Lauterbach gegen Globuli - Homöopathie nur noch auf eigene Rechnung? Von Basil Wegener, dpa

Dem Gesundheitsminister geht es ums Prinzip: Homöopathie sieht er als
wirkungslos an. Karl Lauterbach will Globuli und Co. deshalb als
Kassenleistung streichen - und erntet dafür kontroverse Reaktionen.

Berlin (dpa) - Homöopathie als mögliche Kassenleistung vor dem Aus:
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Finanzierung
von Globuli und anderen homöopathischen Behandlungen durch
gesetzliche Krankenkassen streichen. «Wir werden das in Kürze
gesetzlich umsetzen», sagte Lauterbach am Donnerstag in Berlin. «Die
Homöopathie ist eine Leistung, die keinen medizinischen Nutzen auf
der Grundlage des wissenschaftlichen Sachstandes erbringt.» Von
Grünen und CDU kam scharfe Kritik - aus der FDP und der Ärzteschaft
Lob für den Vorstoß.

Bereits seit Jahren wird diskutiert, ob Homöopathie weiter von
Krankenkassen bezahlt werden soll. Basis für homöopathische
Arzneimittel können pflanzliche, mineralische und tierische
Substanzen sein. Die extrem verdünnten Stoffe werden zum Beispiel in
Form von Kügelchen (Globuli) verabreicht. Wissenschaftlicher Konsens
ist, dass für homöopathische Behandlungen keine Wirkung nachgewiesen
ist, die über den Placebo-Effekt hinausgeht.

Homöopathie als Satzungsleistung

Heute können Kassen solche Mittel dennoch als Satzungsleistungen
anbieten. Das sind Angebote, die eine Kasse zusätzlich zu den
vorgeschriebenen Leistungen gewähren kann. Darüber hinaus können
Kassen mittels bestimmter Verträge Diagnosen und Behandlungen von
Ärzten mit Homöopathie-Angeboten finanzieren.

Lauterbach sagte, dass Kassen Leistungen bezahlten, die medizinisch
nichts brächten, «können wir uns nicht leisten». Ihm gehe es dabei

auch ums Prinzip, sagte der Politiker und Mediziner: «Es gibt auch
das falsche Bild.» Wissenschaft sei die Basis des Regierungshandelns
in der Klima-, Gesundheitspolitik oder anderen Bereichen. «Es kann
keine vernünftige Politik geben, die die Wissenschaft ignoriert - im
Bereich der Homöopathie haben wir das bisher gemacht.»

CDU wirft Lauterbach Ablenkung vor

Die geschätzten Einsparungen durch den geplanten Schritt bezifferte
Lauterbach auf 20 bis 50 Millionen Euro pro Jahr. Lauterbachs
Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) hatte sich 2019 noch gegen ein Aus von
Homöopathie als Kassenleistung gewandt - vielen würde dadurch vor den
Kopf gestoßen. Nun kritisierte Spahns Parteifreund Tino Sorge das
Vorhaben von Lauterbach. «Anstelle von grundsätzlichen Überlegungen
zur Sanierung der Kassenfinanzen verliert sich der Minister nun im
Klein-Klein», sagte Sorge der Düsseldorfer «Rheinischen Post». Der

Plan sei «eine Nebelkerze» und solle von Untätigkeit ablenken.

Zurückhaltung und Kritik bei den Kassen

Die gesetzlichen Kassen gaben 2021 für homöopathische Mittel allein
rund 7 Millionen Euro aus, für anthroposophische Arzneimittel knapp
15 Millionen. Verbandssprecher Florian Lanz äußerte sich
zurückhaltend: «Was die Finanzwirkung angeht, handelt es sich mehr um
eine symbolische Geste als um eine Maßnahme mit einem tatsächlichen
Effekt.» Sondervorschriften mit geringeren Anforderungen an den
Nachweis der Wirksamkeit bei besonderen Therapierichtungen seien eine
politische Entscheidung gewesen. «Und es wäre jetzt erneut eine
politische Entscheidung, diese wieder zu streichen.»

Die Securvita Krankenkasse, nach eigenen Angaben «Vorreiter bei der
Naturheilkunde», warf Lauterbach Aktionismus vor. «Es gab und gibt
genügend gesetzliche Grundlagen, die Homöopathie als Kassenleistung
abzuschaffen», sagte Vorstand Vladimir Werner der Deutschen
Presse-Agentur etwa mit Blick auf vorgesehene Wirtschaftlichkeits-
und Qualitätsnachweise bei Verträgen von Kassen mit bestimmten
Ärzten. «Diese anzuwenden scheut sich der Minister offensichtlich,
denn sie erfordern mehr als die populistische Infragestellung der für
unsere Gesundheitsversorgung wichtigen Homöopathie.»

Oberster Kassenarzt unterstützt Lauterbach

Lob bekam Lauterbach von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV). «Es ist richtig, Homöopathie als Kassenleistung abzuschaffen»,

sagte KBV-Chef Andreas Gassen der «Rheinischen Post». «Während jede

neue Leistung, die in den Katalog der gesetzlichen
Krankenversicherung aufgenommen werden soll, zu Recht einen
umfangreichen Nutzennachweis durchlaufen muss, hat manche
Krankenkasse gerne homöopathische Verfahren und Mittel, für die es
keine ausreichenden Studienlagen gibt, im Sinne des
Versichertenmarketings angeboten.»

Grünen-Kritik und FDP-Lob

Baden-Württembergs Grünen-Gesundheitsminister Manne Lucha forderte
den Stopp des Vorhabens. «Viele Menschen vertrauen der Homöopathie,
weil sie offensichtlich gute Erfahrungen damit machen», sagte Lucha
in Stuttgart. Lauterbach habe «eine scheinheilige
Evidenz-versus-Kosten-Debatte» angezettelt. Zuvor hatte sich Lucha
auch im «Handelsblatt» so geäußert. Der Grünen-Gesundheitsexperte
im
Bundestag, Janosch Dahmen, sagte der «Rheinischen Post», Lauterbach
dürfe sich nicht nur auf ein paar homöopathische Einsparungen
konzentrieren. Rückendeckung bekam der SPD-Minister vom liberalen
Koalitionspartner. «Teure Pseudomedizin können wir uns angesichts der
prekären Kassenlage nicht mehr leisten», sagte die
FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. Der liberale
Abgeordnete Andrew Ullmann sprach von einem «richtigen Schritt».

Acht Seiten für stabile Finanzen

In einem achtseitigen Papier aus Lauterbachs Ministeriums mit
Empfehlungen für stabile Kassenfinanzen ist der geplante Einschnitt
für die Homöopathie knapp genannt - unter anderem neben geplanten
Reformen etwa der Klinikfinanzierung oder für verstärkten Kampf gegen
Herz-Kreislauf-Krankheiten. «Leistungen, die keinen medizinisch
belegbaren Nutzen haben, dürfen nicht aus Beitragsmitteln finanziert
werden», heißt es dort. Gestrichen werde die Möglichkeit der Kassen,

per Satzung homöopathische und anthroposophische Leistungen
vorzusehen. «Den Krankenkassen wird es jedoch möglich sein, private
Zusatzversicherungen zu diesen Leistungen zu vermitteln.» Das Papier
verschickte Lauterbachs Haus laut «Spiegel» an andere Ministerien.

Homöopathische Mittel bei vielen Leiden

Homöopathische Mittel werden von Patientinnen und Patienten bei
vielen Leiden eingesetzt. So gibt es ein Mittel gegen grippale
Effekte, Globuli für ein Einpendeln des Blutdrucks bei
Herz-Kreislauf-Beschwerden, Tabletten mit Spuren des Eichenblättrigen
Giftsumach gegen rheumatische Schmerzen oder Tabletten mit
Pflanzenbestandteilen und Magnesium phosphoricum gegen
Menstruationsbeschwerden in bestimmten Verdünnungsstufen - nur als
wenige Beispiele unter vielen.

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