Cannabis-Anbauvereine können starten - aber wie? Von Sascha Meyer, dpa
Bei der umstrittenen Freigabe von Cannabis fehlte bisher noch ein
wichtiger Teil: Anbaumöglichkeiten in größerem Stil. Dafür können
jetzt spezielle Clubs aktiv werden - jedoch nicht einfach so.
Berlin (dpa) - Seit drei Monaten ist Kiffen in Deutschland für
Volljährige legal - mit zahlreichen Beschränkungen und Vorgaben, die
auch den Cannabis-Anbau in einer privaten Wohnung ermöglichen. Aber
nur begrenzt auf je drei Pflanzen. Von Montag an können jetzt auch
Vereine an den Start gehen, die gemeinsam größere Mengen produzieren
wollen. Dafür gelten aber ebenfalls Auflagen, und Interessierte
müssen erst einmal Behördenanträge und einige andere Vorbereitungen
angehen. Bis zum Pflanzen, Ernten und den ersten Joints dürfte es
noch mehrere Wochen dauern.
Das umstrittene Gesetz, das Besitz und Anbau der Droge für
Volljährige zum Eigenkonsum erlaubt, gilt inzwischen seit dem 1.
April. Und erklärtes Ziel ist, den kriminellen Schwarzmarkt
zurückzudrängen, wo Cannabis mit Beimengungen und hohen
Konzentrationen gehandelt wird. Bundesgesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) argumentiert, dass es dann aber eine ausreichende
Menge an legalem Stoff braucht - kommen kann der künftig auch aus
speziellen Anbau-Einrichtungen.
Was genau sind die Anbauvereine?
Erlaubt sind jetzt «Anbauvereinigungen», wie sie offiziell heißen.
Also so etwas wie Clubs für Volljährige, in denen bis zu 500
Mitglieder Cannabis nicht-kommerziell anbauen und untereinander zum
Eigenkonsum abgeben. Organisiert sein müssen sie als eingetragene
Vereine oder Genossenschaften - als Stiftung oder Unternehmen geht es
nicht. Zum Zweck gehört es dem Gesetz zufolge auch, Cannabis-Samen
und Stecklinge weitergeben zu können und über Suchtvorbeugung zu
informieren.
Welche Voraussetzungen gibt es?
Die Mitglieder müssen mindestens sechs Monate in Deutschland wohnen,
und für Mitgliedschaften muss eine Mindestzeit von drei Monaten
gelten. Das soll laut Ministerium Drogentourismus vermeiden. Die
Vorstandsmitglieder dürfen nicht wegen Drogendelikten vorbestraft
sein. Das Anbau-Areal darf kein Wohngebäude sein und keine
auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum
vor Ort und 100 Meter um den Eingang herum. Zu Schulen, Spielplätzen
und anderen Kinder- und Jugendeinrichtungen müssen es mindestens 200
Meter Abstand sein.
Was können Vereine jetzt tun?
Loslegen können Anbauvereine nun damit, eine amtliche Erlaubnis zu
beantragen. Angeben müssen sie unter anderem die Mitgliederzahl,
Standort und Größe der Anbauflächen, voraussichtliche
Cannabis-Jahresmengen, Sicherungsmaßnahmen und ein Gesundheits- und
Jugendschutzkonzept. Die Erlaubnis gilt dann befristet für sieben
Jahre, nach fünf Jahren kann sie verlängert werden. Zu rechnen ist
bei den Anträgen mit drei Monaten Bearbeitungszeit, wie es aus
mehreren Ländern hieß.
Wo können Vereine Anträge stellen?
Der Deutsche Städtetag beklagte, dass es wenige Tage vor dem Start
noch nicht überall abschließend klar war, wer für Genehmigungen und
Kontrollen zuständig ist. Festlegen sollen das die Länder, und so
gibt es nun verschiedene Stellen für Anträge - von der
Landwirtschaftskammer in Niedersachsen über das Regierungspräsidium
in Freiburg für ganz Baden-Württemberg bis zum Landesamt für
Soziales, Jugend und Versorgung in Rheinland-Pfalz. Im Land Berlin
gibt es noch keine Verordnung. Die «Auffangzuständigkeit» liegt
vorerst bei den Bezirken, wie es aus dem Senat hieß. Welches Fachamt
in den Bezirken zuständig sein soll, war zunächst unklar.
Wie viel Cannabis bekommen Mitglieder?
Die Mengen sind begrenzt. Pro Tag sind es höchstens 25 Gramm je
Mitglied und im Monat höchstens 50 Gramm. Für 18- bis 21-Jährige
sollen monatlich 30 Gramm mit höchstens zehn Prozent
Tetrahydrocannabinol (THC) zulässig sein, das ist der Stoff mit der
Rauschwirkung. Auch anbauen dürfen die Vereine nicht einfach so viel,
wie sie wollen. Die Erlaubnis gilt für feste Jahresmengen, die sich
am Eigenbedarf der Mitglieder orientieren. Mehr muss vernichtet
werden. Nur Mitglieder dürfen Pflanzen anbauen, gießen, düngen,
beschneiden - keine bezahlten Beschäftigten. Mitglieder dürfen das
Cannabis nicht an andere weitergeben, zulässig ist dies nur für
Samen.
Welche Vorgaben gibt es noch?
Um Cannabis zu bekommen, muss man es persönlich vor Ort
entgegennehmen, den Mitgliedsausweis und einen amtlichen Ausweis mit
Foto vorlegen. Erlaubt ist nur Cannabis in Reinform: als getrocknete
Blüten und blütennahe Blätter (Marihuana) oder abgesondertes Harz
(Haschisch). Verboten sind Mischungen mit Tabak, Nikotin oder
Lebensmitteln. Die Verpackung muss neutral sein. Auf einem Infozettel
müssen unter anderem Gewicht, Sorte, der durchschnittliche THC-Gehalt
und Hinweise zu Risiken des Konsums aufgeführt werden. Ein Kaufpreis
darf nicht verlangt werden, finanzieren sollen sich die Vereine durch
ihre Mitgliedsbeiträge. Geregelt sind auch Dokumentationspflichten
für die Vereine und regelmäßige amtliche Kontrollen.
Werden viele Anbauvereine entstehen?
Wie groß der Andrang ist, muss sich jetzt zeigen. Der
Bundesdrogenbeauftragte Burkhard Blienert (SPD) sprach von «hohem
Interesse» bei Clubs, die in Gründung seien und sich vorbereiteten.
Rückmeldungen bei ihm zufolge könnte mindestens eine hohe
dreistellige Zahl an Vereinen entstehen. Das Gesundheitsministerium
legte einer Kostenschätzung im Gesetzentwurf zugrunde, dass im ersten
Jahr 1000 und im zweiten bis fünften Jahr noch jeweils 500 Vereine
entstehen dürften.
Wie geht es weiter?
Auf Wunsch der Länder schärfte der Bund gerade noch einige Vorgaben
nach, damit keine größeren Cannabis-Plantagen entstehen. Die Länder
können auch jeweils bei sich eine im Gesetz gegebene Möglichkeit
anwenden, die Zahl der Anbauvereine in einem Kreis oder einer Stadt
auf einen Verein je 6000 Einwohner zu begrenzen. Ein vorerst letztes
Gesetz mit Cannabis-Regeln für Autofahrerinnen und Autofahrer soll
der Bundesrat am 5. Juli billigen. Für THC am Steuer soll dann
künftig ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm je Milliliter Blut gelten -
ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für Alkohol. In Kraft treten
dürfte das Gesetz samt Bußgeldern bei Verstößen noch im Sommer.
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