Mehr als hübsches Beiwerk: Marzahner Cheerleader wollen nach Florida Von Patricia Bartos, dpa
Von Marzahn in die USA: Ein Berliner Cheerleading-Team qualifiziert
sich erstmals für die Team-Weltmeisterschaft in den USA. Der Erfolg
zeigt auch: Cheerleading wird immer beliebter - und ist weit mehr als
nur der akrobatische Sidekick bei einem Football-Turnier.
Berlin (dpa) - Sie springen, turnen und fliegen sogar durch die Luft:
Betritt man die Turnhalle einer Schule in Berlin-Marzahn, zeigt sich
Disziplin, Durchhaltevermögen und echter Leistungssport. Denn dort
trainieren die Giants Cheerleader. «Ich kann mir mein Leben ohne
Cheerleading gar nicht mehr vorstellen», erzählt die 23-jährige Jil
vor dem Training.
Seit zehn Jahren ist Jil im Verein und inzwischen Kapitänin der
Fabulous Giants, einem der beiden Senior-Teams. «Ich habe früher
getanzt und Akrobatik gemacht, aber mir war beides immer so ein
bisschen zu langweilig», berichtet die große Studentin mit blonden,
langen Haaren. Durch Mitschülerinnen sei sie schließlich auf
Cheerleading gestoßen und dabei geblieben.
Mit der Begeisterung für den Nischensport ist Jil nicht allein. Der
deutsche Cheerleading und Cheerperformance Verband (CCVD)
verzeichnete im vergangenen Jahr einen Mitgliederzuwachs von 16
Prozent. Insgesamt sind nach Angaben einer Sprecherin etwa 25 000
Athletinnen und Athleten in 350 Vereinen aktiv.
Im Mutterland des Cheerleading, den USA, gibt es das Phänomen seit
mehr als 100 Jahren. Während Cheerleaderinnen früher meist die
Aufgabe hatten, das Publikum vor Sportevents anzuheizen, erweist sich
Cheerleading heute als eigenständige Sportart mit einer
anspruchsvollen Mischung aus Akrobatik und Bodenturnen.
Bei den Giants in Marzahn trainieren etwa 200 Cheerleaderinnen in
acht Teams. Dass der Sport immer mehr von der Nische in die Breite
gelangt, bestätigen auch sie: Mehr als 50 Interessierte seien derzeit
auf der Warteliste des Vereins. «Ich glaube, dass wir so langsam im
Kommen sind und uns aus der Nische herausarbeiten mit guten
Leistungen», sagt Fabulous-Coach Stefan Knop. «Viele andere große
Vereine tun das bereits, und wir in Marzahn haben jetzt so diesen
kleinen Sprung geschafft.»
Von Marzahn nach Florida
Mit diesem «kleinen Sprung» meint der Trainer eigentlich Großes.
«Überraschend» und «unerwartet» haben sich die Fabulous Giants im
Dezember bei einem Wettbewerb in Schweden für die
Team-Weltmeisterschaft in Orlando qualifiziert. Anfang Mai dürfen
sich die 26 Athletinnen bei der «Summit 2024 Championship» mit
Top-Vereinen aus aller Welt messen.
«Eine Woche lang konnte man das gar nicht realisieren», berichtet
Kapitänin Jil mit leuchtenden Augen. Vermutlich begreife sie den
Erfolg erst am Tag des Wettbewerbs. Ähnliches erzählt auch
Teamkollegin Michelle: «Selbst wenn du danach noch deiner Familie
davon erzählt hast, hast du auch immer wieder angefangen zu weinen»,
so die 22-Jährige.
Für die Fabulous Giants, die bis zu vier Mal wöchentlich für den
Wettkampf trainieren, geht mit der Summit-Meisterschaft ein Traum in
Erfüllung. «Wir fahren da rüber und wollen einfach mal alles
kennenlernen, alles genießen», meint Trainer Stefan. «Wir rocken das
und werden gut abschneiden», ist sich der Coach sicher.
Harter Leistungssport statt Sidekick
Das Phänomen des Cheerleading ist Ende des 19. Jahrhunderts in den
USA entstanden. Laut dem CCVD sollten Cheerleader damals vor allem
die Zuschauer eines Sportevents zum Anfeuern einer Mannschaft
animieren. Ein Bild, das auch heute noch das Image des Sports prägt.
Mit Pompons ausgestattete High-School-Schülerinnen, die einfach nur
Footballer anfeuern? Dieses Klischee sei «eine ganz schlimme Sache,
gegen die nicht nur wir, sondern alle Vereine ankämpfen», erklärt der
Coach. «Das sind wir nicht. Wir sind die, die den Sport machen», so
Stefan. Cheerleading sei harter Leistungssport, man müsse «immer
wieder über seine Grenzen hinausgehen», erzählt Kapitänin Jil.
Fünf Meter in die Luft
Bei Wettbewerben müssen sich die Cheerleader mit einer Choreographie
aus verschiedenen Elementen vor einer Jury beweisen. Die sogenannten
Stunts, also die Hebefiguren, werden meist von zwei bis fünf Athleten
ausgeführt. Kombiniert man einzelne Stunts, entsteht eine Pyramide,
bei der meist alle Cheerleader beteiligt sind. Hinzu kommen etwa
möglichst synchrone Sprünge und das Tumbling, das Elementen des
Bodenturnens ähnelt.
Die Sicherheit der Athleten ist beim Cheerleading das oberste Gebot,
ernsthafte Verletzungen können ansonsten die Folge sein, betont der
Trainer. Eine besondere Herausforderung sind dabei die sogenannten
Baskets, bei denen Cheerleader bis zu fünf Meter in die Luft geworfen
werden. «Anderen blind zu vertrauen, ist hier richtig wichtig»,
erzählt die 16-jährige My Anh. Die Schülerin ist bei den Fabulous
Giants eine der Jüngsten.
Das Team müsse immer bei der Sache und voll konzentriert sein,
erklärt Coach Stefan. Deshalb herrsche beim Training auch mal ein
strengerer Ton, «sonst wird es gefährlich und die machen, was sie
wollen», erklärt der 45-Jährige.
Finanzielle Hürden für kleinen Verein
Der Weg zur Team-Weltmeisterschaft in Orlando ist nicht nur sportlich
eine Herausforderung. Auch finanziell gibt es für das Team aus
Marzahn noch einige Hürden. Manche der Athletinnen kämen aus
einkommensschwachen Verhältnissen, viele studierten oder steckten
mitten in der Ausbildung. Die Giants sammeln deshalb Spenden, vor
wenigen Tagen wurde dem Team auch eine Projektförderung des
Landessportbundes zugesichert. Einen Teil der Reise finanzieren die
Athletinnen jedoch selbst.
Jil und ihre Teamkolleginnen können die Summit-Meisterschaft kaum
erwarten. Für die 16-jährige My Anh ist es die erste große Reise ohne
Familie, «aber es ist ja trotzdem meine Familie dabei, weil der
Verein einfach perfekt ist», schwärmt die Schülerin.
Wie groß die Liebe zum Verein tatsächlich ist, zeigt Jil mit einem
Tattoo, «fabulous» steht in geschwungener Schrift auf ihrem linken
Unterarm geschrieben. Für die Team-WM plant sie gemeinsam mit anderen
Cheerleaderinnen aus dem Team ein neues Tattoo - der Sport sei
ohnehin «wie ein Teil von mir geworden.»
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