Hebamme an Bord - «Geburt auf der Landstraße verhindern» Von Michael Bauer, dpa
Hebammen zur Unterstützung der Rettungsdienste bieten Müttern
zusätzliche Sicherheit. Auch das medizinische Personal freut sich
über die fachkundigen Helferinnen bei der Geburtshilfe.
Lauterbach (dpa/lhe) - Manchmal muss es im Leben ganz schnell gehen.
Etwa wenn ein Kind rascher auf die Welt drängt, als es die Mutter
erwartet hat, und beide Unterstützung brauchen. Um Hochschwangeren
und deren Babys zu helfen, können die Rettungsdienste in mehreren
Landkreisen Hessens Hebammen bei Geburtshilfe-Einsätzen hinzuziehen.
Eine von ihnen ist Mona Loos aus Schlitz im Vogelsbergkreis. Sie
kennt nicht nur die praktische Seite der Einsätze aus eigener
Erfahrung, sondern hat das Projekt «Hebammen im Rettungsdienst» auch
in ihrer Masterarbeit wissenschaftlich untersucht - und dabei den
Blick auf den Vogelsberg und die Nachbarlandkreise Fulda,
Marburg-Biedenkopf und Main-Kinzig gerichtet.
Bleibt noch genug Zeit für eine Fahrt in die Klinik?
«Unsere Aufgabe besteht in erster Linie darin abzuklären, ob das Kind
recht schnell geboren wird oder ob noch genug Zeit bleibt, in die
Klinik zu fahren», erklärt die 35-Jährige. «Natürlich wollen wir
eine
Geburt irgendwo auf der Landstraße verhindern.»
Die bei den Rettungsleitstellen angemeldeten Hebammen werden nach
Angaben des Deutschen Roten Kreuzes bei entsprechenden Einsätzen
alarmiert und begeben sich zur Einsatzstelle. In dringenden Fällen
könnten sie auch mit einem Einsatzfahrzeug abgeholt werden, teilte
der DRK-Landesverband Hessen mit.
Je nach Situation am Einsatzort gebe es verschiedene Möglichkeiten,
erläutert Loos: Vielleicht kommt das Kind bei der Mutter zu Hause auf
die Welt oder die Hochschwangere wird mit dem Rettungsdienst in die
Klinik gebracht. «Manchmal sind wir Hebammen dann mit an Bord,
manchmal fährt der Wagen die Mutter auch allein zur Klinik, wo dann
die dortige Hebamme wartet.»
Geburten kommen im Rettungsdienst eher selten vor
«Eine Geburt im Rettungsdienst ist eine Seltenheit», berichtet Dennis
Humburg, der ärztliche Leiter des Rettungsdienstes im
Vogelsbergkreis. «Das macht die Angelegenheit für das ärztliche und
das nichtärztliche Personal sehr schwierig.»
Natürlich sei das Thema Geburt Bestandteil bei der Ausbildung von
Notfallsanitätern und Notfallmedizinern, sagt der 44-Jährige. Aber es
sei nur ein kleiner Teil der notärztlichen Ausbildung, daher gebe es
bei den allermeisten Notfallmedizinern keine Routine. «Deswegen ist
es auch für einen Mediziner oder eine Medizinerin extrem wertvoll,
wenn man sich die Expertise und die zusätzlichen Hände einer Hebamme
dazuholen kann.»
Hebammen bringen «wertvolle Expertise und Routine» mit
«Unsere Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter werden während
ihrer Berufsausbildung gezielt auf Geburtshilfe und Kindernotfälle
vorbereitet», erklärt Gisela Prellwitz vom DRK-Hessen. Trotzdem sei
eine Geburt im Alltag des Rettungsdienstes eine Ausnahme. Umso mehr
sei der Einsatz von Hebammen im Rettungsdienst zu begrüßen.
Die Hebammen brächten «wertvolle Expertise und Routine direkt an die
Einsatzstelle und leisten so einen unschätzbaren Beitrag zur
optimalen Versorgung von Mutter und Kind», betont die Sprecherin. In
zahlreichen hessischen Landkreisen sei dieses System bereits
erfolgreich etabliert worden.
Laut DRK-Hessen gibt es derartige Modelle in den Landkreisen
Waldeck-Frankenberg, Groß-Gerau, Fulda, Gießen, Marburg, Vogelsberg,
Main-Kinzig und Main-Taunus. Der Wetteraukreis und der
Lahn-Dill-Kreis sollen folgen.
Lange Anfahrtswege in ländlichen Regionen
Das Hebammen-Projekt zeigt nach Ansicht des Notfallmediziners
Humburg, dass auch in einer dünn besiedelten Region mit langen
Anfahrtswegen die Notfallversorgung «gut funktioniert, wenn man
kreative Lösungen sucht». Pionier bei dem Konzept war laut Loos der
Main-Kinzig-Kreis.
Die von ihr untersuchten Landkreise seien mit dem Projekt sehr
zufrieden, berichtet die 35-Jährige. «Die Anwesenheit der Hebamme
senkt bei den Rettungsdiensten den Stress, die Ängste und Sorgen, die
mit geburtshilflichen Einsätzen einhergehen», sagt Loos. «Daher ist
die Anwesenheit einer Hebamme eine Entlastung für den Rettungsdienst
und natürlich auch für die Mütter.»
Im Vogelsbergkreis beteiligen sich laut Loos fünf weitere Kolleginnen
an dem Projekt. Die Hebammen im Rettungsdienst seien nicht zu
Einsätzen oder Rufbereitschaft verpflichtet. Die Rufbereitschaft
werde nicht bezahlt. «Ich sehe das als Ehrenamt, wie beispielsweise
andere Menschen zur Feuerwehr gehen», betont die Hebamme. Den Einsatz
selbst können die Hebammen über die Krankenkassen abrechnen.
Erreichbarkeit über Kreisgrenzen hinweg
Je mehr Hebammen in dem Netzwerk mitmachen, desto flächendeckender
und besser wird nach Loos' Einschätzung das Angebot. Wichtig sei
auch, dass die Hebammen über Kreisgrenzen hinweg erreichbar sind.
«Das passiert aber schon oft in der Praxis: Man hilft sich
gegenseitig aus.»
Bei ihren bisherigen Einsätzen begleitete die Hebamme schon mehrmals
eine Hochschwangere bei der Fahrt im Rettungswagen. «Alle Frauen sind
noch rechtzeitig in die Klinik gekommen», erzählt sie. Dort brachten
sie ihre Kinder dann mit Hilfe des Krankenhauspersonals zur Welt.
Tipps der Hebamme umgesetzt
Anders sieht das beim ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes aus: Der
Notfallmediziner nahm im vergangenen Jahr an einem Einsatz teil, bei
dem eine werdende Mutter im Rettungswagen zur Klinik nach Fulda
gebracht wurde, das Kind aber unterwegs auf der Straße wenige Minuten
vom Krankenhaus entfernt zur Welt kam - ohne Hebamme. «Die Geburt war
vollkommen komplikations- und problemlos», erinnert sich Humburg.
«Aber ich konnte direkt etwas anwenden, was ich wenige Tage vorher in
einer Fortbildung von Mona (Loos) mitgenommen hatte.»
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