Genug Stimmen für Corona-Ausschuss? - AfD zeigt sich zuversichtlich Von Jens Albes, dpa

Ein Untersuchungsausschuss gilt als das «schärfste Schwert der
Opposition». Nun will es die AfD im Landtag schwingen. Ergebnisoffene
Aufklärung oder Rechtspopulismus? Die Meinungen gehen auseinander.

Wiesbaden (dpa/lhe) - Die AfD-Opposition im hessischen Landtag
erwartet nach eigenen Angaben den Start eines
Corona-Untersuchungsausschusses in der zweiten Hälfte dieses Jahres.
Sie sei zuversichtlich, dass bis diesen Mittwoch (24.4.) genug
Stimmen für ihren entsprechenden Antrag zusammenkämen, sagt ihr
Sprecher Aljoscha Harmsen. An diesem Tag plant die AfD-Fraktion in
Wiesbaden eine Pressekonferenz zu dem Thema.

Kein Abgeordneter der anderen Fraktionen von CDU, SPD, Grünen und FDP
hat bisher Zustimmung signalisiert. Für den Ausschuss sind mindestens
27 Stimmen nötig. Zwar hat die AfD bei der Landtagswahl im
vergangenen Oktober 28 Mandate errungen. Doch die größte
Oppositionsfraktion zählt inzwischen nur noch 26 Mitglieder. Den
Abgeordneten Sascha Herr hat sie nicht aufgenommen unter Verweis auf
Kontakte zu Neonazis, die er selbst bestreitet. Dirk Gaw hat die
AfD-Fraktion verlassen - sie sei ihm zu radikal geworden. Sascha Herr
unterstützt Medien zufolge aber auch als fraktionsloser
Parlamentarier einen Corona-Ausschuss. Er war vorerst nicht für eine
Stellungnahme zu erreichen. 

Die Dauer des angestrebten ersten Untersuchungsausschusses der neuen
Wahlperiode ist laut Fraktionssprecher Harmsen unklar: «Es besteht
die Möglichkeit, dass uns der Ausschuss die gesamte Legislaturperiode
begleitet.» Die stellvertretende Landtagssprecherin Jasmin Gruner
erinnert «zur Veranschaulichung der zeitlichen Abläufe»
beispielsweise an den früheren Untersuchungsausschuss zum
rassistischen Anschlag von Hanau mit neun Toten in der vergangenen
Wahlperiode: Hier hat es in zweieinhalb Jahren 42 Sitzungen gegeben.

Laut Harmsen könnten in einem wohl 15-köpfigen Corona-Ausschuss gemä
ß
den Mehrheitsverhältnissen im Landtag sechs Abgeordnete der CDU, je
drei von SPD und AfD sowie zwei Grüne und ein FDP-Parlamentarier
sitzen. Bei der Frage des Vorsitzes sei eine Einigung der Fraktionen
nötig. CDU und SPD stellen in Hessen die neue Landesregierung.

Der Grünen-Fraktion zufolge haben bei der Corona-Pandemie
Wissenschaft und Politik auf Grundlage des damaligen Wissens
gehandelt: «Hinterher ist man immer schlauer. Für diese Erkenntnis
braucht es allerdings keinen Untersuchungsausschuss.» Ein solches
Gremium drohe «ein Forum für rechtspopulistisches oder rechtsextremes
Gedankengut mit den damit verbundenen Verschwörungstheorien zu
werden».

AfD-Fraktionssprecher Harmsen weist das zurück: Es gehe
«ergebnisoffen» um Aufklärung und nicht um einseitige
Schuldzuweisung. Ziel sei es, «mit dem größtmöglichen Werkzeugkoffe
r
die Vergangenheit aufzuarbeiten» und zu klären, «welche
Entscheidungen auf welcher Grundlage getroffen worden sind». 

Eine parlamentarische Enquetekommission wäre laut Harmsen eher in die
Zukunft gerichtet und hätte weniger Möglichkeiten der Aufklärung:
«Ein Untersuchungsausschuss ähnelt dagegen eher einem
Gerichtsverfahren. Er kann zum Beispiel Zeugen auch unter Eid
aussagen lassen.» Tatsächlich gilt ein Untersuchungsausschuss als das
«schärfste Schwert der Opposition», auch weil ihn eine
parlamentarische Minderheit durchsetzen kann.