Sepsis: Lebensbedrohlich und doch oft übersehen Mia Bucher, dpa

Eine Sepsis ist ein medizinischer Notfall und kann lebensbedrohlich
sein. Besteht ein Verdacht, zählt jede Minute. Doch bei der Erkennung
gibt es erhebliche Defizite, wie eine Studie zeigt.

Berlin (dpa) - Eine Sepsis ist eine der häufigsten Todesursachen in
Deutschland. Jedes Jahr sind 230.000 Menschen von einer Sepsis
betroffen, mindestens 85.000 sterben daran, wie das Aktionsbündnis
Patientensicherheit informiert. Sepsis wird auch oft Blutvergiftung
genannt. Es wird davon ausgegangen, dass viele Fälle nicht erfasst
werden und die tatsächliche Zahl der Erkrankten deutlich höher liegt.

«Die Sepsis ist eine lebensbedrohliche Abwehrreaktion des Körpers auf
eine Infektion, die sich über den ganzen Körper ausbreitet», erklär
t
Wolfgang Bauer, Notfallmediziner am Campus Benjamin Franklin der
Berliner Charité. Auslöser kann laut der Bundeszentrale für
gesundheitliche Aufklärung (BZgA) grundsätzlich jede Infektion sein,
zum Beispiel eine Lungenentzündung, eine Harnwegsinfektion, eine
Entzündung im Bauchraum oder eine entzündete Wunde. «Der Organismus
ist nicht mehr in der Lage, die Infektion einzudämmen und es kommt zu
einer überschießenden Reaktion des Immunsystems», so der Arzt.

Immunsystem attackiert sich selbst

Die Folge: «Das Immunsystem reagiert über und fängt an, sich selbst
zu attackieren», erklärt der Notfallmediziner. Dadurch würde nicht
nur die Infektion bekämpft, sondern der eigene Körper. «Dies kann
übergehen in einen septischen Schock mit Multiorganversagen und
verläuft unerkannt oder unbehandelt häufig tödlich», so Bauer. «D
as
ist eine sehr, sehr emotionale Situation, wenn man sieht, wie der
Patient trotz maximaler Therapie nicht gerettet werden kann.»

Eine Sepsis sei daher wie ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt ein
medizinischer Notfall, der so schnell wie möglich behandelt werden
müsse. «Je früher sie erkannt wird, desto besser kann sie behandelt
werden», sagt Bauer. 

Sepsis-Verdacht laut Studie kaum erfasst

Häufig werden Sepsis-Fälle vom Rettungsdienst allerdings nicht
erkannt. Das haben Bauer und die Gesundheitswissenschaftlerin Silke
Piedmont in einer gemeinsamen Studie herausgefunden, die im Februar
veröffentlicht wurde. Dafür haben sie rund 221.500
Rettungsdiensteinsätze in Krankenkassendaten und rund 110.420
Einsätze in sogenannten Rettungsdienstprotokollen des Jahres 2016 in
Deutschland analysiert. Ziel der Untersuchung war es herauszufinden,
wie häufig eine Sepsis im Rettungsdienst tatsächlich festgestellt
wird und welche Methoden sich dafür besonders eignen. 

Die Ergebnisse sind besorgniserregend. «Die Sepsis wurde viel zu
selten und im Falle des nicht-ärztlichen Rettungspersonals kein
einziges Mal als Verdacht erfasst», sagt Bauer. Notärztinnen und
Notärzte dokumentierten demnach nur in 0,1 Prozent der untersuchten
Fälle den Verdacht auf einen septischen Schock. 

Hohe Mortalitätsrate

Die Studie zeigt außerdem, dass der Anteil der Patienten im
Rettungsdienst, bei denen im Krankenhaus eine Sepsis diagnostiziert
wurde (1,6 Prozent), nur leicht unter dem von Herzinfarkten (2,6
Prozent) und Schlaganfällen (2,7 Prozent) lag, es bei der
Mortalitätsrate aber deutliche Unterschiede gab. Demnach starben fast
32 Prozent von allen Sepsis-Patienten innerhalb von 30 Tagen nach der
Nutzung des Rettungsdienstes, beim Herzinfarkt waren es rund 13
Prozent, beim Schlaganfall rund 12 Prozent.

Rettungsdienstpersonal sollte deutschlandweit eigentlich eine
standardmäßige Anweisung haben, bestimmte Vitalparameter zu messen,
erklärte Piedmont, Erstautorin der Publikation und wissenschaftliche
Mitarbeiterin an der Zentralen Notaufnahme der Charité am Campus
Benjamin Franklin. Dazu zählten die Herzfrequenz, Blutdruck,
Sauerstoffgehalt im Blut, Körpertemperatur, Atemfrequenz und eine
mögliche Veränderung des Bewusstseins. «Diese Parameter können eine
n
sehr guten Hinweis darauf geben, ob eine Sepsis vorliegt.» Oft werde
aber noch nach Bauchgefühl entschieden. 

Syndrom nicht ausreichend bekannt

Um das zu ändern, sei zunächst einmal wichtig, dass überhaupt an eine

Sepsis als mögliche Diagnose gedacht werde, meint Bauer. Allgemein
fehle es noch an Bewusstsein für das Syndrom, auch in der Bevölkerung
sei es nicht ausreichend bekannt. Zu den Symptomen zählten vor allem
eine plötzliche Wesensveränderung oder eine Veränderung des
Bewusstseins, zum Beispiel Verwirrtheit, ein niedriger Blutdruck und
ein schneller oder erniedrigter Puls. Auch eine niedrige
Sauerstoffsättigung, Kurzatmigkeit und eine niedrige oder erhöhte
Körpertemperatur seien Merkmale.

Um eine Sepsis zu diagnostizieren, kann das Rettungsdienstpersonal
zur Unterstützung verschiedene Messinstrumente nutzen, die
Vitalparameter abfragen und daraus Maßnahmen ableiten. Ein
Bewertungssystem aus verschiedenen Messungen, das sogenannte National
Early Warning Score 2 (NEWS2), erkennt der Studie zufolge fast drei
Viertel der Sepsis-Fälle. In Deutschland werde diese Art der
Überprüfung in der Sepsis-Leitlinie aber nicht genannt und kaum
eingesetzt.

Auch Menschen, für die eine Sepsis nicht tödlich endet, leiden sehr
häufig an Lang- und Spätfolgen, wie Piedmont erklärt. Das können et
wa
Konzentrationsprobleme und Seh- oder Sprachstörungen, aber auch
Depressionen sein. Bei einigen Menschen sind den Angaben zufolge
Amputationen notwendig, weil Finger oder ganze Gliedmaßen absterben.
«Sepsis kann jeden treffen», sagt die Gesundheitswissenschaftlerin.
Umso wichtiger sei es, mehr Bewusstsein für die Existenz und die
Folgen des Syndroms zu schaffen.

Schutz bieten Hygiene und Impfungen

Am besten vor einer Sepsis schützen können sich Menschen nach
BZgA-Informationen, indem sie versuchen, Infektionen vorzubeugen.
Wichtig seien etwa regelmäßiges und gründliches Händewaschen, eine

gute Toilettenhygiene und ein sorgfältiger Wundschutz. Außerdem gebe
es gegen einige der häufigsten Auslöser einer Sepsis Impfungen, zum
Beispiel gegen Pneumokokken, Meningokokken oder die Grippe.

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