Kurioser Bundesrat - Rauswurf und ungültige Stimme Von Florian Gut und Ulrich Steinkohl, dpa
Bei der Sitzung des Bundesrats steht vor allem die Krankenhausreform
im Fokus. Doch schon vor der Abstimmung darüber kommt es zum Eklat -
für die Reform reicht es dann trotzdem noch.
Berlin (dpa) - Die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger
(SPD) dürfte ihre erste Sitzung als Bundesratspräsidentin so schnell
nicht vergessen. Sie hat das Potenzial, in die Geschichte einzugehen.
Denn die geplante Abstimmung zur Krankenhausreform sorgte für Streit
- und das nicht nur zwischen den Bund und einzelnen Ländern, sondern
auch innerhalb einiger Landesregierungen. Am Ende verfehlte der
Antrag Bayerns, den Vermittlungsausschuss anzurufen, knapp eine
Mehrheit. Die Krankenhausreform tritt damit in Kraft. Andere
Beschlüsse, die die Länderkammer fasste, gerieten fast zur
Nebensache.
Streit um die Abstimmung
Um die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplante
Krankenhausreform wurde zwischen Bund und Ländern schon lange
gestritten. Sie soll finanziellen Druck auf die Kliniken mindern und
mehr Spezialisierung durchsetzen. Manche Länder sehen aber nach wie
vor Nachbesserungsbedarf, sonst würde das Gesetz zu Verwerfungen in
der Krankenhauslandschaft führen, argumentierte etwa
Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU).
Das Thema ließ die Emotionen hochkochen - auch innerhalb mancher
Landesregierungen. So entließ unmittelbar vor der Sitzung
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) seine
Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne). Denn anders als der
Ministerpräsident wollte die Ministerin nicht für den
Vermittlungsausschuss stimmen und sich auch in ihrer geplanten Rede
für die Reform aussprechen. Nach dpa-Informationen eskalierte der
Streit um diese Rede, sodass es zur Entlassung kam.
Ausgerechnet Brandenburg
Damit verhinderte Woidke auch, dass sein Land möglicherweise
uneinheitlich abstimmte, wodurch die Stimme Brandenburgs nicht
gezählt hätte. Das hatte das Bundesverfassungsgericht 2002 für den
Fall entschieden, dass ein Bundesratsmitglied dem Stimmenführer
seines Bundeslandes widerspricht. Damals hatte es ebenfalls in der
Landesregierung Brandenburgs Streitigkeiten gegeben. Es ging um ein
Zuwanderungsgesetz. Im vergangenen März stimmte Sachsen beim
Cannabis-Gesetz uneinheitlich ab - mehr solcher Fälle gab es in der
Geschichte des Bundesrates in der Vergangenheit nicht.
Jetzt kam bei der Krankenhausreform aber doch ein weiterer dazu: Für
Thüringen stimmte Staatskanzleichef Benjamin-Immanuel Hoff (Linke)
für die Anrufung des Vermittlungsausschusses - Wirtschaftsminister
Wolfgang Tiefensee (SPD) widersprach und erklärte, dies entspreche
nicht dem festgelegten Stimmverhalten des Landes. Die Stimme wurde
als ungültig gewertet und nicht gezählt - für einen
Vermittlungsausschuss hätte es aber auch mit Thüringen knapp nicht
gereicht.
Jahressteuergesetz abgesegnet - steuerliche Entlastungen für
Hobbybrauer
Die Länderkammer stimmte dem Jahressteuergesetz zu. Es enthält unter
anderem Beispiel Steuerentlastungen für Hobbybrauer. Sie dürfen
künftig pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen, bislang waren es
200 Liter. Vorgesehen ist auch eine Anhebung des Grundfreibetrags bei
der Einkommensteuer. Er steigt rückwirkend zum Jahresbeginn um 180
auf 11.784 Euro. Das Gesetz beinhaltet ferner eine Vereinheitlichung
der Steuerbefreiung für kleine Photovoltaikanlagen.
Zustimmung zum Bürokratieabbau
Die Länder stimmten auch einer Verordnung zur Bürokratieentlastung
zu. Sie umfasst 32 Rechtsänderungen, die nach Angaben der
Bundesregierung der Wirtschaft jährliche Einsparungen von 420
Millionen Euro bringen sollen. Für die Verwaltung soll es eine
jährliche Ersparnis von rund 4 Millionen Euro geben. Erreicht werden
soll dies über eine stärkere Digitalisierung, den Abbau von Anzeige-
und Mitteilungspflichten sowie die Vereinfachung von Verfahren.
Bundesratspräsidentin warnt vor politischem Stillstand
Für Saar-Ministerpräsidentin Rehlinger war es ein besonderer Tag: Sie
gab als neue Bundesratspräsidentin ihren Einstand. In ihrer
Antrittsrede rief die Sozialdemokratin dazu auf, auch nach dem Bruch
der Ampel-Koalition wichtige politische Vorhaben abzuschließen. «Ich
halte es für wichtig, den Eindruck eines Stillstandes bis zur
Neubildung einer Bundesregierung erst gar nicht entstehen zu lassen.»
Dies würde nur politischen Kräfte in die Hände spielen, die gar kein
Interesse an der Lösung von Problemen, sondern am Fortbestand dieser
Probleme hätten.
Für die Frage, was jetzt noch angepackt werden könne, gebe es eine
gute Richtschnur, sagte Rehlinger. «Das, was alle 16 Länder hier im
Bundesrat oder auch in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen
haben, hat nach meiner Einschätzung eine gute Grundlage, um noch auf
den Weg gebracht zu werden.»
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