Sylter Bürgermeister fühlt sich fit für Rathaus-Chefsessel Von Lea Sarah Albert, dpa

In rund sechs Wochen entscheiden die Bürger auf Sylt über die Zukunft
von Nikolas Häckel. Sein Burnout hat der Bürgermeister nach eigenen
Angaben bekämpft. Für seine Zukunft hat er konkrete Pläne.

Westerland (dpa/lno) - Er sieht blass aus, trotz der zahlreichen
sommerlichen Tage auf Sylt - seine Augen versteckt er hinter einer
Sonnenbrille: Rund sechs Wochen, bevor die Bürgerinnen und Bürger
über seine Zukunft abstimmen, sagte der Sylter Bürgermeister Nikolas
Häckel (parteilos): «Mir geht es jetzt gut. Das Wetter macht mir zu
schaffen, es ist ein bisschen warm, aber ansonsten geht es mir gut -
ich habe Motivation, Energie und Antrieb etwas zu tun», sagte der
50-Jährige der Deutschen Presse-Agentur.

Seit Monaten ist Häckel krankgeschrieben und hat sich jetzt nach
eigenen Angaben in einer Rehaklinik am Chiemsee aus einem Burnout
herausgekämpft. «Wenn man selbst in ein Burnout reinrutscht, merkt
man das nicht, oder erst zu spät: Ich habe es erst gemerkt, als ich
im Büro saß und mir in Gesprächen immer die Tränen gekommen sind.
» 

Wochenlang habe er demnach nur auf dem Bett gelegen - ohne Antrieb
oder Energie genug, um aufzustehen oder um zu duschen. «Das war hart,
das hätte ich nicht gedacht. Mein Kopf war leer, dass es solche Wege
nimmt, das denkt man nicht.»

Kommunalpolitiker fordern neuen Bürgermeister

Ende Juni war bekannt geworden, dass der hauptamtliche Sylter
Bürgermeister trotz seines Burnouts zurück auf den Chefsessel im
Rathaus in Westerland möchte. Doch das wollen die Kommunalpolitiker
auf der Urlaubsinsel verhindern: Nach wochenlangem Streit um den
Posten im Rathaus in Westerland hatten die Gemeindevertreter am 18.
Juli daher für ein Abwahlverfahren gegen den Bürgermeister der
Gemeinde Sylt gestimmt. 

Am 29. September entscheiden die Bürger der Gemeinde über die Abwahl.
Seine Dienstgeschäfte darf Häckel bis dahin nicht fortführen.
Öffentlich geäußert hatte sich der Sylter seit Monaten nicht. Bei
Sitzungen hatte er sich zuletzt von seinem Anwalt vertreten lassen. 

Krankheit nicht Grund für Abwahlverfahren

«Die Gemeindevertretung hat ihre Entscheidung unabhängig von der
Person Nikolas Häckel und seiner Krankschreibung getroffen.
Ausschlaggebend waren umfassende Mängel in der Amtsführung, die dazu
geführt haben, dass auf der Insel vieles nicht mehr rund läuft und
die einfachsten Dinge zu einem Kraftakt werden», teilte die
Hauptausschuss-Vorsitzende Gritje Stöver (CDU) der dpa mit. Eine
Stigmatisierung Häckels aufgrund seiner Erkrankung dürfe es nicht
geben. 

Die Probleme in der Gemeinde Sylt seien über die letzten Jahre hinweg
gewachsen. «Schlaglöcher in fast jeder Straße, überquellende
Mülleimer im öffentlichen Bereich, marode Sportstätten, ein fehlender

Finanzhaushalt, große und kleine Projekte bleiben in der
Planungsphase stecken und die Politik ebenso wie die Bürger haben
keine direkten Ansprechpartner in der Verwaltung mehr.»

Das sei das Fazit nach neun Jahren Amtsführung durch Nikolas Häckel.
«Einer Zeit der dauernden Umstrukturierung von gewachsenen
Strukturen, von Versprechungen, mangelnder Information und
Schuldzuweisungen an andere», sagte Stöver. Die daraus resultierenden
Konflikte und der Vertrauensverlust seien «sowohl für die
Kommunalpolitiker als auch für die Verwaltung unbefriedigend und
demotivierend». 

Häckel sieht Kritik als nicht gerechtfertigt

Die Kommunalpolitiker werfen Häckel unter anderem die aktuelle
Haushaltsmisere, fehlende Kommunikation sowie Unzulänglichkeiten bei
seiner Verwaltungsarbeit vor, die ein Prüfbericht des Kreises
Nordfriesland für den Zeitraum 2010 bis 2022 zuletzt aufgezeigt
hatte.

Diese Kritik sei nicht gerechtfertigt, sagte Häckel. Er fühlt sich
missverstanden: «Wir arbeiten im Haus mit strukturierten
Handlungsabläufen, die definiert werden und für alle gelten - ohne
Spielraum und Abweichungen», sagte der 50-Jährige. Er werde zu
unrecht für Dinge beschuldigt, die nicht in seiner Hand liegen, wie
zum Beispiel bei den Punks auf der Nordseeinsel oder der
Haushaltskrise. 

Er habe in den letzten neun Jahren viel an
der Kommunikation verändert und sei auf Fraktionen und Politik
zugegangen. «Ich habe stets versucht, Wünschen gerecht zu werden,
aber das ist nicht immer möglich, ich kann verstehen, dass das bei
einigen für Frust sorgt.»

Häckel kritisiert Erwartungsdruck

Sein Verhältnis zu den Mitarbeitern sei gut gewesen, er habe Kontakte
im Rathaus gehabt und mit vielen im Dialog gestanden: «Dass diese
Meinung so massiv gekippt scheint in der Zeit meiner Erkrankung, ist
schon krass», sagte Häckel. 

Der Erwartungsdruck an ihn sei zu groß gewesen, sagte er. «Da muss
man sich fragen, wie soll ich das in einer normalen Sieben-Tage-Woche
und einem 24-Stunden-Tag hinbekommen: Ich kann nicht 100 Gremien in
Vorgesprächen und Durchführung betreuen, eine Verwaltungsleitung
betreuen, eine politische Agenda mit auf den Weg bringen und
repräsentieren: Ich bin nicht ohne Grund im Burnout gelandet.» 

Einen Rücktritt schließt er aus: «Da ich von über 68 Prozent der
Wähler gewählt worden bin, mir diese Aufgabe Freude macht und ich
mich dem Wählerwille natürlich auch verpflichtet fühle.»

Sylter Amtsgemeinden unterstützen Abwahl von Häckel

Wie tief die Gräben zwischen Häckel und den Kommunalpolitikern auf
Sylt sind, wurde erst vor zwei Tagen deutlich, als sich auch die
Bürgermeisterin und die drei Bürgermeister der anderen vier Gemeinden
auf Sylt öffentlich für dessen Abwahl ausgesprochen hatten. Den
Schritt der Gemeinde Sylt, ein Abwahlverfahren einzuleiten, begrüßen
sie demnach.

In ihrem Schreiben rufen Sie die Bürgerinnen und Bürger der
Nordseeinsel dazu auf, am 29. September zur Wahl zu gehen, um «den
Weg für eine Neubesetzung dieser für die Insel entscheidenden
Position freizumachen», schreiben Kampens Bürgermeisterin Stefanie
Böhm sowie die drei Bürgermeister Ronald Benck (List), Udo Hanrieder
(Hörnum) sowie Kai Müller (Wenningstedt-Braderup).

Häckel will sich ehrenamtlich engagieren

Einer möglichen Abwahl blickt Häckel gelassen entgegen, juristisch
dagegen vorgehen wolle er nicht: «Ich habe ein Leben und bin
ausreichend finanziert, weil ich früh angefangen habe zu arbeiten und
das Beamtensystem schützt vor einer solchen Situation, weil ich ja
nichts verbrochen habe, sondern dann ja nur abgewählt worden bin.»

Er wolle dann seine Arbeit beim Rettungsdienst - zum Beispiel bei der
Kieler Woche, beim Karneval Köln und auf dem Oktoberfest in München -
wieder verstärkt aufnehmen, sich weiter in der Hospizarbeit
engagieren und an der Fachhochschule (FH) in Kiel unterrichten.

Den Champagner werde er nach einer möglichen Abwahl dennoch nicht
öffnen: «Ein Grund zum Feiern ist es für mich nicht, es wird mir
schon nachhängen, das ist klar», sagte Häckel. Ob er dann auf Sylt
wohnen bleibt, wisse er bisher nicht.

Amtszeit ginge bis 2027

Wird der gebürtige Sylter von den Wählern im Amt bestätigt, würde
seine reguläre Amtszeit bis 2027 laufen. Bei einem möglichen Neustart
wolle er zunächst Gespräche führen und sich einen Überblick
verschaffen - Ziel sei es, den Wählerwillen umzusetzen, darin müssen
alle Beteiligten mitarbeiten, sagte er. Wenn nötig, mit einem
Moderator: «Man kann nur über die Zeit Vertrauen schaffen.»

Als Demokrat respektiere er andere Meinungen: «Egal, wie diese Wahl
ausgeht, ich habe für beide Entscheidungswege eine gute Situation,
wie ich mir die Arbeit und mein Leben vorstelle.»

Häckel ist seit 2015 im Amt

Häckel ist seit Februar krankgeschrieben. Bereits im Sommer 2023
hatte der 50-Jährige seine Amtsgeschäfte mehrere Wochen nicht
wahrnehmen können - er sei wegen einer belastungsbedingten seelischen
Erkrankung vom behandelnden Arzt krankgeschrieben worden, teilte die
Gemeinde Sylt damals auf ihrer Homepage mit.

Häckel führt die Verwaltung auf der Nordseeinsel seit 2015. Vertreten
wird er derzeit durch seinen Stellvertreter, Carsten Kerkamm (CDU).

 

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite