So steht es um die Cannabis-Legalisierung in Niedersachsen Von Sarah Knorr, dpa

Wenn es nach den Plänen der Bundesregierung geht, wird das Rauchen
eines Joints bald legal sein. Das sollten Menschen in Niedersachsen
zum Stand der Legalisierung wissen.

Hannover (dpa/lni) - Nach einem Beschluss des Bundestags soll
Cannabis demnächst in Deutschland legalisiert werden. Der Bundestag
hatte den Gesetzentwurf bereits im Februar beschlossen. Am Freitag
kommt es zur entscheidenden Bundesratssitzung. Zustimmungsbedürftig
ist der Bundestagsbeschluss nicht. Die Länderkammer könnte aber den
gemeinsamen Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und die
Pläne abbremsen.

Das ist der aktuelle Stand der Debatte über die Legalisierung in
Niedersachsen: 

Wann wird der Konsum von Cannabis legal?

Vom Bundestag beschlossen ist eine bundesweite Legalisierung zum 1.
April. Das Gesetz sieht keine komplette, sondern eine kontrollierte
Freigabe vor. Vorgesehen ist, dass die Vereinsmitglieder von
sogenannten Cannabis-Clubs (Social Cliubs) ab 1. Juli die Droge
gemeinschaftlich anbauen dürfen. «Wir halten es mittlerweile auch für

realistisch, dass es zu einer Verschiebung des Cannabisgesetzes
kommen wird», teile der Verband Mariana Cannabis Social Clubs
Deutschland mit. Gerechnet werde mit einer Verschiebung des Vorhabens
um mindestens drei Monate.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte am Mittwoch
allerdings, die Regierung werde dem Bundesrat eine Protokollerklärung
vorlegen, die unter anderem verstärkte Prävention und flexiblere
Umsetzungsregeln zusichere. Auf diese Weise solle die umstrittene
Legalisierung doch noch rechtzeitig auf den Weg gebracht werden. 

Wie viel Cannabis darf man künftig besitzen?

Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum soll erlaubt
sein. In der eigenen Wohnung sollen drei lebende Cannabispflanzen
legal werden und bis zu 50 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum.

Warum kommt überhaupt eine Legalisierung?

In der Drogenpolitik ist es eine Zäsur. Damit erkenne man endlich die
Lebenswirklichkeit vieler Menschen an und sorge ganz praktisch für
mehr Gesundheitsschutz, argumentierte der Bundesdrogenbeauftragte
Burkhard Blienert (SPD). Bisher steige der Konsum trotz des
bestehenden Verbots von Erwerb und Besitz besonders auch unter jungen
Menschen, heißt es im Gesetzentwurf. Cannabis vom Schwarzmarkt sei
zudem häufig von Verunreinigungen und Beimengungen betroffen. 

Sind in Niedersachsen konkrete Verbote geplant? 

Bundesweit soll es in einigen Bereichen nicht gestattet sein, einen
Joint zu rauchen. Das gilt etwa an Schulen, Spielplätzen sowie
Kinder- und Jugendeinrichtungen. Auch im Umkreis von 100 Metern um
den Eingangsbereich ist der Konsum tabu. Von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr
soll Cannabis zudem in Fußgängerzonen verboten sein. 

In Hannover gibt es einer Sprecherin der Stadt zufolge bislang keine
Regelungen, die über die Vorgaben des Bundes hinaus gehen. «Die Stadt
erachtet die bisherigen Einschränkungen zunächst als ausreichend und
behält sich eine weitere Diskussion darüber nach den ersten
Erfahrungswerten vor», sagte die Sprecherin. Wenn es keine
Veränderung des Gesetzes gebe, gelte demnach künftig die gleichen
Vorgaben für Tabak- und Cannabisprodukte. 

In Braunschweig ist bislang nicht klar, ob es Einschränkungen geben
soll, wo künftig Joints geraucht werden dürfen. Nach Angaben eines
Sprechers hat die Stadt noch keine Vorbereitungen dazu getroffen.
Gleiches gilt einer Sprecherin zufolge auch in Oldenburg.

Wie viele Menschen konsumieren eigentlich Cannabis in Niedersachsen? 

Die niedersächsische Landesstelle für Suchtfragen gibt an, dass laut
einer Erhebung von 2021 rund 430 000 Erwachsene in Niedersachsen in
den zurückliegenden zwölf Monaten mindestens einmal Cannabis
konsumiert haben. Bundesweit ist von 4,5 Millionen Menschen im
gleichen Zeitraum die Rede. Insgesamt leben in Niedersachsen rund 8,1
Millionen Menschen. 2022 suchten laut Suchthilfestatistik knapp 9000
Menschen aufgrund einer Cannabiskonsumproblematik eine der 75
Suchtberatungsstellen im Land auf.

Gibt es Anbauvereine in Niedersachsen und Bremen?

Nach Angaben des Deutschen Hanfverbands gibt es derzeit noch keine
konkreten Zahlen, wie viele Anbauvereine in Niedersachsen und Bremen
existieren. So gebe es viele Initiativen in verschiedenen Stadien,
von losen Netzwerken bis hin zu eingetragenen Vereinen. 

Der Verband Mariana Cannabis Social Clubs Deutschland teilte mit, er
betreue Clubs in Städten wie Hannover, Braunschweig, Oldenburg und
Wolfsburg. Nach eigenen Angaben gibt es in Niedersachsen rund 2000
Mitglieder. Auch im kleinsten Bundesland Bremen gebe es Clubs. Vom
Verband hieß es, dass es nach jetzigem Stand in einer Stadt auch
mehrere Anbauvereine geben könne. Das Cannabisgesetz diene jedoch als
Grundgerüst, weswegen die Behörden der Bundesländer auch eigene
Verordnungen erlassen könnten, beispielsweise mit Blick auf die
Maximalmenge an Clubs, abhängig von der Einwohnerzahl.

Wie steht es um regionale Modellprojekte?

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wird zudem die Einrichtung
von Modellprojekten zur Abgabe von Cannabis in lizenzierten
Geschäften erwähnt. Diese zweite Säule hängt vorerst in der
Warteschleife. Nach Angaben der Sprecherin der Landeshauptstadt hat
Hannover Interesse, an den regionalen Modellprojekten teilzunehmen.
Allerdings gebe es zurzeit keine Informationen, wann sich Großstädte
dafür bewerben könnten und in welchem Zeitraum das Modellprojekt
durchgeführt werden sollten. In Braunschweig und Oldenburg hingegen
ist eine Teilnahme vorerst nicht geplant.

Nach Worten von Georg Wurth, Geschäftsführer des Deutschen
Hanfverbands, sind diese Modellversuche derzeit nicht relevant, weil
sie zur zweiten Säule der Cannabisreform gehörten. Es sei im Moment
völlig unklar, ob es noch in dieser Legislaturperiode zu den
Modellprojekten kommen werde, sagte Wurth.

Welche Kritik gibt es an dem Gesetz?

Kritik an dem Gesetz gibt es von mehreren Seiten. Martina Wenker,
Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen, sagte, dass das Gesetz ein
Fehler sei: «Die Legalisierung des Cannabiskonsums wird in
Deutschland zu mehr Suchterkrankungen führen.» Dies sei aus Studien
abzulesen, die Legalisierungen in anderen Ländern begleiteten. Zudem
übte sie Kritik an den geplanten Präventionsmaßnahmen, die nicht
konkret genug seien.  

Auch aus den Reihen der niedersächsischen Landespolitik wurde vor dem
Beschluss gewarnt. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens
(SPD) sagte in der jüngsten Vergangenheit etwa, dass der
Gesetzentwurf der Ampel «Murks» sei und ein schlechter Kompromiss.
Die Kontrollen zu den Cannabis-Clubs für die Polizei und die
Ordnungsbehörden sind aus Sicht von Behrens nicht praktikabel
umsetzbar. Bedenken äußerte die Innenministerin ebenfalls bei der
Sicherheit im Straßenverkehr. Zudem werde durch das Gesetz der
Schwarzmarkt nicht ausgetrocknet.

Auch Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) hatte zuletzt Kritik
geäußert. In einem Brief an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach
(SPD) forderte sie, die geplante Amnestieregelung für verurteilte
Händler oder Konsumenten von Cannabis zu streichen oder zu
verschieben. Sie halte den 1. April für zu kurzfristig, um die
Regelung durch die Justiz umzusetzen.