Mehr als 860 Anträge auf Entschädigung wegen Corona-Impfung

Impfungen können zu schweren gesundheitlichen Folgen führen. Nach der
Corona-Pandemie klagen auch in Hessen Menschen über
Gesundheitsprobleme nach Schutzimpfungen. Entschädigungen gibt es
eher selten.

Gießen (dpa/lhe) - Angstzustände, Sehstörungen, Hirninfarkt,
Herzmuskelentzündungen: Wer wegen einer Corona-Impfung aus seiner
Sicht schwer und langfristig erkrankt ist, kann einen Antrag auf
Entschädigung stellen. In Hessen sind seit dem Beginn der Pandemie
bereits 866 solcher Anträge gestellt worden, teilte das landesweit
hierfür zuständige Regierungspräsidium Gießen auf Anfrage der
Deutschen Presse-Agentur mit. Solche Krankheiten infolge einer
Corona-Impfung sind allerdings schwer nachzuweisen. Nach Angaben
eines Sprechers des Präsidiums braucht es hierfür neben der
Impfbestätigung mehrere ärztliche Gutachten. Dem Robert Koch-Institut
zufolge wurden in Hessen seit Beginn der Pandemie mehr als 14,5
Millionen Corona-Impfdosen verabreicht.

Mangelnder Kenntnisstand in der Wissenschaft

«Versorgungsanträge wegen einer Schutzimpfung wie der
Corona-Schutzimpfung werden stets unter Berücksichtigung des
aktuellen Kenntnisstands der medizinischen Wissenschaft entschieden»,
heißt es beim Regierungspräsidium. Hier allerdings hapert es. Die als
«Post-Vac» bezeichneten Erkrankungen sind schwer zuzuordnen.

«Der Begriff «Post-Vac» stellt keine medizinisch definierte
Bezeichnung einer Erkrankung dar und unterliegt keiner eindeutigen
Falldefinition für die Meldung eines Verdachtsfalls einer
Nebenwirkung eines Impfstoffprodukts», heißt es beim
Paul-Ehrlich-Institut, dem Bundesinstitut für Impfstoffe und
biomedizinische Arzneimittel.

Unter dem Begriff «Post-Vac» würden nach den vorliegenden
Erkenntnissen verschiedene, länger andauernde Beschwerden
beschrieben, wie sie auch mit Long- oder Post-Covid in Verbindung
gebracht werden. Unter Long-Covid versteht man teils schwere
Beschwerden, die nach einer akuten Krankheitsphase von vier Wochen
fortbestehen oder neu auftreten. Post-Covid beschreibt ein
Krankheitsbild mehr als zwölf Wochen nach einer Corona-Infektion.

«Eine Anerkennung könnte erfolgen, wenn sich der Stand der
Wissenschaft ändern sollte», heißt es beim Regierungspräsidium. Die
s
wäre der Fall, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen
Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang
spricht. «Ob und gegebenenfalls wann dies eintritt, kann nicht
beurteilt werden.»

Entscheidung zugunsten der Antragsteller selten

Die Erfolgsaussichten auf eine Entschädigung sind nach den Zahlen der
Behörde auch eher gering. Von den 866 gestellten Anträgen wurden 31
genehmigt. 516 wurden abgelehnt und 297 werden noch bearbeitet. 22
weitere wurden wegen der Zuständigkeit abgegeben oder sind aus
sonstigen Gründen obsolet. Anerkannt würden aber überwiegend die
Folgen von Herzmuskelentzündungen, Sinusvenenthrombosen oder das
Guillain-Barré-Syndrom, eine seltene Nervenerkrankung, die im
schlimmsten Fall zu einer Lähmung führen kann.

Abgelehnte Anträge werden zunehmend auch in Zivilverfahren vor
Gericht angefochten. So verhandelte am Dienstag das Frankfurter
Landgericht um Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen möglichen
Covid-Impfschäden. Die Zivilkammer vernahm in einer ersten
Verhandlung die Klägerin unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Sie
gibt an, seit ihrer Covid-Impfung an akuten Herzbeschwerden,
Leistungseinbußen und Konzentrationsschwächen zu leiden. Vor Gericht
verlangte sie die Zahlung von 150 000 Euro sowie Auskünfte über die
Entwicklung des Impfstoffes des beklagten Unternehmens, die ihr nach
arzneimittelrechtlichen Vorschriften zustehen würden. Das Gericht
will am 14. Februar eine Entscheidung verkünden.

Was bekommt man bei positivem Bescheid?

Die in Hessen pro Person ausgezahlten Versorgungsbezüge lagen dem
Regierungspräsidium zufolge für Menschen mit anerkanntem Impfschaden
im Jahr 2022 bei durchschnittlich monatlich 1906 Euro. Dabei könnten
sich die Auszahlungen aber stark unterscheiden. Kosten für
Behandlungen würden unabhängig in allen Fällen übernommen.

Das Paul-Ehrlich-Institut erhielt nach eigenen Angaben bis kurz vor
Ende der Corona-Schutzmaßnahmen bis Ende März vergangenen Jahres
insgesamt 340 282 Meldungen zu Verdachtsfällen von Nebenwirkungen
beziehungsweise Impfkomplikationen durch Covid-19-Impfstoffe. In 56
432 Fällen sei der Verdacht einer schwerwiegenden Impfnebenwirkung
gemeldet worden. Gleichzeitig wurden nach Angaben des Robert
Koch-Instituts in Deutschland mehr als 192 Millionen Impfungen
verabreicht, heißt es beim Institut.