Fehltage im Job: Den größten Stress machen wir uns selbst Von Thomas Strünkelnberg, dpa

Viele dürften das kennen: arbeiten, bis es nicht mehr geht - oder
länger. Sind die Ansprüche, die Menschen an sich stellen, zu hoch,
bedeutet das enormen Stress. Doch es gibt noch mehr Ursachen.

Hannover (dpa) - Es gibt Menschen, die stolz darauf sind, an oder
sogar über ihre Belastungsgrenzen zu gehen, um alles möglichst
perfekt zu erledigen. Auf ihnen lastet enormer Druck. Aber: Sie
leiden weniger unter den Arbeitsbedingungen im Job, der puren Menge
an Arbeit oder Krach mit dem Chef, sondern unter den hohen Ansprüchen
an sich selbst - die Kaufmännische Krankenkasse KKH spricht von der
«Perfektionismus-Falle».

Nach einer neuen Forsa-Umfrage im Auftrag der Krankenversicherung
fühlen sich 43 Prozent der Berufstätigen häufig massiv unter Druck -

jede und jeder Siebte sogar sehr häufig, wie die KKH in Hannover
mitteilte. Weitere 43 Prozent fühlen sich gelegentlich gestresst im
Job. Die Gründe dafür sind eindeutig: Etwa zwei Drittel (65 Prozent)
der Befragten fühlen sich von den eigenen Erwartungen unter Druck
gesetzt, ihre Arbeit bestmöglich zu erledigen. Zugleich steigt laut
Daten der KKH-Versicherten bundesweit die Zahl der Fehltage im Job
wegen stressbedingter psychischer Leiden.

Perfektionismus und Zeitdruck größte Stresstreiber

Für die Untersuchung befragte das Meinungsforschungsinstitut Forsa im
Auftrag der KKH vom 1. bis 8. Juli bundesweit 1.001 berufstätige
Menschen im Alter von 18 bis 70 Jahren repräsentativ. Die
Krankenversicherung zählt mit rund 1,6 Millionen Versicherten zu den
größten bundesweiten Kassen. 

Ein fast ebenso großer Stresstreiber wie der eigene Perfektionismus
ist der Umfrage zufolge der Zeitdruck im Arbeitsalltag (62 Prozent) -
der damit deutlich vor der Erwartungshaltung anderer (40 Prozent)
liegt. Jeweils rund ein Drittel der Berufstätigen fühlt sich von zu
vielen Überstunden (36 Prozent) beziehungsweise zu hohen
Leistungsanforderungen (32 Prozent) gestresst. Schwierigkeiten bei
der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben (27) oder ein zu geringes
Gehalt (23) belasten jeweils etwa jede und jeden Vierten. Auch
schlechte Stimmung im Team und Mobbing (21) oder die Kontrolle durch
Vorgesetzte lösen Stress aus. 

Mehr Fehltage wegen stressbedingter psychischer Probleme

«Unsere Umfrage zeigt, dass Stress sehr individuell wahrgenommen und
stark von der eigenen Einstellung beeinflusst wird», sagte die
KKH-Arbeitspsychologin Antje Judick. Zunächst einmal sei das eine
gute Nachricht, weil sich daran arbeiten lasse. Aber sie betonte,
Stress gelte in der Leistungsgesellschaft häufig als Statussymbol und
Perfektionismus als ein Zeichen von Leistungsfähigkeit. Auch hätten
sich die ständige Erreichbarkeit etwa via Smartphone und
verschwimmende Grenzen zwischen Beruf und Privatleben «mittlerweile
wie selbstverständlich etabliert»: Ständig greifbar zu sein und
Perfektes abzuliefern gelte als Inbegriff von Erfolg.

Dabei ist der Umfrage zufolge gut jeder vierte Berufstätige (28
Prozent) schon einmal wegen des Drucks und der Belastungen im
Arbeitsleben ausgefallen. Bundesweite Daten zur Arbeitsunfähigkeit
von KKH-Versicherten zeigen zudem, dass die Zahl der Fehltage wegen
stressbedingter psychischer Probleme steigt - darunter akute
Belastungsreaktionen und Anpassungsstörungen: Im ersten Halbjahr 2024
kamen demnach 109 Fehltage auf 100 ganzjährig versicherte KKH-Kunden
- nach 105 im Vorjahreszeitraum. 2019 waren es erst 75 Fehltage je
100 Erwerbstätige. 

Zahl der Fehltage wegen Burn-out steigt

Bei depressiven Episoden registrierte die Krankenkasse in dem
Fünfjahresvergleich einen Anstieg von 89 auf 102 Tage pro 100
Versicherte. Burnout - meist als Syndrom zu Beginn einer
Stresserkrankung oder im Zuge weiterer seelischer Leiden
diagnostiziert - lag demnach im vergangenen Jahr bei 11 Tagen pro 100
Erwerbstätige, im ersten Halbjahr 2024 bei 10 Tagen. 2019 waren es 8
Tage. Das sogenannte Ausbrennen sei ein schleichender Prozess,
anfangs fühlten sich Betroffene stark, folgten aber auf Stressmomente
keine Entspannungsphasen mehr, komme es zu ersten Anzeichen von
Überforderung und Erschöpfung. Wer nicht gegensteuere, setze eine
Abwärtsspirale in Gang.

Ein weiterer Stressfaktor für die Mehrheit der Bevölkerung in
Deutschland: Angst vor Krieg und Krisen. Wie die
Swiss-Life-Versicherung im März nach einer entsprechenden
Yougov-Befragung bekanntgab, liegen diese Ängste noch vor
persönlichen Fragen wie finanziellen Sorgen oder Krankheiten. Auch
die Zunahme der Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren löst
demnach bei einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung Sorgen aus -
und die Angst vor Katastrophen sorgt für Stress. 

Frauen kämpfen mehr mit Stress

Berufstätige Frauen haben der Forsa-Umfrage im Auftrag der KKH
zufolge mehr mit Stress zu kämpfen als Männer - 20 Prozent der
befragten Frauen fühlten sich sehr häufig gestresst, bei Männern
waren es 11 Prozent. Arbeitspsychologin Judick erklärte, die
Erwartung, sowohl in der Rolle der Mutter als auch bei der Karriere
zu glänzen, setze viele Frauen unter immensen Druck.

Laut Krankenkasse sind die Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen
insgesamt seit 2017 deutlich gestiegen - und erreichten im
vergangenen Jahr den bisher höchsten Stand: Während zu Beginn der
entsprechenden Auswertung im Jahr 2017 noch 298 Krankheitstage auf
100 ganzjährig versicherte Berufstätige kamen, sind es inzwischen 388
Tage.

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