Gewalt in Praxen - «Gefühl von Hilflosigkeit und Ohnmacht»

Manche Patienten rasten aus, wenn sie in der Praxis nicht sofort
behandelt werden - und werden sogar gewalttätig. Ärzte klagen über
massive Belastungen. Das hat Auswirkungen auf die Branche.

Berlin (dpa) - Ärzte beobachten immer mehr Gewalt in Arztpraxen.
«Insgesamt ist eine Verrohung im Umgang mit medizinischem Personal zu
verzeichnen», heißt es von der Bundesärztekammer. Der Chef der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, spricht in
der «Neuen Osnabrücker Zeitung» von verbaler und physischer Gewalt:
«Offene Aggression und ein extrem forderndes Verhalten haben deutlich
zugenommen». Die raue Situation trage «zweifellos» zum
Fachkräftemangel in den Praxen bei, kommentierte der Verband der
niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte. 

Wie angespannt ist die Lage?

Bundesweite Zahlen zu der Problematik gebe es nicht, hieß es auf
dpa-Anfrage von der Bundesärztekammer. Zuletzt hatte die Ärztekammer
Westfalen-Lippe (ÄKWL) im Mai eine Umfrage unter ihren Mitgliedern zu
deren Erfahrungen mit Gewalt im ärztlichen Alltag veröffentlicht.
Innerhalb nur weniger Tage meldeten sich demnach 4.513 Ärztinnen und
Ärzte - rund zehn Prozent der Kammermitglieder - zurück. 

Mehr als die Hälfte (2.917) davon hätten auf die Frage: «Haben Sie in

der Vergangenheit in ihrem ärztlichen Alltag Gewalt erfahren müssen?»

mit «Ja» geantwortet. 1.339 Fälle seien dabei allein in Arztpraxen
gemeldet worden. Der Präsident der ÄKWL, Hans-Albert Gehle, sprach
von einer spürbaren und dauerhaften Zunahme von Gewaltereignissen und
massiver Belastung der Betroffenen.

«Dass sich Patienten nicht benehmen können und eine schräge
Einschätzung der eigenen Behandlungsdringlichkeit haben, ist ein
Nationen-übergreifendes Phänomen. Was sich allerdings auch häuft: Da

ist einer krank, und sechs Leute kommen als Begleitung mit in die
Praxis oder die Notaufnahme und machen Radau. Das ist bemerkenswert
und extrem unangenehm», sagte der Chef der Kassenärztlichen
Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, der «Neuen Osnabrücker
Zeitung». Gassen forderte deutliche Strafen: «Es braucht in solchen
Fällen deutliche und schnelle Strafen. Sonst kommt die Botschaft bei
einigen Menschen nicht an.» 

Buschmann will Strafrecht leicht verschärfen

Justizminister Marco Buschmann (FDP) will mit einer leichten
Verschärfung des Strafrechts unter anderem Rettungskräfte besser vor
Anfeindungen und Gewalt schützen. Die - noch nicht beschlossene -
Anpassung müsse auf die Arztpraxen ausgeweitet werden, forderte der
Kassenärzte-Chef Gehle. 

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach sich in einem Post
auf der Plattform X für eine stärkere Bestrafung bei Gewalt oder
Gewaltandrohungen gegen Ärzte und Ärztinnen sowie Pflegekräfte aus.
«Uns droht so schon ein ganz massiver Arztmangel, Praxen können nicht
wieder besetzt werden», schrieb er. Mit dem Justizminister arbeite er
an dem Gesetz zur Strafverschärfung. 

Die Bundesärztekammer unterstützt das Vorhaben. Straftaten gegen
diese Berufsgruppen müssten aber nicht nur schärfer bestraft, sondern
auch effektiv verfolgt und aufgeklärt werden, forderte die Kammer in
einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme zum Referentenentwurf.
«Wir brauchen dringend Aufklärungskampagnen, die deutlich machen,
dass diese Menschen Retter und Helfer sind», hieß es auf Anfrage.
Auch der Verband der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sprach sich
für die angekündigte Strafverschärfung aus.

Fortbildungen und Deeskalations-Seminare

Um Fälle zu melden, hätten einige Ärztekammern für Betroffene berei
ts
eine spezielle Meldeadresse eingerichtet, es gebe auch Fortbildungen
zum Thema. Die Landesärztekammer Hessen etwa habe einen Meldebogen
eingeführt. «Die aktuellen Ergebnisse des Meldebogens verdeutlichen,
dass dringlichster Bedarf in der Ärzteschaft sowie bei den
Medizinischen Fachangestellten besteht, dem Gefühl von Hilflosigkeit
und Ohnmacht durch z.B. Deeskalations-Seminare entgegenzuwirken»,
hieß es auf der Website. 

Warum aber ist die Gewaltbereitschaft in Arztpraxen teils hoch?
«Gerade in Stress- und Notsituationen, in denen das persönliche
Wohlbefinden als eingeschränkt wahrgenommen wird, kann der Mensch
dann mit Wut und Aggressivität reagieren», kommentiert der Psychologe
Michael Wiens. «Emotionen haben immer eine Signalfunktion, dass
bestimmte Bedürfnisse nicht erfüllt sind.»

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