Ostfriesensport: Prignitzer wollen Boßeln in Brandenburg etablieren Von Christian Bark, dpa
Der Ostfriesensport Boßeln ist in Brandenburg nahezu unbekannt. In
der Prignitz wollen das zwei Gruppen aber ändern. Ein erstes
gemeinsames Turnier war der Auftakt dafür.
Goldbeck (dpa/bb) - Es hat etwas von Kegeln, nur dass es bei diesem
Sport keine Kegel gibt. Boßeln auf kilometerlangen Wegen und Straßen
ist in Ostfriesland eine Art Nationalsport. Und auch in Brandenburg
gibt es Menschen, die dem geselligen Kugelwerfen viel abgewinnen
können - etwa eine Boßelgruppe aus Breddin (Ostprignitz-Ruppin).
«Wir haben uns schon 1997 gegründet. Zum Boßeln sind wir durch unsere
Partnergemeinde Jeddeloh II im Ammerland gekommen», sagt
Gruppenmitglied Beate Nebelin. Bis zu 25 Leute boßeln seitdem in
Breddin mit, die Gruppe gehört keinem Verein an.
Zwischen September und Juni treffen sie sich, meist auf einer
Verbindungsstraße zwischen Breddin und Damelack, und werfen dort ihre
Kugeln. Die Strecke hin und zurück beträgt immerhin gut zehn
Kilometer. Zur Absicherung vor möglichem Autoverkehr stellen die
Boßeler dann ein Schild mit der Aufschrift «Spielstrecke» auf.
Kulturverein Burg Goldbeck vereint Boßeln mit Knieperkohl
Gleichgesinnte haben die Breddiner jetzt auf Burg Goldbeck bei
Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) gefunden. Der dort ansässige
Kulturförderverein hat sich Gedanken um neue Aktivitäten gemacht. «In
Norddeutschland findet Boßeln oft im Zusammenhang mit Grünkohlessen
statt. Bei uns wäre das dann der Knieperkohl», sagt Vorstandsmitglied
Christian Richter.
Durch einen Zeitungsartikel im Internet war er auf die Breddiner
Gruppe gestoßen und hatte sie nun zum ersten Knieperkohl-Boßeln nach
Goldbeck eingeladen. In vier Mannschaften ging es eine Kappstraße in
Richtung Wittstock knapp zwölf Kilometer hin und zurück. «Die Gruppe
mit den wenigsten Würfen auf der Strecke hat gewonnen», erklärte
Beate Nebelin. Dem Sieger winkte ein eigens geschreinerter
Wanderpokal.
Doch beim Boßeln, wie es die Breddiner betreiben, geht es weniger ums
Gewinnen, sondern mehr um Geselligkeit und Bewegung an der frischen
Luft. Mit speziellen Kugeln aus Gummi und Metallkern sowie selbst
gebauten Krabern, mit denen die Kugeln aufgelesen werden, ging es an
den Start. Zwei Mannschaften treten jeweils gegeneinander an. Die,
dessen Kugel die geringste Weite erzielt, hat wieder den nächsten
Wurf.
Dabei kommt es nicht nur auf Kraft an, sondern auch auf die
Beschaffenheit der Strecke. Schlaglöcher, Kurven und Pfützen bilden
unerwünschte Hindernisse. Nicht fehlen durfte Wegzehrung, die in
Bollerwagen mitgeführt wurde. «Dass hier verschiedene Generationen
mitmachen, ist besonders schön», sagte Beate Nebelin.
Bisher keine Sportvereine für das Boßeln in Brandenburg
Die Breddiner und Goldbecker entdeckten jedenfalls trotz des
Turniergedankens sofort ihre Sympathie füreinander und das Boßeln.
Beim anschließenden Knieperkohlessen wurde das Team «Bratwurst
Goldbeck» mit dem Pokal geehrt, es hatte die Strecke mit 64 Würfen
gemeistert. Der Einladung nach Breddin wollen die Goldbecker nun bald
folgen, wie Christian Richter sagte.
Boßeln ist in Brandenburg relativ unbekannt. Es gibt auch keine
Vereine dafür, wie Andreas Gerlach vom Landessportbund (LSB)
informiert. Auch als Sektion in einem der gut 3000 märkischen
Sportvereine ist Gerlach keine Boßelgruppe bekannt. «Wir sind auf das
Thema bisher auch noch nicht angesprochen worden, wären aber offen
für Ideen», sagt er.
Ganz anders sieht das in der Heimat des Boßelns, in Ostfriesland - in
Niedersachsen und Schleswig-Holstein - aus. Hier sind über 30 000
Menschen in gut 250 Vereinen organisiert, wie Helfried Goetz vom
Friesischen Klootschießer-Verband (FKV) erklärt. «Ursprünglich kam
das Boßeln wohl mal vom Kegeln. Die Bauern haben es hauptsächlich als
Zeitvertrieb im Winter nach der Ernte gespielt», sagt der
FKV-Vorsitzende.
Exilostfriesen tragen Boßeln in die ganze Welt
Der Sport werde seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
betrieben. Sein Heimatverein in Niedersachsen, der KBV «Frisch weg»
Wiesedermeer (Landkreis Wittmund), gehöre mit 125 Jahren zu den
ältesten in Ostfriesland. «Bei uns ist das aber kein reines
Freizeitvergnügen, sondern ein Leistungssport», betont Helfried
Goetz. Regional sei Boßeln dort teilweise stärker verbreitet als etwa
Fußball.
Der Sport sei auch in anderen Teilen Niedersachsens sowie in
Nordrhein-Westfalen mittlerweile bekannt und beliebt geworden. Selbst
in Berlin sei auf dem Tempelhofer Feld schon geboßelt worden. Hier
organisiert etwa der Ostfriesenverein Berlin das Boßeln. «Irgendwo
machen Exilostfriesen immer mal Lust auf den Sport», sagt Helfried
Goetz.
Ein bei ihm ortsansässiger Händler für Boßel-Zubehör habe sogar s
chon
Boßelkugeln bis nach Australien verschickt. Dass Boßeln nun auch in
Brandenburg Fans gefunden hat, freut den Ostfriesen. «Mehr
Popularität hilft uns auch, Boßeln endlich als immaterielles
Kulturerbe anerkennen zu lassen», sagt der FKV-Vorsitzende.
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