienten, die die notwendigen ARV-Medikamente
erhalten, mit der Krankheit leben.
Nun sind die Angst und Verzweiflung groß. «Sowohl unter den
Verantwortlichen als auch unter den Patienten herrschen Angst und
Panik», sagt Nelson Musoba, Direktor der staatlichen Ugandischen
Aids-Kommission (UAC) der Deutschen Presse-Agentur. «Es besteht
Sorge, dass die antiretroviralen Medikamente ausgehen. Jede
Unterbrechung kann zu Problemen führen.»
Patienten fürchten um Überlebenschancen
Auch die 70 Jahre alte Jane Frances Kannyange fragt sich, wie lange
sie ohne Medikamente durchhalten kann. Sie ist seit den späten 90er
Jahren HIV-positiv, doch erst als ihr Ehemann 2002 an Aids starb,
erhielt sie Zugang zu Medikamenten. Sie halfen ihr zu überleben, doch
die 70-Jährige ist ausgezehrt und häufig krank, weil ihr Immunsystem
geschwächt ist.
«Nach Trumps Ankündigung hat mich mein Arzt angerufen und gefragt, ob
ich genug Medikamente habe», erzählt sie. «Er sagte mir, dass die
Klinik, in die ich immer gehe, schließt. Als ich das gehört habe, bin
ich ohnmächtig geworden.»
Erfolge im Kampf gegen Aids sind nun bedroht
UAC-Direktor Musoba befürchtet, dass durch ausbleibende
US-Hilfsmittel die Erfolgsgeschichte des ostafrikanischen Landes bei
der Bekämpfung von HIV und Aids gefährdet ist. In den 1990er Jahren
lag die Infektionsrate in Uganda bei 30 Prozent, dank eines
ehrgeizigen Programms beträgt sie jetzt nur noch 5 Prozent. Und
während 2010 noch 53.000 Menschen in Uganda an der tödlichen
Immunschwächekrankheit und ihren Folgen starben, waren es 2023 nur
noch 20.000. Fast 1,5 Millionen Menschen in Uganda leben mit dem
Virus und etwa 1,3 Millionen erhalten ARV-Medikamente.
«Es besteht das Risiko, dass die Erfolge zunichtegemacht werden»,
betont Musoba. Das gelte auch für die erneute Stigmatisierung
HIV-positiver Menschen. Das ugandische Aids-Programm mit einem
jährlichen Budget von 500 Millionen Dollar wurde bislang zu 70
Prozent aus US-Mitteln finanziert. Laut UAC hat das US-Programm
Pepfar nicht nur ARV-Medikamente und HIV-Testkits bereitgestellt,
sondern auch die Gehälter von mehr als 4.300 ugandischen
Klinikmitarbeitern und 16.000 Gesundheitshelfern der Gemeinden
bezahlt.
Kein Geld mehr für medizinisches Personal
Viele der Mitarbeiter des Gesundheitssystems sind nun ebenso rat- und
hilflos wie ihre Patienten. Matthew Nsiimamukama, der in einer
HIV-Klinik nahe des Flughafens von Entebbe arbeitet, wird täglich von
seinen Patienten gefragt, ob sie auch in Zukunft noch Medikamente
bekommen. «Die Leute geraten in Panik. Sie kommen schon vor dem
Termin und stellen viele Fragen zur Situation», schildert er die Lage
in der Klinik. «Wir sind auch besorgt, weil die Zeit kommen könnte,
in der es keine Medikamente mehr gibt.»
Ein junger Arzt, der für das Institut für ansteckende Krankheiten in
Kampala gearbeitet hat, das ebenfalls einen bedeutenden Teil seiner
Mittel für die Bezahlung von Mitarbeitern aus dem Pepfar-Programm
erhielt, ist nach eigenen Angaben nach Trumps Ankündigung arbeitslos.
«Die Ankündigung war eine sehr traumatische Entscheidung», erzählt
er. «Ich bin jetzt 90 Tage lang unbezahlt beurlaubt. Ohne Bezahlung
weiß ich nicht, wie ich für meine Familie, meine Kinder sorgen soll.»
Wie es nach den 90 Tagen weitergeht, weiß er nicht.
Programme auch in anderen afrikanischen Ländern wurden eingestellt
Uganda ist kein Einzelfall. Die Hilfsorganisation «Ärzte ohne
Grenzen» (MSF) berichtet, dass in Südafrika viele
Gesundheitseinrichtungen geschlossen wurden, in denen durch Pepfar
finanzierte Organisationen HIV-Programme angeboten haben. In Mosambik
musste eine wichtige Partnerorganisation von Ärzte ohne Grenzen, die
umfassende HIV-Programme anbot, ihre Tätigkeit vollständig
einstellen. In Simbabwe haben den Angaben zufolge die meisten
Organisationen, die HIV-Programme anbieten, ihre Arbeit ebenfalls
eingestellt, weil die Finanzierung und der Kauf von Medikamenten
nicht mehr ausreichend gesichert sind. Andere Geber können die
entstandenen Lücken nicht schnell genug füllen.
Es gebe zwar eine begrenzte Ausnahmeregelung vom Einfrieren der
Hilfsgelder, die einige Aktivitäten abdecke, «aber unsere Teams sehen
in vielen Ländern, dass Menschen bereits den Zugang zu
lebensrettender Versorgung verloren haben und nicht wissen, ob oder
wann ihre Behandlung fortgesetzt werden kann», sagt Avril Benoît,
Geschäftsführerin von MSF in den USA. «Diese Unterbrechungen werden
Menschenleben kosten und jahrelange Fortschritte bei der Bekämpfung
des Virus zunichtemachen.»
Auch Aids-Forschung bedroht
Auch im Bereich der HIV- und Aids-Forschung drohen Rückschläge. Denn
Südafrika - wo nach Angaben von UNAIDS 8,45 Millionen der knapp 40
Millionen HIV-positiven Menschen weltweit leben - spielt eine
entscheidende Rolle im Bereich dieser Forschung, betont Ntobeko
Ntusi, der Präsident des Südafrikanischen Rats für Medizinische
Forschung (SAMRC).
Aktuell sei Südafrika der größte Empfänger von Fördermitteln der
Nationalen Gesundheitsinstitute NIH außerhalb der USA. Beim NIH
handelt es sich um eine Behörde für biomedizinische Forschung des
US-Gesundheitsministeriums. Würden diese Finanzmittel eingestellt,
wären die Folgen nicht nur für Südafrika katastrophal, sondern für
die ganze Welt so Ntusi. Viele global relevante Studienergebnisse zu
HIV wie die Prävention und die Behandlung kämen demnach aus Südafrika
sowie auch aus Uganda.
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