80 Jahre «Gaslight»: Der Thriller-Name, der zum Psycho-Begriff wurde Von Gregor Tholl, dpa

Ein Drama als Namensgeber für seelischen Missbrauch: 1944 kam die
legendäre «Gaslicht»-Verfilmung mit Ingrid Bergman ins Kino. Das
sogenannte Gaslighting erscheint 80 Jahre später so aktuell wie nie.

Los Angeles/London (dpa) - Jemanden mit Lügen so zu manipulieren,
dass das Opfer an der eigenen Zurechnungsfähigkeit, seinen
Erinnerungen und Sinneseindrücken zweifelt, wird «Gaslighting»
genannt. Der Begriff ist in den USA vor allem angesichts des
turbulenten Treibens von Donald Trump sehr gängig geworden. Auch
hierzulande wurde er inzwischen - neben Wörtern wie etwa Ghosting -
ein bekannteres Phänomen im Zwischenmenschlichen. Inspiriert wurde
das psychologische Fachwort von dem mehrmals verfilmten Theaterstück
«Gas Light» («Gaslicht») des englischen Schriftstellers Patrick
Hamilton (1904-1962).

Vor 80 Jahren - im Sommer 1944 - kam die wohl berühmteste Verfilmung
heraus (zumindest in Nordamerika und Großbritannien): «Gaslight» mit

Ingrid Bergman. Der deutsche Titel dieser Version lautet «Das Haus
der Lady Alquist» (sie gelangte 1947 in deutsche Kinos). Die
Schauspielerin Angela Lansbury («Mord ist ihr Hobby») hatte in dem
Psychothriller als Dienstmädchen Nancy ihr Leinwanddebüt, wurde für
den Nebendarstellerin-Oscar nominiert.

Das im Englischen titelgebende Gaslicht meint im Film das mysteriöse
Flackern der Gasflamme in der Deckenbeleuchtung des geerbten Londoner
Stadthauses. Bergmans Figur Paula macht es Angst, weil sie es sich
nicht rational erklären kann. Bergman, damals 29, gewann für die
Rolle der Paula Alquist ihren ersten von drei Oscars, setzte sich bei
der Oscarverleihung 1945 gegen Stars wie Bette Davis und Barbara
Stanwyck durch.

Bergman verkörpert in dem Klassiker, der Ende des 19. Jahrhunderts im
viktorianischen England spielt, eine Frau, deren Ehemann einen Plan
ausheckt, um sie in den Wahnsinn zu treiben. Viel zu verliebt will
Paula lange nicht wahrhaben, dass ihr Mann Gregory Anton (Charles
Boyer) ein Dieb und Mörder ist, der ihre reiche Tante umgebracht hat
und bloß Juwelen will. Anton redet Paula ein, dass die von ihr
wahrgenommenen Schritte auf dem Dachboden und das Dunklerwerden des
Gaslichts im Haus am Thornton Square bloß Einbildung seien.

Der psychische Missbrauch des sogenannten Gaslighting geschieht - wie
in dem Film - oft innerhalb enger Beziehungen und über eine längere
Zeit. Anfangs ist das Opfer verwirrt. Nach einer Weile aber fängt es
an, an seinem Geisteszustand zu zweifeln und die falsche Realität des
Gaslighters zu übernehmen. Im Extremfall traut das Opfer der eigenen
Wahrnehmung nicht mehr, unterwirft sich der behaupteten Wahrheit des
Missbrauchstäters.

Der Psychologenverband APA (American Psychological Association)
betont, «Gaslighting» - also die Benutzung des englischen Worts für
Gaslicht als Verb (auf Deutsch also «jemanden gaslichten») - sei eher
umgangssprachlich, auch wenn er gelegentlich in der klinischen
Literatur auftauche. Beim Gaslighting handelt es sich um Taktiken,
die Personen mit antisozialer (gar narzisstischer)
Persönlichkeitsstörung anwenden. Gaslighting-Opfer können einen
erheblichen Verlust ihres Selbstwertgefühls erleiden und psychisch
schwer erkranken.

Vor anderthalb Jahren kürte das amerikanische Wörterbuch
«Merriam-Webster» den Begriff Gaslighting zum Wort des Jahres. Es
handle sich, so hieß es Ende 2022, um ein abscheuliches Mittel, das
in Paarbeziehungen, in der Familie, im Freundeskreis, aber auch in
Medien und Politik vorkomme. Es könne auch Unternehmenskalkül sein,
die Öffentlichkeit in die Irre zu führen. Zudem gebe es medizinisches
Gaslighting, etwa wenn Fachpersonal die Symptome oder Krankheiten
eines Patienten abtue - Motto: «Das ist alles nur in Ihrem Kopf.»

Psychologen sehen Gaslighting auch als eine Strategie von Populisten,
extremen Politikern, Autokraten oder Terrororganisationen. 

Der Psychotherapeut und Bestsellerautor Bryant Welch konstatierte
schon früh, dass Donald Trump die Taktik regelmäßig anwende. Es gehe

darum, Verwirrung zu stiften, etwa das Vertrauen in etablierte Medien
zu untergraben und stetig die eigene Weltsicht zu verbreiten, dem
Volk und der Öffentlichkeit eine gefakte Version der Realität
unterzujubeln, so Welch («State of Confusion: Political Manipulation
and the Assault on the American Mind»).

Der Wortgeschichte von Gaslighting ging der langjährige
Journalismus-Professor Ben Yagoda im Jahr 2017 auf den Grund. Demnach
spielten in den 50ern einige Sitcoms auf das fiese Vorgehen von
Boyers Figur aus dem Hollywood-Film von 1944 an. Der Übergang vom
Fernseh-Gag in die Wissenschaft geschah in den 60ern. Als Verb kam
«to gaslight» wohl erstmals bei dem Anthropologen Anthony F. C.
Wallace vor («Culture and Personality», 1961).

In die Alltagssprache gelangte das Wort in den 80ern. Er selbst habe
es erstmals 1989 gehört, als er die 19-jährige Uma Thurman für den
«Rolling Stone» interviewt habe, schrieb Yagoda. In den allgemeinen
Sprachgebrauch integriert wurde Gaslighting aber erst in den letzten
rund acht Jahren. Den Schub brachte Trump - der 2024 nach wie vor
aktuell ist.

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