Das steht im Thüringer Brombeer-Koalitionsvertrag
Migration, Frieden, Bildung: Nicht bei allen Themen haben CDU, BSW
und SPD leicht zueinander gefunden. Nun steht ein 126 Seiten langer
Koalitionsvertrag.
Erfurt (dpa) - Fast drei Monate lang haben Vertreter von CDU, BSW und
SPD verhandelt, nun steht ein Koalitionsvertrag. Stimmen
Parteigremien und Mitglieder zu, wird das Papier die Grundlage für
eine künftige Landesregierung sein. Einige Kernanliegen der
möglicherweise ersten Brombeer-Koalition in Deutschland:
Bildung
CDU, BSW und SPD wollen in Kindergärten Deutschtests für Fünfjährig
e
einführen. Bei Defiziten soll noch vor der Einschulung mit
Sprachförderung gegengesteuert werden. In der Grundschule wollen die
drei Parteien dann eine sogenannte Lesen-Schreiben-Rechnen-Garantie
für Kinder umsetzen. Ziel ist es, dass Schülerinnen und Schüler «di
e
notwendigen Basis- und Kernkompetenzen in den Bereichen Mathematik
und Deutsch erwerben», heißt es im Koalitionsvertrag. Der Fokus soll
in der Grundschule auf dem analogen Lernen liegen. Hortgebühren
sollen abgeschafft werden.
Für Kinder mit mangelnden Sprachkompetenzen und geringen
Deutschkenntnissen sollen Deutschförderklassen eingerichtet werden.
CDU, BSW und SPD bekennen sich zum gegliederten Schulsystem - etwa
mit Gymnasium, Regelschule und Förderschule. Im Kampf gegen den
Lehrermangel wollen die drei potenziellen Partner mehr Studienplätze
für ein duales Lehrerstudium schaffen und die Lehrerausbildung
modernisieren.
Krieg und Frieden
Für die Bildung der Koalition war das Thema Krieg und Frieden wohl
eines der heikelsten, zumal es sich nicht um ein originäres
Landesthema handelt. In der vor Wochen bereits verhandelten Präambel
zum Vertrag steht: «Wir erkennen aber auch an, dass viele Menschen in
Thüringen die geplante Stationierung von Mittelstrecken- und
Hyperschallraketen kritisch sehen bzw. ablehnen.»
BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hatte den Kompromiss als Fehler
bezeichnet. CDU, BSW und SPD verhandelten dann noch einmal und
schärften nach. Nun steht im Europa-Kapitel des fertigen Vertrages,
man erkenne an, dass viele Menschen die Stationierung von
Mittelstreckenraketen «als eine fundamentale Veränderung der
strategischen und militärischen Lage» in Europa und Deutschland
begreifen. «Eine Stationierung und deren Verwendung ohne deutsche
Mitsprache sehen wir kritisch.»
Migration
CDU, BSW und SPD wollen nicht weniger als einen «Richtungswechsel in
der Migrationspolitik». In der rot-rot-grünen Vorgängerregierung war
SPD-Chef Georg Maier als Innenminister zuletzt auch für den Bereich
Migration zuständig. «Wer keinen Schutzgrund hat, über seine
Identität täuscht oder sich nicht an Regeln hält, insbesondere
Straftaten begeht, muss unser Land wieder verlassen», heißt es in dem
neuen Brombeer-Koalitionsvertrag.
Demnach setzen sich CDU, BSW und SPD für eine Ausweitung der Liste
sicherer Herkunftsstaaten ein, «insbesondere um Marokko, Algerien und
Tunesien». Außerdem unterstütze man die EU-Asylreform. «Nur Persone
n
mit Bleibeperspektive sollen in die Mitgliedstaaten gebracht werden»,
steht im Vertrag, und: «Wir werden die irreguläre Einreise nach
Deutschland reduzieren.»
Weitere Thüringer Sonderaufnahmeprogramme soll es nicht geben. CDU,
BSW und SPD setzen zudem auf die Bezahlkarte für Geflüchtete und
wollen Personen mit geringer Bleibeperspektive nicht auf die Kommunen
verteilen. Die Landeserstaufnahmeeinrichtungen in Suhl und Eisenberg
wollen die drei potenziellen Partner schließen und Nachfolgelösungen
finden, heißt es. Außerdem wollen sie eine zentrale
Landesausländerbehörde schaffen, «die Aufnahme, Anerkennung von
Berufsabschlüssen, Integration und Rückführung bündelt».
Wirtschaft
Die mögliche Brombeer-Koalition will eine «Ermöglichungskultur»
schaffen, schreiben die drei Parteien in ihrem Vertrag. Schlagworte
sind Entbürokratisierung, Digitalisierung und ein
«investitionsfreundliches Grundklima». CDU, BSW und SPD wollen einen
Transformations-, Technologie- und Innovationsfonds schaffen und
prüfen, ob tarifgebundene Unternehmen einen Förderbonus erhalten
können. Die Meisterausbildung soll kostenfrei sein.
Bei Bürokratieabbau will die mögliche Koalition eine
Acht-Wochen-Genehmigungsfrist einführen. Damit sollen
Antragsverfahren, wo es möglich ist, beschleunigt werden.
Soziales und Gesundheit
Hausärzte und bestimmte Fachärzte sowie Apotheken sollen nicht weiter
als 20 Minuten Fahrtzeit vom Wohnort entfernt liegen. Dafür wollen
CDU, BSW und SPD mehr Ärztinnen und Ärzte sowie Fachkräfte im
Gesundheitsbereich gewinnen. Es soll zudem mehr Studienplätze geben.
In der Pflege wollen die drei Parteien eine
Online-Terminvermittlungsstelle für Kurzzeit- und
Verhinderungspflege- sowie Langzeitpflegeplätze einrichten.
Auf Landes- und Bundesebene strebt die Brombeer-Koalition
Verbesserungen für Menschen mit niedrigen Renten an. «Wir bekennen
uns zu dem System der Grundrente in Deutschland», heißt es im
Vertrag. Eine Arbeitsgruppe soll einen Vorschlag zur Einführung eines
landesseitigen Zuschusses für Grundrentnerinnen und -rentner
erarbeiten.
Kultur
CDU, BSW und SPD wollen einen Familienkulturtag einführen. An einem
Tag im Jahr sollen Familien kostenfreien Zugang zu staatlich
geförderten Kultureinrichtungen bekommen. Bestehende
Kultursemestertickets sollen auf ganz Thüringen ausgeweitet werden.
Landwirtschaft, Umwelt, Forst
Im Koalitionsvertrag der möglichen Brombeer-Partner steht, dass sie
sich für den Erhalt landwirtschaftlicher Flächen einsetzen wollen.
Außerdem soll eine neue Agrarmarketinggesellschaft geschaffen werden.
Aufgabe eines neuen Holzinnovationszentrums soll die
«wissenschaftliche Erforschung und Weiterentwicklung neuer und
innovativer Verwendungsmöglichkeiten von Holz, insbesondere im
klimafreundlichen Holzbau, sein», heißt es im Koalitionsvertrag.
Beim Thema Umwelt soll ein Aktionsplan zur Belebung der Bach- und
Flussauen auf den Weg gebracht werden. «Wir bekennen uns zum Pariser
Klimaschutzabkommen und werden das Thüringer Klimaschutzgesetz
überarbeiten», steht in dem Koalitionsvertrag.
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