...) Mehr ausländische Beschäftigte für Deutschland? Von Basil Wegener, dpa

Die Regierung sieht fehlende Fachkräfte als zentrales Risiko für den
Wirtschaftsstandort Deutschland. Nun treten Regelungen in Kraft, die
mehr Nicht-EU-Bürger auf den Arbeitsmarkt locken sollen.

Berlin (dpa) - Mit der Aufenthaltsmöglichkeit für Ausländer aufgrund

berufspraktischer Erfahrung tritt an diesem Freitag ein Herzstück des
Gesetzes zur Fachkräfteeinwanderung in Kraft. «Fachkräfte mit
Abschluss und Berufserfahrung können dann auch ohne vorheriges
Anerkennungsverfahren einreisen und in Deutschland arbeiten», sagte
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) der Deutschen
Presse-Agentur in Berlin. Innenministerin Nancy Faeser und
Arbeitsminister Hubertus Heil (beide SPD) werteten den Schritt als
einen wichtigen Baustein, um der Fachkräftelücke in Deutschland etwas
entgegenzusetzen.

Denn Fakt ist: In vielen Berufsfeldern funktioniert der Arbeitsmarkt
in Deutschland seit Jahren nur dank Menschen mit ausländischen
Wurzeln. Vor allem in Reinigungsberufen (60 Prozent) und in der
Gastronomie (46 Prozent) gebe es überdurchschnittlich viele
Erwerbstätige mit Einwanderungsgeschichte, teilte das Statistische
Bundesamt am Freitag auf Basis von Zahlen für das Jahr 2022 mit.
Insgesamt hatte in dem Jahr demnach ein Viertel (25 Prozent) aller
Erwerbstätigen hierzulande im Alter von 15 bis 64 Jahren einen
Migrationshintergrund. Als Person mit Einwanderungsgeschichte wird
nach Angaben der Wiesbadener Behörde bezeichnet, wer seit dem Jahr
1950 selbst nach Deutschland eingewandert ist oder wessen beide
Elternteile seit dem Jahr 1950 eingewandert sind.

Berufserfahrung und Abschluss

Menschen aus Drittstaaten können künftig bereits dann in Deutschland
arbeiten, wenn sie mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und einen im
Herkunftsland staatlich anerkannten Berufs- oder Hochschulabschluss
haben. Sie müssen also noch keine in Deutschland anerkannte
Ausbildung vorweisen. Das soll Bürokratie einsparen und Verfahren
verkürzen. Das Arbeitsplatzangebot in Deutschland muss ein
Bruttojahresgehalt von mindestens 40 770 Euro zusichern - bei
Tarifbindung des Arbeitgebers genügt eine Entlohnung entsprechend dem
Tarifvertrag. 

Anerkennungspartnerschaft

Wenn die Berufsqualifikation weiterhin anerkannt werden muss - wie
etwa in vielen Gesundheits- und Pflegeberufen - und sich Fachkräfte
und Arbeitgeber zu einer Anerkennungspartnerschaft verpflichten, dann
kann das Verfahren künftig auch erst nach der Einreise nach
Deutschland begonnen werden. Arbeitgeber und die angehende Fachkraft
verpflichten sich dabei, nach der Einreise die Anerkennung zu
beantragen und das Verfahren aktiv zu betreiben. Die Arbeitnehmerin
oder der Arbeitnehmer kann sich dabei in Deutschland nebenher
qualifizieren oder schon arbeiten. Grundvoraussetzungen für die
Anerkennungspartnerschaft sind ein Arbeitsvertrag und eine im
Ausbildungsstaat anerkannte, mindestens zweijährige
Berufsqualifikation oder ein Hochschulabschluss. Darüber hinaus sind
deutsche Sprachkenntnisse auf Niveau A2 erforderlich.

Anstellung bis zu acht Monate 

Zur Deckung von zeitweilig besonders hohem Arbeitskräftebedarf wird
eine kontingentierte kurzzeitige Beschäftigung ermöglicht. «Für
Arbeitgeber ist dies eine gute Möglichkeit, ausländische Fachkräfte
anzuwerben und bis zu acht Monate einzustellen», so das Innen- und
Arbeitsministerium. Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber
tarifgebunden ist. Die Bundesagentur für Arbeit hat hierfür für das
Jahr 2024 ein Kontingent von 25 000 festgelegt.

Leichter Jobben neben Studium

Auch in anderen Bereichen gibt es Änderungen. So können - angesichts
der Engpässe im Pflegebereich - künftig auch qualifizierte
Pflegehilfskräfte nach Deutschland kommen und hier arbeiten.
Voraussetzung ist, dass die Ausbildung zur Pflegehilfskraft in
Deutschland erworben oder anerkannt ist. Nicht-EU-Ausländer dürfen
Nebenjobs ausüben und erhalten mehr Zeit, um ihre berufliche
Qualifikation anerkennen zu lassen, wenn sie zu Bildungszwecken oder
für Sprachkurse nach Deutschland kommen. Ausländische Studierende und
Auszubildende sollen leichter neben dem Studium oder der Studien-
oder Ausbildungsplatzsuche jobben können. Bei der Berufsausbildung
wird eine bestehende Vorrangprüfung abgeschafft. Ausbildungsbetriebe
können damit ihre freien Ausbildungsplätze schneller besetzen. Für
geduldete Personen, die ihren Lebensunterhalt sichern können, wird
zudem eine Aufenthaltserlaubnis zur Berufsausbildung eingeführt. 

Regierung zuversichtlich

Faeser sagte: «Wir sorgen dafür, dass die Fachkräfte in unser Land
kommen können, die unsere Wirtschaft seit Jahren dringend braucht.»
Stark-Watzinger betonte: «Der Fachkräftemangel ist eine der größten

Herausforderungen, vor der wir stehen.» Mehr Fachkräfteeinwanderung
solle organisiert werden. Heil meinte, zusammen mit einer starken
Aus- und Weiterbildung und einer höheren Erwerbsbeteiligung von
Frauen sowie älteren Beschäftigten sei der Fachkräftezuzug der
richtige Weg, «um unser Potenzial als drittstärkste Volkswirtschaft
voll auszuschöpfen und so auch unseren Wohlstand zu sichern». 

Nachbesserungen gefordert

Dass Personen aus Drittstaaten künftig eine Beschäftigung in
Deutschland aufnehmen können, ohne vorher Qualifikationen anerkennen
lassen zu müssen, nannte der Migrationsexperte Martin Lange am ZEW
Mannheim einen «einen Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik».
Allerdings müsse ein «unverhältnismäßig hohes Einkommen» nachge
wiesen
werden. «Hier sollte die Bundesregierung nachbessern, um mehr
Zuwanderung über diesen Kanal zu ermöglichen», so Lange. «Der gro
ße
Wurf ist die Reform dennoch nicht, da die Einwanderung aus
Drittstaaten viel attraktiver gestaltet werden müsste: Administrative
Hürden und hohe Verdienstschwellen müssen abgebaut werden», forderte

Lange.

Kritik an unzureichendem Spurwechsel

Die erste Stufe der neuen Regelungen für die Fachkräfteeinwanderung
traten bereits im November 2023 in Kraft. Sie umfasste vor allem
Erleichterungen bei der «Blauen Karte EU» und bei anerkannten
Fachkräften. Die dritte Stufe, unter anderem mit einer neuen
Chancenkarte zur Jobsuche, folgt zum 1. Juni 2024.

Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl bemängelte den aus ihrer Sicht
unzureichenden sogenannten Spurwechsel. Im Dezember wurde eingeführt,
dass bei Rücknahme eines Asylantrags die Erteilung
einer Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft für Asylbewerber in
Deutschland möglich wird. «Um zu einer wirkungsvollen Umsetzung
dieses Schritts zu kommen, müssen die Kapazitäten der
Ausländerbehörden ausgebaut werden», sagte der flüchtlingspolitisch
e
Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows. Außerdem müssten
Bildungszertifikate schneller anerkannt werden. «Solange die Regelung
nicht entsprechend vervollständigt wird, erwarten wir keine großen
Auswirkungen.»

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite