Marihuana-Rauchen vor Spätis und im Park? Von Andreas Rabenstein, dpa

Cannabis wird erlaubt - aber viele Fragen sind offen. Kneipen und
Polizei müssen sich erst mal an die neuen Regeln gewöhnen. Was ändert

sich konkret in Berlin?

Berlin (dpa/bb) - Schon bisher war Berlin für Cannabis-Freunde ein
beliebtes Ziel. Bislang durfte man 15 Gramm Marihuana besitzen, ohne
strafrechtliche Folgen fürchten zu müssen. Zu kaufen gab es Marihuana
illegal in Parks und über Internet-Messenger per Lieferung durch
Kuriere. Eher unbekümmert wurden manche Joints bei Partys und in
Parks geraucht, auch auf Schwimmbad-Liegewiesen gab es deswegen
keinen Ärger.  Mit dem neuen Gesetz sind nun ab Montag Besitz und
Anbau bestimmter Mengen für den privaten Konsum sowie das öffentliche
Rauchen von Marihuana durch Erwachsene erlaubt. 

Was sieht das Cannabis-Gesetz vor?

Erwachsene dürfen bis zu 25 Gramm getrocknete Pflanzen zum
Eigenkonsum besitzen und im öffentlichen Raum dabeihaben. In der
privaten Wohnung kann man bis zu 50 Gramm aufbewahren. Angebaut
werden dürfen dort auch gleichzeitig drei Pflanzen. Die
Bundesregierung schreibt: «Ab Inkrafttreten am 1. April 2024 können
Erwachsene in Deutschland legal einen Joint rauchen.» Für
Minderjährige bleibt der Besitz verboten.

Wie kommt der «Kiffer» an sein Marihuana?

Nach dem Gesetz gibt es dafür nur zwei Möglichkeiten: Er baut selber
Cannabis an oder wird Mitglied in einem Anbauverein, wo Cannabis ab
1. Juli in größeren Mengen angepflanzt werden darf. Will jemand
beides nicht, kann er legal nicht an Cannabis gelangen. Berliner
Gelegenheits-Konsumenten und Touristen werden also weiterhin wohl bei
ihren Stammverkäufern oder den Dealern in Parks kaufen. Das gilt
besonders für die nächsten Monate, bis die Clubs loslegen können. Ob

das Vorhaben der Bundesregierung, mit dem Gesetz den kriminellen
Schwarzmarkt einzudämmen, so funktioniert, ist noch offen.

Wie werden die Cannabis-Anbauvereine organisiert?

Über diese Vereine können die Konsumenten an Cannabis in Reinform
kommen, also an getrocknete Blüten (Marihuana) oder Harz (Haschisch).
Bis zu 500 Mitglieder können Cannabis anbauen und untereinander
abgeben. Die Clubs dürfen nicht kommerziell sein und brauchen eine
Erlaubnis. Der Verkauf ist verboten. 

Wo darf in Berlin Marihuana geraucht werden und wo nicht? 

Erlaubt ist Cannabis-Rauchen für Erwachsene privat und in der
Öffentlichkeit - allerdings mit Einschränkungen. Verboten ist das
Kiffen «in unmittelbarer Nähe» von Kindern und Jugendlichen, außerd
em
tagsüber in Fußgängerzonen, Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen,

auf Spielplätzen und Sportplätzen «und in deren Sichtweite».
Definiert wird Sichtweite «in der Regel in einem Bereich von 100
Metern um den Eingangsbereich der genannten Einrichtungen».  

Wie sieht es mit den Kneipen, Restaurants und Clubs aus?

Marihuana-Rauchen ist gesetzlich für die Gastronomie mit dem Rauchen
von Zigaretten vergleichbar. Mit wenigen Ausnahmen gilt in Berlin ein
Rauchverbot in Kneipen, Clubs und Restaurants. Dort sind auch Joints
verboten. Allerdings wird in manchen Kneipen und Clubs das Rauchen
trotzdem hingenommen - wie diese Betreiber künftig mit Joints
umgehen, ist offen. Erlaubt ist das Rauchen von Zigaretten draußen
vor Kneipen, Spätis und in Biergärten. Dort können Wirte den Konsum
von Cannabis selber regeln und verbieten oder erlauben. Möglich ist,
dass Berliner Kneipen für die Regeln draußen Schilder aufhängen oder

Aufkleber platzieren.

Wie sollen die Regeln kontrolliert werden? 

Das ist eine schwierige Frage. Vor allem in den Berliner
Innenstadtbezirken mit dichter Bebauung gibt es nach Grafiken im
Internet nicht so viele Orte, die mehr als 100 Meter von Kitas,
Spielplätzen und Schulen entfernt sind. In einigen Parks wie dem
Tiergarten, dem Tempelhofer Feld, dem Treptower Park oder am
Spreeufer in Friedrichshain sowie in manchen Straßen sind die
Abstände groß genug, aber vor allem Besucher von auswärts können da
s
kaum einschätzen. 

Werden Verstöße bestraft? 

Das Ignorieren des Abstands ist keine Straftaten, sondern nur eine
Ordnungswidrigkeit mit Geldstrafen, so wie etwa falsches Parken. Das
heißt, die Polizei kann das ahnden, muss es aber nicht. Zuständig
sind auch die Ordnungsämter. Ob also in der Praxis tatsächlich alle
Cannabis-Konsumenten an warmen Sommertagen und -abenden die Abstände
einhalten oder ob auch nahe Spielplätzen und Schulen gekifft wird,
muss sich erst zeigen. 

Was sagt die Berliner Polizei dazu?

Innensenatorin Iris Spranger (SPD) sieht «erhebliche Probleme».
Polizeipräsidentin Barbara Slowik sagte, einerseits verlange das
Gesetz den Schutz von Minderjährigen. Andererseits seien die
Kontrollen in der Praxis sehr schwierig, in fast jeder Straße seien
tagsüber auch Kinder und Jugendliche unterwegs. «Es ist doch ein
erheblicher Aufwand für die Polizei und die Strafverfolgung und
Verkehrssicherheit.» Eine Arbeitsgruppe der Polizei soll klären, wie
die Auswirkungen des Gesetzes in der Praxis sind. Man wolle den
Polizisten «die notwendige Handlungssicherheit» geben. 

Was kommt mit dem Gesetz auf die Berliner Justiz zu?

Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) sieht vor allem in der
Amnestieregelung für Altfälle ein Problem. Rund 3500 Verfahren
müssten einzeln durchgesehen werden, ob die rechtskräftigen Urteile
ganz oder teilweise unter die beabsichtigte Amnestie fallen. Diese
Arbeit müssten die ohnehin stark belasteten Staatsanwälte neben ihrer
normalen Arbeit erledigen. Manche Strafen müssten neu berechnet
werden. Das müsse die Staatsanwaltschaft bei Gericht beantragen - und
der Verurteilte angehört werden. 

Darf man nach dem Cannabis-Rauchen Autofahren? 

Autofahren im berauschten Zustand ist schon jetzt verboten. Ein
Grenzwert für den Wirkstoff THC im Blut soll für den Straßenverkehr
noch festgelegt werden - ähnlich wie die 0,5-Promille-Grenze für
Alkohol. 

Wird es irgendwann Cannabis in normalen Geschäften zu kaufen geben? 

Eine geplante zweite Säule der Legalisierung, bei der es um
Modellprojekte mit lizenzierten Geschäften geht, ist noch in der
Planung.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite