Biontech-Gewinn bricht ein mit Folgen für Kommunen - Blick nach vorne Von Christian Schultz, dpa
Biontechs Geschäft mit Covid-19-Impfstoff ist ein Schatten früherer
Jahre. Während das Unternehmen an seiner Zukunft baut, müssen einige
Städte mit Einbrüchen bei Steuereinnahmen kämpfen.
Mainz (dpa/lrs) - Es ist ein Beispiel dafür, wie vieles miteinander
zusammenhängen kann: Das schrumpfende Geschäft mit Covid-19-Impfstoff
lässt Gewinn und Umsatz von Biontech einbrechen. Das treibt nicht nur
das Mainzer Unternehmen um, das längst mit Milliarden für Forschung
und Entwicklung auf eine Zukunft vor allem mit Medikamenten gegen
Krebs und Infektionskrankheiten setzt. Es beschäftigt auch
Kommunalpolitiker und Landespolitiker in Rheinland-Pfalz. Denn die
Entwicklung von Biontech im Jahr 2023 lässt die kommunalen
Steuereinnahmen als Ganzes und die der Unternehmensstandorte Mainz
und Idar-Oberstein im Besonderen nach unten rauschen.
Im Jahr 2023 stand bei Biontech am Ende ein Nettogewinn von 930,3
Millionen Euro zu Buche. Das war deutlich weniger als die 9,4
Milliarden Euro im Jahr davor. Der Umsatz lag 2023 bei 3,8 Milliarden
Euro nach 17,3 Milliarden im Vorjahr. Biontech verwies unter anderem
auf Wertberichtigungen von Impfstoff-Vorräten durch den US-Partner
Pfizer. Für das laufende Jahr 2024 erwarten die Mainzer einen Umsatz
zwischen 2,5 Milliarden und 3,1 Milliarden Euro.
Die nackten Zahlen zeigen, wie viel kleiner das Geschäft mit dem in
der Pandemie weltbekannt gewordenen Vakzin mittlerweile ist. 2023
lieferten Biontech und Pfizer weltweit mehr als 400 Millionen
Covid-19-Impfstoffdosen aus. Im Vergleich dazu waren 2022 noch rund 2
Milliarden Dosen in Rechnung gestellt worden, 2021 sogar 2,6
Milliarden.
Steuereinnahmen in Mainz und Idar-Oberstein rauschen in den Keller
Die Rückgänge bei Umsatz und Gewinn bei Biontech hinterlassen tiefe
Spuren in den Haushalten von Städten mit einem Biontech-Standort. In
Rheinland-Pfalz sind das die Landeshauptstadt Mainz mit der
Unternehmenszentrale sowie Idar-Oberstein. Erst am Dienstag hatte das
Statistische Landesamt Rheinland-Pfalz frische Zahlen zu den
kommunalen Steuereinnahmen für 2023 veröffentlicht. Demnach nahmen
die Gemeinden und Städte im Land rund 5,9 Milliarden Euro Steuern
ein, etwa 13 Prozent weniger als 2022, als die Einnahmen allerdings
auch stark gewachsen waren.
Der Rückgang lässt sich nach Angaben der Statistiker fast
ausschließlich durch ein um 29 Prozent niedrigeres
Gewerbesteuernettoaufkommen erklären. Wie in den Vorjahren hätten die
Zahlen aus Mainz die Entwicklung der Gewerbesteuereinnahmen insgesamt
stark geprägt. Hier sackten die Einnahmen im Vergleich zu 2022 um
knapp 1,04 Milliarden Euro beziehungsweise 83 Prozent auf rund 217
Millionen Euro ab. Ähnlich das Bild in Idar-Oberstein: Hier ging es
mit dem Gewerbesteueraufkommen um 89 Millionen Euro oder 58 Prozent
nach unten.
Biontech steigert Ausgaben für Forschung und Entwicklung
Biontech will seine onkologische Forschung forcieren und 2026 sein
erstes Krebsmedikament auf den Markt bringen. Zuletzt seien
zahlreiche klinische Fortschritte erzielt worden, sagte
Unternehmenschef Ugur Sahin bei der Vorstellung der Geschäftszahlen.
Es gebe eine Reihe an Wirkstoffkandidaten in der mittleren und späten
klinischen Entwicklung. Bis 2030 streben die Mainzer Zulassungen in
zehn Indikationen an.
Damit die Entwicklung weg vom Fokus auf Covid-19-Impfstoffe hin zu
Krebsmedikamenten gelingt, schraubt Biontech seine Ausgaben für
Forschung und Entwicklung nach oben. 2023 gab das Unternehmen rund
1,8 Milliarden Euro dafür aus. Davon floss der Löwenanteil mit 1,47
Milliarden Euro in die Entwicklung onkologischer Präparate sowie von
Medikamenten gegen Infektionskrankheiten. Lediglich 313 Millionen
Euro wurden für Covid-19-Forschung ausgegeben. 2022 hatten die
Forschungsausgaben insgesamt bei 1,5 Milliarden gelegen, 2024 sollen
es nun zwischen 2,4 Milliarden bis 2,6 Milliarden Euro werden.
In der Onkologie laufen derzeit nach Biontech-Angaben 22 klinische
Studien, davon seien sieben Programme fortgeschritten in den Phasen 2
und 3. Vergleichsweise weit sind die Mainzer nach eigenen Angaben bei
Therapien für Patientinnen und Patienten mit einem bestimmtem
Brustkrebs-Typ, Bauspeicheldrüsen- und Lungenkrebs. Bei den
Infektionskrankheiten startete Biontech 2023 klinische Testungen für
Impfstoffkandidaten gegen Malaria, Tuberkulose und Mpox. Letzteres
wurde früher Affenpocken genannt.
Eli Lilly lockt Politprominenz nach Alzey
«Wir gehen davon aus, dass unser Covid-19-Impfstoffgeschäft auch 2024
weiterhin eine wichtige Einnahmequelle bleiben wird», sagte
Finanzvorstand Jens Holstein. «Wir sind davon überzeugt, dass unsere
solide finanzielle Position es uns ermöglichen wird, unsere
langfristige Strategie zur Entwicklung innovativer Therapien gegen
Krebs, Infektionskrankheiten und andere schwere Erkrankungen
voranzutreiben.»
Eine Anfang dieses Jahres vorgestellte Studie zu Patentanmeldungen
für Innovationen im Kampf gegen Krebs machte hierzulande Merck,
Boehringer Ingelheim, BASF und Biontech als deutsche Topanmelder aus,
also drei Unternehmen mit einem Sitz in Rheinland-Pfalz. Die
Landesregierung arbeitet kräftig daran, sich als
Biotechnologie-Standort noch stärker ins Schaufenster zu stellen. Der
Landeskoordinator für Biotechnologie, Eckhard Thines, sagte Ende
Dezember der Deutschen Presse-Agentur: «Wir müssen mehr klappern.» Es
gebe hierzulande sehr renommierte Forschungseinrichtungen und sehr
namhafte Unternehmen. Das ist neben BASF, Boehringer Ingelheim,
Abbvie, Biontech bald auch Eli Lilly.
Der US-Pharmakonzern will ab 2024 in Alzey für mehr als zwei
Milliarden Euro eine neue Produktionsstätte für Medikamente, etwa
gegen Diabetes, errichten. Zum offiziellen Spatenstich werden am 8.
April unter anderem Bundeskanzler Olaf Scholz und
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) in Rheinhessen
erwartet.
Studie zum Biotech-Standort Rheinland-Pfalz sieht auch
Verbesserungsbedarf
Dass in der Biotechnologie Musik drin ist, zeigt auch die Tatsache,
dass die EU-Kommission eine Strategie für die Branche entwickelt hat.
In einem Statement von EU-Kommissarin Margrethe Vestager von Mittwoch
hieß es unter anderem: «Im Gesundheitswesen könnte die Biotechnologie
Behandlungen für Krankheiten ermöglichen, die wir für unheilbar
hielten.»
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie betonte in einer
Mitteilung, Biotechnologie sei als Zugpferd der Gesundheitsversorgung
zu begreifen. Sie sei ein echter Standortvorteil. Der Anteil
biotechnologisch hergestellter biologischer Arzneimittel, also
Biopharmazeutika, an innovativen Therapien steige kontinuierlich.
Allein in Deutschland arbeiten dem Verband zufolge 776 Unternehmen
mit rund 34 400 Mitarbeitenden in diesem Bereich.
Eine im vergangenen Juli und vom Land in Auftrag gegebene Studie kam
zu dem Schluss, dass Rheinland-Pfalz gute Voraussetzungen dafür habe,
um ein bedeutender Biotechnologie-Standort der Zukunft zu sein. Es
müsse sich dafür aber ordentlich strecken. Verbesserungsbedarf sah
die Ausarbeitung der Unternehmensberatung Roland Berger etwa bei der
Unterstützung von Gründern oder der Verfügbarkeit von Infrastruktur.
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