Wie Corona Kindern bis heute zusetzt Von Sandra Trauner, dpa
Die Pandemie ist vorbei, die Einschränkungen sind Geschichte, aber
junge Menschen spüren noch immer die Folgen der Corona-Politik. Wie
blicken Lehrer, Ärzte und Forscher heute auf diese Zeit?
Wiesbaden (dpa/lhe) - Zum Jahreswechsel vor fünf Jahren breitete sich
in China ein Virus aus, das später die ganze Welt in Atem hielt. Die
Folgen sind bis heute zu spüren. Das Coronavirus hat nicht nur Tote
und dauerhaft Erkrankte auf dem Gewissen: Die Schutzmaßnahmen dieser
Zeit belasteten auch jene, an denen die Krankheit vorbeizog.
Besonders stark beeinträchtigten die Auflagen die Jüngsten, daran
lassen Studien und Expertenmeinungen keinen Zweifel.
Eine Untersuchung des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB)
etwa belegt, dass sich durch Corona mentale Gesundheit, körperliche
Aktivität und das allgemeine Wohlbefinden von Kindern und
Jugendlichen verschlechtert haben. Die Befunde basieren auf Studien
und Daten der repräsentativen COMPASS-Panelbefragung.
Angst und Depression
Während der Pandemie kam es demzufolge zu einem deutlichen Anstieg
von Angstsymptomen und Depressionen bei Heranwachsenden. Vor allem in
der Pubertät nahm die Häufigkeit deutlich zu. Die tägliche
Bewegungszeit sank im Durchschnitt um 48 Minuten. «Eine
Normalisierung lässt sich bis heute nicht feststellen», heißt es in
dem Bericht.
«Die mentale und körperliche Gesundheit junger Menschen hat während
der Pandemie stark gelitten und sich nur teilweise erholt», fasste
Helena Ludwig-Walz die Ergebnisse zusammen. «Es ist von besonderer
Bedeutung, die mentale Gesundheit und das Bewegungsverhalten junger
Menschen wieder gezielt zu fördern, um langfristigen negativen
Auswirkungen entgegenzuwirken.»
Kinderarzt: «Das Thema treibt uns um»
Fünf Jahre nach dem Entstehen des Virus sind auch für Kinderarzt Ralf
Moebus die negativen Folgen der Corona-Politik offensichtlich. «Das
Thema treibt uns alle ziemlich um», sagt der hessische
Landesvorsitzende des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen
(BVKJ).
Viele Kinder seien in ihrer körperlichen Entwicklung zurück, könnten
zum Beispiel weniger hüpfen oder schlechter basteln. Mehr Kinder
seien übergewichtig. Am meisten Sorgen machen ihm und seinen Kollegen
die Jahrgänge, die während der stärksten Einschränkungen zwischen 1
0
und 14 Jahre alt waren. In dieser Generation seien die Defizite am
schwersten aufzuholen.
Arzt wünscht sich ein Rezept für Bewegung
Rückblickend sagt er klar: «Damals wurden viele Fehler gemacht.» Das
anfängliche Argument, Kinder würden das Virus verbreiten, habe sich
bald als falsch herausgestellt. Aber niemand habe darauf reagiert:
«Man hat die Kinder auch dann noch weggesperrt, als geimpfte Rentner
schon lange wieder munter unterwegs waren.»
Wie kann man den Kindern helfen? In der Kinderarztpraxis sei das kaum
möglich, sagt Moebus. Viele Patienten müssten er und seine Kollegen
an Psychiater oder Psychologen verweisen, «aber die Wartezeiten sind
völlig indiskutabel». Was die körperlichen Defizite betrifft, würde
sich Moebus «ein Rezept für Bewegung» wünschen, vielleicht auch f
ür
Theaterbesuche oder Musik. «Mein dringlichster Wunsch wäre eine
vernünftige Gesundheitserziehung in der Schule.»
Lehrer sehen «nachhaltige Folgen»
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sieht heute
vieles anders als damals. «Die Schulschließungen werden inzwischen
ganz überwiegend kritisch bewertet», fasst Thilo Hartmann,
Vorsitzender der GEW Hessen das Stimmungsbild bei hessischen
Lehrerinnen und Lehrern zusammen.
Zwar habe zu Beginn der Pandemie für die meisten der Infektionsschutz
Priorität gehabt. «Zu Recht wird aber kritisiert, dass Kinder und
Jugendliche sehr viele Entbehrungen tragen mussten, während anderen
weniger weitreichende Einschränkungen zugemutet wurden.»
Zu den «nachhaltigen Folgen der Coronapandemie» zählen inhaltliche
Schwächen - etwa beim Rechtschreiben oder in den Fächern, bei denen
viel Stoff wegfiel. Die Lehrkräfte sehen aber auch Veränderungen: Die
Kinder könnten sich tendenziell schlechter konzentrieren und Stress
schlechter regulieren als vor der Pandemie. Mehr Kinder zeigten
sozial unangepasstes Verhalten oder Anzeichen von psychischen
Belastungen.
Ist die Pandemie wirklich der Grund?
«Letztendlich ist es aber nicht möglich, diese Beobachtungen
eindeutig auf die Coronapandemie zurückzuführen», schränkt Hartmann
ein. Es könnte zum Beispiel auch daran liegen, dass Kinder und
Jugendliche immer mehr Zeit am Bildschirm verbringen, dadurch mehr
mit problematischen Inhalten in Kontakt kommen, sich zu wenig bewegen
und reale Kontakte einschränken.
Allerdings hängt auch das wieder mit Corona zusammen - denn viele
Familien haben in dieser Zeit technisch aufgerüstet, die Kinder sich
an lange Bildschirmzeiten gewöhnt.
Mittlere Jahrgänge am längsten ausgeschlossen
Aus Sicht der GEW waren es die mittleren Jahrgänge, die es am
härtesten traf: «Die Klassen sieben, acht und neun waren am längsten
ganz vom Präsenzunterricht ausgeschlossen, zumeist über mehrere
Monate», so Hartmann. «Daher haben sich hier die größten
Lernrückstände aufgebaut.»
«Gerade im Alter der Pubertät war dieser lange Ausschluss vom
Präsenzunterricht auch für die Persönlichkeitsentwicklung und die
psychische Gesundheit problematisch», sagte der GEW-Vorsitzende. Dass
die Defizite nach dem Ende der Maßnahmen nicht aufgeholt werden
konnten, begründet die GEW mit dem allgemeinen Lehrkräftemangel.
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