Mehr Masernfälle in der EU befürchtet

Nach einer Pandemie-Verschnaufpause greift das Masernvirus wieder
stärker um sich. EU-weit hat es im Januar und Februar mindestens
sieben Todesfälle verursacht. Wie sieht die Lage in Deutschland aus?

Stockholm/Berlin (dpa) - Die Zahl neuer Maserninfektionen in der EU
wird in den kommenden Monaten vermutlich weiter steigen. Das geht aus
einem Bericht hervor, den die EU-Gesundheitsbehörde ECDC am Freitag
veröffentlichte. Nach mehreren Jahren mit wenigen Fällen habe es 2023
wieder mehr Masern-Meldungen gegeben. Die Gründe für den erwarteten
weiteren Anstieg sind laut ECDC unzureichende Impfquoten in einigen
Ländern, aber auch saisonal bedingte Trends sowie die Einschleppung
von Fällen aus Drittländern.

Im Januar und Februar 2024 seien bereits sieben vom Masernvirus
verursachte Todesfälle in der EU gemeldet worden - sechs in Rumänien
und einer in Irland, berichtete das ECDC. Um die Ausbreitung des
Virus einzudämmen, empfiehlt die Gesundheitsbehörde den europäischen

Ländern unter anderem, hohe Impfquoten zu erreichen oder
beizubehalten und die Impf-Akzeptanz in der Bevölkerung zu fördern.

Seit 2023 war ein Anstieg an Masernfällen in Europa beobachtet worden
- wenn auch deutlich unter dem Niveau einiger früherer Jahre. Unter
anderem Rumänien, Österreich und Frankreich meldeten vermehrt
Ausbrüche. Insgesamt wurden 2361 Fälle registriert. 

Auch hierzulande vermehrt Fälle - Inzidenz bleibt aber niedrig

In Deutschland wurden 2023 insgesamt 80 Fälle gemeldet. Im noch
jungen laufenden Jahr sind es bereits 51 Nachweise (Datenstand 15.
Februar), wie aus einer Datenbank des Robert Koch-Instituts (RKI)
hervorgeht. In den Pandemie-Jahren 2020 bis 2022 war die Zahl der
Masern-Meldungen sehr niedrig gewesen. Die Inzidenz blieb laut RKI
unter der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geforderten
Inzidenz von einem Fall pro einer Million Einwohner. Als Grund gelten
die international getroffenen Maßnahmen gegen das Coronavirus, die
auch die Verbreitung einiger weiterer Infektionskrankheiten hemmten.
Die aktuelle Entwicklung ist in etwa vergleichbar mit den Jahren vor
der Pandemie.

Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit, nannte den erneuten
Anstieg von Masernfällen in Europa «besorgniserregend» und fügte
hinzu: «Die gute Nachricht ist, dass es sich um eine Krankheit
handelt, die durch Impfungen verhindert werden kann und dass in der
EU viele sichere und effektive Impfstoffe erhältlich sind.»

So ansteckend wie kaum eine andere Krankheit

Masern sind laut RKI eine der ansteckendsten Krankheiten beim
Menschen überhaupt. Übertragen wird diese unter anderem über
Tröpfchen und Aerosole, die etwa beim Sprechen, Husten und Niesen
entstehen. Ist man ungeschützt, kann es für eine Infektion
ausreichen, sich im gleichen Raum wie ein Erkrankter aufzuhalten. Ein
direkter Kontakt sei nicht nötig, schreibt das RKI. Das Virus wird
oft für eine harmlose Kinderkrankheit gehalten, dieser Ansicht
widersprechen Fachleute aber deutlich.

Der rötlich-braune Hautausschlag, der als charakteristisch für Masern
gilt, tritt erst in der zweiten Krankheitsphase auf. Zuvor haben
Betroffene in der Regel Symptome wie Fieber, Husten, Schnupfen, Hals-
und Kopfschmerzen. Nach durchgemachter Erkrankung ist man in der
Regel ein Leben lang immun. Allerdings können Masern noch nach
Abklingen der akuten Symptome Folgen haben, etwa eine Anfälligkeit
für andere Infektionen, da das Immunsystem längere Zeit geschwächt
bleiben kann.

Zu den möglichen Komplikationen nach einer Maserninfektion zählen
etwa Gehirnentzündungen, die laut RKI etwa eine von 1000 erkrankten
Personen treffen. Noch seltener, aber in der Regel tödlich ist eine
erst Jahre nach der Maserninfektion auftretende schwere
Gehirnentzündung (SSPE). Das Risiko dafür ist abhängig vom Alter, in

dem man Masern bekommen hat: Bei Erkrankung im ersten Lebensjahr
werden laut RKI 170 SSPE-Fälle pro 100 000 Masernfälle geschätzt,
insgesamt im Schnitt vier bis elf pro 100 000. 

Herdenschutz durch hohe Impfquote

Generell werden Kinderimpfungen in Deutschland laut RKI oft zu spät
oder nicht vollständig durchgeführt. Das Ziel, dass 95 Prozent der
Kinder zum Schuleingang zweifach gegen Masern geimpft sind, wurde
laut einem RKI-Bericht im Jahr 2020 nur in vier deutschen
Bundesländern erreicht. Seit März 2020 gilt eine Masern-Impfpflicht,
die bei Kitas und Schulen ansetzt.

«Die Durchimpfungsraten sind über die Jahre besser geworden. Die
Masernimpfung wird inzwischen gut angenommen», sagte der Sprecher des
Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske. «Wir hoffen,
dass die Impfpflicht Wirkung zeigt und es eher nur zu Einzelfällen
oder kleineren Ausbrüchen kommt, wenn überhaupt.»  

Bei Masern wird die Ausrottung angestrebt. Hinter den hochgesteckten
Impfzielen steht auch der Gedanke des Herdenschutzes: Damit sollen
Menschen indirekt geschützt werden, die selbst zum Beispiel (noch)
nicht geimpft werden können, wie etwa Säuglinge. Diese können eine
Masernimpfung in der Regel ab dem elften Lebensmonat bekommen. Allen
Kindern hierzulande werden zwei Dosen im Mindestabstand von vier
Wochen empfohlen. Die Impfung ist laut RKI mit 98 bis 99 Prozent so
effektiv, dass nach der Zweitimpfung fast alle Geimpften geschützt
sind.