Rettungsdienst: Traumberuf oder Job am Limit? Von Janet Binder, dpa

Die Zahl der Beschäftigten im Rettungsdienst hat sich innerhalb von
zehn Jahren stark erhöht, die Ausbildung ist für viele attraktiv.
Dennoch wird von Engpassberufen gesprochen. Woran liegt das?

Neuenkirchen-Vörden (dpa/lni) - Hendrik Felsmann und David Klett
sitzen in einem Rettungswagen, sie haben die Nachricht über einen
Verkehrsunfall erhalten: Eine schwer verletzte Person ist nicht
ansprechbar, die Lunge ist kollabiert. Die gestellte Einsatzszenerie
ist eine von mehreren an diesem Tag für die Notfallsanitäter im
dritten Ausbildungsjahr. Felsmann zerschneidet den Pullover der
lebensechten Übungspuppe, Klett setzt eine Nadel in die Brust. «Die
überflüssige Luft muss nach draußen aus dem Körper entweichen», s
agt
Felsmann später.  

Ihr Rettungswagen steht in der «Rettarena» auf dem Schulungsgelände
des Malteser-Hilfsdienstes. Der Verkehrsunfall ist in der Halle in
Neuenkirchen-Vörden (Landkreis Vechta) realitätsnah mit einem Auto
aufgebaut. In der 2007 errichteten «Rettarena» können bis zu 75 Lagen

trainiert werden, vom Dachdeckerunfall bis zum Grillunfall im
Schrebergarten.

Während Felsmann und Klett den Einsatz an der Puppe proben, sitzt
Schulungsleiter Frank Scheinichen im Kontrollraum und verfolgt die
Videoübertragung am Bildschirm. «Früher haben wir in einem
Seminarraum mit vier Stühlen ein Auto nachgestellt. Jetzt kann eine
Person aus einem echten Auto gerettet werden», sagt Scheinichen. Auch
andere Rettungsdienste wie das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die
Johanniter in Hannover haben solche Trainingsanlagen. 

Die Ausbildung zum Notfallsanitäter oder zur Notfallsanitäterin liegt
hoch im Kurs: «Wir haben teilweise bis zu 80 Bewerber für fünf
Ausbildungsplätze», sagt Scheinichen. Nach Angaben des Statistischen
Bundesamtes nahm die Zahl der hauptamtlich im Rettungsdienst
Beschäftigten innerhalb von zehn Jahren bis 2021 um 71 Prozent zu. In
der Stadt Bremen stieg die Zahl im selben Zeitraum um 64 Prozent. 

«Es ist einer der tollsten Jobs, die man machen kann, wenn man
Menschen helfen möchte», betont Hendrik Felsmann, der zuvor in einer
Bank tätig war. Der 39-Jährige hatte erst ehrenamtlich, dann
hauptberuflich als Rettungssanitäter gearbeitet. Notfallsanitäter
haben die höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst, die
Ausbildung dauert drei Jahre. Rettungssanitäter benötigen eine
13-wöchige Qualifikation. Beide Berufe bilden ein Team im
Rettungswagen. 

Trotz der starken Zunahme stuft die Bundesagentur für Arbeit
Rettungsberufe weiterhin als sogenannte Engpassberufe ein. «Das
Problem ist, dass die Verweildauer im Beruf nicht lange ist», sagt
Scheinichen. «Viele gehen nach etwa sieben Jahren.» Grund seien die
hohen körperlichen und psychischen Belastungen im Arbeitsalltag,
betont Annette Klausing vom Verdi-Landesbezirk Niedersachsen/Bremen.
Die Einsatzzahlen steigen, und wegen des Schichtdienstes leiden viele
irgendwann an Herz-Kreislauf-Erkrankungen. «Die Arbeitsbedingungen
müssen verbessert werden», sagt die Gewerkschaftssekretärin. 

Dafür bräuchte es kürzere Arbeitszeiten. Wegen der
Bereitschaftszeiten lägen die Wochenarbeitszeiten teilweise bei bis
zu 48 Stunden. «Bereitschaft ist keine Erholungszeit, man ist immer
in Erwartung, dass es sofort losgeht», so Klausing. Für Dienstag rief
Verdi bundesweit zu Protestkundgebungen unter dem Motto «Lebensretter
in Not» gegen überlange Arbeitszeiten auf. Wer nicht aus dem Beruf
abwandere, versuche häufig das Problem durch Teilzeit abzumildern,
sagte Klausing. «Die Folge ist, dass Rettungswachen ihre Fahrzeuge
nicht mit Personal besetzen können», sagt Scheinichen. 

Im Land Bremen sind nach Angaben des Innenressorts zurzeit im
Rettungsdienst keine Stellen unbesetzt. Aber wegen der hohen
Fluktuation bedürfe es großer Anstrengungen, laufend genügend
Personal zu gewinnen und zu halten, teilte das Innenressort mit.
Zurzeit werde eine Initiative geprüft, um die Lebensarbeitszeit
herabsetzen zu können. Das niedersächsische Innenministerium verweist
auf die kommunalen Träger und Hilfsorganisationen, die für die
ausreichende Vorhaltung, Ausbildung und Einstellung des Personals im
Rettungsdienst verantwortlich seien. Es lägen keine Erkenntnisse zu
den jeweiligen Personalbedarfen vor, heißt es aus dem Ministerium. 

Der Gewerkschaft Verdi aber ist klar: «Es fehlen Fachkräfte.» Und
solange die Strukturen nicht verbessert würden, müssten zunächst mehr

Ausbildungsplätze geschaffen werden, sagt Klausing. Über die Anzahl
entscheiden aber nicht die Rettungsdienste, sondern die
Krankenkassen, die die Finanzierung übernehmen. 

Die beiden Auszubildenden Hendrik Felsmann und David Klett stehen
kurz vor ihren Abschlussprüfungen. Felsmann hat sich die Wahl seines
Berufes gut überlegt, es ist immerhin sein zweiter: «Man muss zwar
definitiv belastbar sein und stets einen kühlen Kopf bewahren, weil
jede Entscheidung, die man trifft, eine Konsequenz hat. Aber dafür
ist der Beruf vielseitig und spannend.»

 

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