Entlassung aus Klinik steht an - Patienten oft aufgeschmissen
Entlassungen aus dem Krankenhaus laufen nicht für jeden unbeschwert
ab. Manche Patienten kommen etwa nach Hause, ohne dass ihre
Versorgung dort gesichert ist. Nicht selten geht es zurück in die
Klinik.
Karlsruhe (dpa) - Die Organisation von Entlassungen aus
Krankenhäusern funktionieren oft nicht im Sinne der Patienten: Sie
kommen teils nach Hause, ohne dass ihre Betreuung dort sichergestellt
ist, ohne dass der Hausarzt informiert wurde oder ein Entlassgespräch
stattfand. Oder die Patienten müssen mangels häuslicher Betreuung
länger im Krankenhaus bleiben als nötig. Der Fehler liege im System,
sagen viele Beteiligte und auch Experten. Am Ende bleibt der Patient
oft auf der Strecke.
Statt Entlassung länger im Krankenhaus
«Uns sind Fälle bekannt, in denen Patientinnen und Patienten wochen-
oder sogar monatelang in den Krankenhäusern bleiben, weil keine
Anschlussversorgung für sie gefunden werden kann», sagte Matthias
Einwag, Hauptgeschäftsführer der Baden-Württembergischen
Krankenhausgesellschaft (BWKG). Zahlen dazu gibt es nicht. «Fakt ist,
das klinische Entlassmanagement funktioniert oft mehr schlecht als
recht», berichtet auch Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz.
Vor allem für schwerstpflegebedürftige Menschen finde sich viel zu
häufig keine zeitnahe Lösung. Pflegeanbieter scheuten den hohen
Versorgungsaufwand, monierte Brysch, und forderte eine gesetzlich
verankerte Quote für die Aufnahme von Menschen mit Pflegegrad 4 und
5.
Ambulante Versorgung bricht weg
Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) sieht
die Lage kritisch: «Wir erleben vermehrt den Umstand, dass
Krankenhäuser Patientinnen und Patienten nicht entlassen können, weil
die ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen in der Pflege am
Limit sind beziehungsweise vielerorts wegbrechen und kein Heimplatz
oder keine ambulante Versorgung zu finden ist», sagte ein Sprecher.
Es sei wichtig, endlich wirksame politische Maßnahmen gegen das
Wegbrechen der pflegerischen Versorgungsstrukturen zu ergreifen und
die vorhandenen Angebote zu stärken.
Kritik aber auch an Krankenhäusern
Es gibt aber auch Beschwerden in die umgekehrte Richtung: Dass
nämlich Krankenhäuser Menschen entlassen, ohne dass Angehörige
Bescheid wissen, ohne dass Hausärzte mit ins Boot genommen werden und
ohne dass Pflegedienste über die überraschende Heimkehr von Menschen
informiert werden, die sie zuvor im häuslichen Umfeld betreut hatten.
«Es gibt bezüglich des Entlassmanagements noch riesige Defizite»,
sagte etwa Armin Schulz, der einen Pflegedienst in Bretten (Kreis
Karlsruhe) leitet. «Da heißt es morgens noch, der Patient bleibt noch
mindestens zwei Wochen, und abends dann kann er abgeholt werden.» Es
gebe kaum standardisierte Abläufe in den Krankenhäusern. «Ziemlich
jede Klinik hat eine andere Routine, oder eben gar keine», sagt er.
An dem Thema beiße man sich seit 25 Jahren die Zähne aus.
Hausärzte sehen Probleme
Die Hausärztinnen und Hausärzte, die ja eigentlich erste Anlaufstelle
für ihre Patienten nach der Entlassung sind, beklagen die Zustände
und fordern mehr Steuerung und Koordination. Die Menschen würden
immer älter und Angehörige seien als Ansprechpartner oft nicht vor
Ort nach einem Krankenhausaufenthalt. Umso wichtiger sei es, dass die
weiterbehandelnden Kollegen rechtzeitig und umfassend informiert
würden, wenn die Entlassung ansteht, betont eine Sprecherin des
Hausärzteverbandes Baden-Württemberg. «Der Kommunikationsbruch
zwischen stationär zu ambulant muss endlich behoben werden.»
Krankenhäuser zum «Entlassmanagement» verpflichtet
Eigentlich sind Krankenhäuser zum sogenannten Entlassmanagement
verpflichtet und haben gemeinsam mit den Kranken- und Pflegekassen
die Aufgabe, rechtzeitig vor der Entlassung die erforderliche
Versorgung zu organisieren, erläutert die BWKG. «Die Krankenhäuser
nehmen ihre Aufgaben im Entlassmanagement sehr ernst», betont
Hauptgeschäftsführer Einwag. Auch aus Sicht des Dachverbandes, der
Deutschen Krankenhausgesellschaft, funktioniert das Entlassmanagement
im Großen und Ganzen gut. Die Stiftung Unabhängige
Patientenberatung Deutschland (UPD) ist da anderer Ansicht. Es hapere
bei der Umsetzung; das Problem werde oft an die Patienten
weitergereicht.
Eine Studie der Universität Siegen und des Mannheimer Zentrums für
europäische Sozialforschung stellte Deutschland hingegen im Vergleich
mit Schweden, den Niederlanden und der Schweiz ein schlechtes Zeugnis
aus. «Zusammengefasst, fehlt in Deutschland eine klare Zuständigkeit,
eine Anlaufstelle, über die die Pflege koordiniert wird und die auch
dafür verantwortlich ist, dass sie auch sichergestellt wird», sagt
dazu der Leiter der Studie, Professor Claus Wendt von der Uni Siegen.
Es fehle an funktionierenden Strukturen und qualifiziertem Personal.
Weitere Baustellen seien etwa die rückschrittliche Digitalisierung im
Gesundheitssystem.
Pflegedienste oft vor vollendete Tatsachen gestellt
Die Mitarbeitenden des Pflegedienstes Schulz können jedenfalls ein
Lied davon singen, wenn Patienten an Wochenenden oder kurzerhand
abends noch entlassen werden, wenn die notwendigen Medikamente dann
nicht mehr rechtzeitig beschafft werden oder Hals über Kopf
Pflegeeinsätze für Patienten organisiert werden müssen - die
eigentlich noch im Krankernhaus hätten bleiben sollen. Schulz spricht
vom Drehtür-Effekt: Wenn die Entlassung nicht reibungslos ablaufe,
müssten Patienten mangels ordentlicher Versorgung nicht selten wieder
zurück ins Krankenhaus. «Wenn Entlassungen richtig geplant wären,
würde das alles nicht passieren.»
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