Entlastungsplan für die Hausarztpraxen Von Sascha Meyer, dpa
Mal sind es längere Wartezeiten. Mal findet sich auf dem Land keine
Nachfolge für eine Praxis: Das Gesundheitsnetz ist vielerorts
angespannt. Kann da ein Mix aus mehreren Maßnahmen helfen?
Berlin (dpa) - Entlastungen für Hausarztpraxen, neue
«Gesundheitskioske», mehr Transparenz zu Leistungen von
Krankenkassen: Die Versorgung für Patientinnen und Patienten vor Ort
soll nach Gesetzesplänen der Ampel-Koalition stärker abgesichert
werden. Nicht überall in Deutschland hätten Menschen die gleichen
Chancen, ihre Ansprüche auf Beratung, Präventionsangebote und
Versorgung zu verwirklichen, heißt es in einem Entwurf des
Gesundheitsministeriums, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Von Patientenschützern, Opposition und Kassen kommt Kritik.
Minister Karl Lauterbach (SPD) hatte die Gesetzespläne bereits nach
einem Treffen mit Ärztevertretern angekündigt. Der
Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sagte der dpa, damit stehe
endlich auch eine Verbesserung der Praxisversorgung und eine Stärkung
der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte an. «Viele Arztpraxen
arbeiten am Limit.» Darunter leide die immer älter werdende
Bevölkerung. «Das zeigt sich bei der Suche nach Facharztterminen in
Städten inzwischen ebenso wie bereits bei der hausärztlichen
Versorgung auf dem Land.» Die überfälligen Strukturreformen dürften
im Kabinett nun auf keinen Fall weiter verzögert oder gar blockiert
werden.
- Hausärzte: Kommen sollen Verbesserungen für Hausärztinnen und
Hausärzte, um die Versorgung «auch künftig flächendeckend
sicherzustellen», wie es im Entwurf heißt. Konkret sollen
Vergütungs-Obergrenzen (Budgets) wegfallen wie schon bei
Kinderärzten. Zudem soll eine jährliche «Versorgungspauschale» fü
r
die Behandlung chronisch Kranker eingeführt werden, die ständig
Medikamente bekommen. Das soll Praxisbesuche nur zum Rezept holen
vermeiden und mehr Behandlungsfreiräume schaffen. Geplant ist daneben
eine «Vorhaltepauschale», wenn Praxen bestimmte Kriterien erfüllen,
etwa bei Haus- und Pflegeheimbesuchen oder Öffnungszeiten.
- «Gesundheitskioske»: In Regionen und Stadtteilen mit vielen sozial
benachteiligten Menschen sollen leicht zugängliche Beratungsstellen
für Behandlung und Prävention entstehen können - auf Initiative der
Kommunen, geleitet von einer Pflegekraft und etwa auch in bestehenden
Räumen oder in Bussen. Geschätzte jährliche Kosten pro Kiosk: 400 000
Euro. Tragen sollen das zu 74,5 Prozent die gesetzlichen Kassen, zu
5,5 Prozent die private Krankenversicherung und zu 20 Prozent die
jeweilige Kommune. Im Jahr 2025 könnte es bundesweit 30 Kioske geben,
bis 2028 dann etwa 220.
- Jugendliche: Verbessert werden sollen laut Entwurf auch
psychotherapeutische Angebote für Kinder und Jugendliche. Dazu soll
für Planungen des Bedarfs eine neue eigene Arztgruppe gebildet
werden. Dies ermögliche «eine zielgenauere Steuerung der
Niederlassungsmöglichkeiten» für entsprechende Praxen.
- Ärzte-Nachwuchs: Geplant ist eine Förderung, um zu mehr
Medizinstudienplätzen zu kommen. Zuständig sind eigentlich die Länder
- künftig sollen aber für jeden vom Land finanzierten Platz noch zwei
weitere Studienplätze finanziert werden. Und zwar über einen neuen
Fonds, der aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds - der
Geldsammelstelle der gesetzlichen Krankenkassen - gespeist werden
soll. Ziel soll sein, bis zu 3100 Studienplätze dauerhaft mit je 35
000 Euro pro Jahr zu fördern.
- Transparenz: Für gesetzlich Krankenversicherte und
Pflegeversicherte soll ein übersichtliches digitales Informations-
und Vergleichsangebot geschaffen werden, wie es im Entwurf heißt.
Abrufbar sein sollen dort etwa Zahlen zu Genehmigungen, Ablehnungen
und Widersprüchen bestimmter Kassenleistungen - aber auch zur
Bearbeitungsdauer und zur Qualität von Beratungs- und
Unterstützungsangeboten.
Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband begrüßte, dass Lauterbach
handeln will. Sonst würde die hausärztliche Versorgung absehbar
zusammenbrechen. Um das zu vermeiden, müssten die Kassen das nötige
Geld in die Hand nehmen. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz
bezweifelte, dass eine Jahrespauschale für die Praxen für chronisch
Kranke tatsächlich zu weniger Arztbesuchen führt. Diese Patienten
hätten unterschiedlichste Symptomen und kämen nicht nur für Rezepte.
«Öfter im Jahr den ärztlichen Rat einzuholen, liegt somit auf der
Hand», sagte Vorstand Eugen Brysch. Ein Problem sei auch, dass es bei
der Erreichbarkeit per Telefon oder E-Mail hapere.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen
kritisierte, es handele sich vor allem um ein
«Ausgabensteigerungsgesetz». Die Finanzierung von Unis sei eine
Kernaufgabe des Staates. Gebot der Stunde sei eine gerechtere
Verteilung der Honorare zwischen den Arztgruppen statt einer extra
Erhöhung über die jährlichen Anhebungen hinaus. Allein der Wegfall
der Honorar-Limits dürfte laut Entwurf zu Mehrausgaben in
dreistelliger Millionenhöhe führen. Linke-Bundesgeschäftsführer Ate
s
Gürpinar monierte, es reiche nicht, einzelne Praxen besser
auszustatten, wenn es vor allem in finanzschwachen Stadtteilen zu
wenige Praxen gibt.
Diskussionen zeichnen sich noch zu einem anderen Aspekt ab - dem von
Lauterbach angekündigten Aus für Homöopathie auf Kassenkosten. Dem
Wegfall einer entsprechenden Passage im Entwurf stehe er kritisch
gegenüber, sagte der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann den
Zeitungen der Mediengruppe Bayern. Das Ministerium kommentierte den
Entwurf wegen regierungsinterner Beratungen nicht - erklärte aber,
Lauterbach halte an seinem Plan fest, homöopathische Leistungen und
Arzneimittel als mögliche Kassen-Zusatzleistungen auszuschließen. Das
werde Thema der weiteren Beratungen auch im Parlament sein, sagte ein
Sprecher.
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