Prozess zu ICE-Unfall: Corona-Gegner weist Vorwürfe zurück
In Unterfranken spannen mehrere Menschen Planen über ein Bahngleis -
wohl aus Protest gegen die Auflagen in der Corona-Pandemie. Einer der
Angeklagten sieht sich zu Unrecht beschuldigt.
Würzburg (dpa/lby) - Ein bekennender Gegner der staatlichen
Corona-Schutzmaßnahmen hat vor Gericht zurückgewiesen, einen ICE in
Unterfranken zu einer gefährlichen Schnellbremsung veranlasst zu
haben. Im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Würzburg bestritt
der Angeklagte die Tat.
Zwar habe es am Tattag, dem 6. Januar 2021, eine bundesweit
koordinierte Aktion von Gegnern der staatlichen Corona-Auflagen
gegeben, an der auch er beteiligt gewesen sei. Allerdings habe er
nicht dabei geholfen, fünf an Holzlatten befestigte Plakate über die
Gleise auf der Bahnstrecke Gemünden-Waigolshausen aufzustellen, um
den Zug zu gefährden, sagte der 40-Jährige.
Schriftzüge im Schnee
Vielmehr sei er an dem Tag auf dem Kreuzberg in der Rhön gewesen und
habe Schriftzüge in den Schnee gesprüht wie «Impfen nein danke»,
«Wacht auf», «Denkt selbst» und «Söder muss weg», sagte der v
ierfache
Vater. Er habe während der Corona-Pandemie etliche Versammlungen
gegen die staatlichen Maßnahmen organisiert und wegen Verstößen auch
Bußgelder kassiert, die er aktuell noch abzahle.
Zu dem Vorfall mit dem ICE sagte der Angeklagte: «Die Aktion ist
absolut sinnbefreit, weil überhaupt keine Forderung draufsteht.» Er
habe erst einige Tage nach dem Vorfall von Gleichgesinnten davon
erfahren.
Plakate über Bahnstrecke
Die Anklage wirft dem 40-Jährigen und seiner mitangeklagten,
mutmaßlichen Komplizin (63) vor, die Transparente über der
Bahnstrecke aufgestellt zu haben. Darauf waren unter anderem in roter
Farbe geschrieben: «Achtung Gleisbruch 2km» und «Diesmal Fake».
Ein aus Schweinfurt kommender ICE mit 62 Fahrgästen durchfuhr eine
dieser Konstruktionen mit einer Größe von etwa 1,50 mal 4,50 Meter.
Verletzt wurde niemand. Die Ermittler gingen rasch davon aus, dass
Gegner der Corona-Maßnahmen für die Aktion verantwortlich sein
könnten, um Aufmerksamkeit zu erregen.
Die Angeklagte, eine vierfache Mutter, äußerte sich zunächst nicht zu
den Vorwürfen.
Telefonüberwachung beim Verdächtigen
Ein Polizist spielte am ersten Verhandlungstag dem Gericht einige
Aufnahmen von Telefongesprächen des Angeklagten vor, die die Polizei
nach dem ICE-Vorfall im Rahmen von Überwachungsmaßnahmen
aufgezeichnet hatte. Auf die Frage, warum die Polizei seine Wohnung
mit einem Spezialeinsatzkommando gestürmt habe, sagte der 40-Jährige
darin zu einem offensichtlich als Anwaltsvermittler agierenden Mann:
«Weil wir ein Banner über eine Bahnstrecke gespannt haben.»
Er und andere Beteiligte hätten gedacht, dass auf der Strecke nur
Güterzüge fahren, sagte der 40-Jährige in dem Telefonat. Tatsächlic
h
sei an diesem Tag aber ein ICE dort unterwegs gewesen, der umgeleitet
worden war. «Sie (Polizei) unterstellen uns, wir haben es auf den ICE
abgesehen.» Die Ermittler hätten auch das Kennzeichen seines Autos,
«das dort in der Nähe stand». Zudem erwähnte der Angeklagte den Nam
en
seiner Mitangeklagten in dem Gespräch.
Erstes Urteil 2022
Das Amtsgericht Gemünden am Main hatte 2022 den 40-Jährigen und die
63-Jährige wegen fahrlässigen gefährlichen Eingriffs in den
Bahnverkehr und Nötigung schuldig gesprochen. Der Mann erhielt eine
Haftstrafe von einem Jahr und neun Monaten. Die Frau wurde zu neun
Monaten Haft verurteilt, ausgesetzt zur Bewährung.
Sowohl die Angeklagten als auch die Staatsanwaltschaft legten
Berufung gegen die Entscheidung ein, daher wird die Sache erneut
verhandelt.
Verkehrsgutachter gefragt
Die im April 2024 begonnene Berufungsverhandlung war im Mai 2024
ausgesetzt worden, weil Nachermittlungen nötig wurden und ein
Sachverständigengutachten eingeholt werden sollte. Der Gutachter für
das Eisenbahnbundesamt soll im Laufe des Prozesses erläutern, ob
durch das Aufstellen der Plakate mit Holzgestell eine Gefahr für Leib
und Leben der ICE-Passagiere bestanden habe.
Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK
Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.