«Fertility Benefits»: Kinderwunsch mit Firmengeldern erfüllen? Von Sabina Crisan, dpa
Startet die Familienplanung erst später im Leben, ist teils teure
medizinische Unterstützung notwendig. Manche Unternehmen übernehmen
Kosten. Kommt der US-Trend auch in Deutschland an?
Berlin (dpa) - Jobticket, Sportpass, Weiterbildung, Einkaufsrabatte,
Kinderbetreuung und nun das Einfrieren von Eizellen? In den USA
bieten immer mehr Unternehmen sogenannte Fertility Benefits an und
übernehmen damit die Kosten für Kinderwunschbehandlungen. In
Deutschland hingegen ist dies bislang noch eine Nische. Doch Experten
zufolge steigt der Druck auf Unternehmen.
Vor rund zehn Jahren sorgte die Nachricht für Aufruhr, dass die
IT-Konzerne Meta und Apple Mitarbeiterinnen in den USA das Einfrieren
ihrer Eizellen zahlten. Man befürchtete, Frauen könnten gezwungen
werden, sich nur auf den Beruf zu konzentrieren und den Kinderwunsch
auf Eis zu legen.
«Das ist Nonsens. Mindestens 80 Prozent der Frauen, die sich die
Eizellen einfrieren lassen, tun das und das zeigen alle Studien, weil
sie nicht den richtigen Partner zum richtigen Zeitpunkt haben», sagt
Julia Reichert, Gründerin von Onuava. Das Heidelberger Start-up hat
eine Plattform entwickelt, über die Unternehmen ihren Mitarbeitern
Zugang zu einer breiten Angebotspalette rund um die Familienplanung
bieten können.
Mit Fertilitätsleistungen den Fachkräftemangel bekämpfen?
Zu Beginn waren Fertilitätsleistungen eine Möglichkeit für das
Silicon Valley, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und sich
attraktiver zu machen. «Die Unternehmen haben dies nicht aus
Gutmütigkeit oder Großzügigkeit getan, sondern weil es sich für sie
auszahlt», sagt Reichert. Angestellte können bei Unternehmen etwa
Kosten für In-vitro-Fertilisation, Adoptionsverfahren oder eben die
Entnahme von Eizellen einreichen.
Auch Hannah Zagel, die sich am Wissenschaftszentrum Berlin für
Sozialforschung auch mit dem Thema beschäftigt, erklärt, der Fokus
liege auf der Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen, der
Steigerung von Produktivität und womöglich auch der
Mitarbeiterzufriedenheit.
In den USA weit verbreitet
Inzwischen bieten etwa 40 Prozent der Unternehmen in den USA solche
Leistungen an, wie eine Auswertung der US-Stiftung für betriebliche
Leistungen aus dem Jahr 2022 zeigt. Nach eigenen Angaben hat die
gemeinnützige Organisation mehr als 31.000 Mitglieder aus Unternehmen
und dem öffentlichen Sektor. An den Kosten für das sogenannte Social
Freezing - der vorsorglichen Entnahme von Eizellen - beteiligten sich
14 Prozent. 2016 waren es lediglich 2 Prozent.
Der Trend, Kinderwunschbehandlungen zu fördern, dürfte auch in
Deutschland Einzug halten, glaubt Reichert. «Unternehmen müssen sich
auch in puncto Fachkräftemangel immer mehr Neues einfallen lassen.»
Auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur gaben US-Unternehmen wie
Google, Meta, Apple, Microsoft oder Salesforce entweder an, dass sie
die Vorteile in Deutschland nicht anbieten oder sie keine
Informationen dazu liefern können. Das Beratungsunternehmen McKinsey
bietet «grundsätzlich auch in Deutschland» unter anderem
«Familienplanung, einschließlich Unterstützung bei Adoption und
Leihmutterschaft und Konservierung von Eizellen» an, sagte eine
Pressesprecherin.
Krankenkassen übernehmen nur teilweise Kosten
Dem Deutschen IVF-Registers zufolge sind seit 1997 fast 390.000
Kinder nach In-vitro-Fertilisation geboren. Je nachdem, für welche
Behandlung sich Patienten entscheiden, liegen die Kosten bei bis zu
10.000 Euro. Längst nicht alles davon übernehmen Krankenkassen.
Laut dem Bundesfamilienministerium übernehmen die Krankenkassen unter
bestimmten Voraussetzungen teilweise die Kosten für gesetzlich
Krankenversicherte. Ältere oder gleichgeschlechtliche Paare, sowie
Alleinstehende, müssen oft selbst zahlen. Auch eine freiwillige
Entnahme und Lagerung von Eizellen wird nicht erstattet.
Merck: 200 Anfragen auf Fruchtbarkeitsleistungen im ersten Halbjahr
Als Dax-Konzern wagte Merck im vergangenen Jahr den Alleingang und
kündigte an, Mitarbeitende beim Kinderwunsch zu unterstützen. Seit
dem Start des Angebots in Deutschland im Jahr 2024 seien bis August
knapp 200 Anfragen gestellt worden, sagte eine
Merck-Pressesprecherin. Die Nachfrage, ob man nicht mithelfen könne,
sei auch ein Wunsch aus der Belegschaft gewesen.
Voraussetzung für die Leistungen ist, dass einer der Partner während
der Behandlung bei Merck beschäftigt sein muss. Das Unternehmen
sichert den Mitarbeitenden Vertraulichkeit zu. «Der oder die
Vorgesetzte wird nichts von diesem Antrag oder dieser Anfrage
erfahren», erklärt Katharina Schiederig, Leiterin der Abteilung für
Diversitäts-, Gleichstellungs- und Inklusionsstrategie bei der
Merck-Gruppe. Merck sehe sich lediglich als «Abrechnungsstelle», das
Höchstbudget sei «immer eine fünfstellige Summe.»
Das Thema werde nicht besonders hervorgehoben. «Es geht uns gar nicht
darum, das zu pushen, sondern wir möchten ein breites Angebot der
Unterstützung bei Kinderwunsch machen», betont Schiederig. Ziel sei,
den Frauen die Wahlfreiheit zu lassen.
Kritik bleibt bestehen
Soziologin Zagel hält einen Aspekt für entscheidend: «Die Frage ist,
ob Fertility Benefits an Bedingungen geknüpft sind. Erhöhen sie
wirklich die Wahlfreiheit der Beschäftigten oder sind sie an eine
Erwartung geknüpft, wie: "Wir haben dir das angeboten. Warum nimmst
du dann jetzt Elternzeit?"»
Es gebe auch andere Maßnahmen zur Förderung von Familien, betont
Zagel. Man könnte Kinderbetreuung anbieten oder mehr betriebliche
Leistungen für Erziehungszeiten. Zudem könnten Unternehmen flexible
Arbeitszeiten einführen und die Arbeit von zu Hause aus erleichtern.
«Es muss immer klar sein, was es für Alternativen gibt. Es darf auch
keinen Druck geben, diese Dienste in Anspruch zu nehmen.»
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