Dritte Insolvenz in dreieinhalb Jahren: Retter für Galeria gesucht Von Christian Rothenberg
Erst Ende Mai 2023 wurde das letzte Insolvenzverfahren von Galeria
Karstadt Kaufhof aufgehoben. Nun schlittert Deutschlands letzter
Warenhauskonzern schon in das nächste. War's das - oder gibt es noch
eine Chance?
Essen (dpa) - Die Zahl der Großinsolvenzen in der deutschen
Wirtschaft wird steigen. Das prophezeite Kreditversicherer Allianz
Trade vor einigen Wochen in einer Studie. Das neue Jahr ist gerade
erst angebrochen, schon hat das Land seinen ersten prominenten Fall.
Galeria Karstadt Kaufhof rutscht in die Insolvenz. Es ist schon die
dritte innerhalb von nur dreieinhalb Jahren.
Der schwer angeschlagene Warenhauskonzern ist zuletzt immer weiter
geschmolzen. Vor vier Jahren hatte Galeria noch mehr als 170
Filialen, seitdem hat sich die Anzahl fast halbiert. Wie viel noch
übrig ist, ob überhaupt noch etwas bleibt, ist nicht absehbar. Am
Dienstag hat das Unternehmen innerhalb von weniger als vier Jahren
den dritten Insolvenzantrag gestellt. Das Unternehmen sucht diesmal
einen neuen Eigentümer. Wie stehen die Chancen?
Das erste Quartal des Geschäftsjahres 2023/24 hat Galeria nach
eigenen Angaben über dem Vorjahresquartal abgeschlossen. Dass sich
die Lage nun dennoch verdüstert hat, hat viel mit der Pleite des
Mutterkonzerns Signa zu tun. Die Unternehmensgruppe des Österreichers
Rene Benko hatte Ende November Insolvenz angemeldet. Für Galeria hat
das direkte Konsequenzen. Erst im Frühjahr 2023 hatte Signa für die
Sanierung des Warenhauskonzerns Hilfen in Höhe von 200 Millionen Euro
zugesagt. Geld, das jetzt vermutlich nicht mehr fließen wird.
Insolvenzexperte: «Richtig geführt, kann Galeria erfolgreich sein»
«Dadurch kippt die Bilanz von Galeria. Obwohl sich das Geschäft gut
entwickelt hat, macht das Unternehmen weiter Verluste, und die
Überschuldung nimmt zu», sagt der Insolvenzexperte Manfred
Hunkemöller. Der sieht für Galeria grundsätzlich gute Perspektiven.
«Die neue Geschäftsführung hat zuletzt viel richtig gemacht, das
Unternehmen zu sanieren. Sie hat das Pech, dass der Gesellschafter
seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Ich bin sicher, dass Galeria
richtig geführt wieder erfolgreich sein kann. Dann hat das Format
Kaufhaus eine Chance.»
Auch Gesamtbetriebsratschef Jürgen Ettl hält Galeria für
zukunftsfähig. Einem einzelnen Investor oder Konsortium könnte das
Unternehmen zwischen sechs und siebzehn Prozent Rendite bieten, sagte
er der «Wirtschaftswoche». Das Jahresergebnis von Galeria könnte um
60 bis 80 Millionen Euro höher liegen, wenn die Mieten auf ein
adäquates Niveau gestutzt würden. Zum Hintergrund: Einige
Galeria-Filialen befinden sich in Signa-Immobilien. Hier zahlt der
Kaufhauskonzern außerordentlich hohe Mieten.
An einzelnen Standorten führt Galeria demnach bis zu 35 Prozent des
Umsatzes als Miete ab. Ein «gesundes» Verhältnis liegt
Branchenkennern zufolge bei 10 bis 12 Prozent. Bei Galeria hofft man,
sich nun von den hohen Mieten befreien zu können. Laut Olivier van
den Bossche, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung, können bereits
mehr als 60 der 92 Standorte profitabel betrieben werden. Gemeinsam
mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Stefan Denkhaus kündigte er
an, Mietverträge nachzuverhandeln und notfalls zu kündigen.
Handelsexperte: «Ein Stück deutscher Handelsgeschichte geht zu Ende»
Handelsexperten sind jedoch weniger optimistisch, was die Zukunft von
Galeria betrifft. Jörg Funder von der Hochschule Worms sagt: «Ich
rechne damit, dass es in einer Zerschlagung endet und einzelne
Standorte in einem vollständig veränderten Betriebsmodell von einem
Dritten weitergeführt werden. Man muss irgendwann anerkennen, dass
das Geschäftsmodell nicht mehr trägt.»
An den verbleibenden Standorten hätte aus seiner Sicht vor allem ein
Konzessionsmodell Chancen: ein Warenhaus mit vielen Mietern auf einer
Fläche. Die Waren blieben dabei so lange im Eigentum der Lieferanten,
bis sie kassiert wird. «Der Betreiber hat kein Risiko, dass Ware
nicht abverkauft wird und hat auch keine Kapitalbindung in Form von
eigenem Warenbestand. Er stellt nur die Dienstleistung bereit,
steuert die Filiale und stellt die Infrastruktur mit Kassen und IT.»
Johannes Berentzen von der Handelsberatung BBE sagt: «Mit der dritten
Insolvenz wird ein Stück deutscher Handelsgeschichte zu Ende gehen,
sie wird sehr wahrscheinlich zum Ende von Galeria Karstadt Kaufhof
führen.» Die Fortführung einzelner Standorte hält er jedoch für
möglich. Berentzen hat untersucht, wie sich Galeria-Standorte
entwickelt haben, die in den vergangenen Jahren geschlossen worden
sind. In einigen Städten sei es gelungen, die Gebäude und ihr Umfeld
durch kreative Nachnutzungskonzepte neu zu beleben.
Beispielhaft verweist er auf das «Marktquartier» in Recklinghausen.
In der ehemaligen Karstadt-Filiale befinden sich heute neben einem
Aldi und verschiedenen Gastro-Angeboten auch eine Apotheke, eine
Zahnklinik, Wohnungen und eine Kita. Positiv hebt Berentzen auch den
umgebauten Ex-Karstadt-Standort in Bonn hervor. Dort ist inzwischen
Peek & Cloppenburg Hauptmieter, im Untergeschoss sind Filialen von
Aldi und dm, im fünften Stockwerk entsteht eine Location für
Kulturveranstaltungen.
Ein Musterbeispiel für ein modernes Warenhaus ist für Berentzen auch
das L&T in Osnabrück. Darin befinden sich verschiedene Einzelhändler,
Restaurants, ein Fitnessstudio und ein Wellenbad mit einer
Indoor-Surfwelle. Mehr Erlebnis und Abwechslung, Gastro, Freizeit:
Aus Sicht von Berentzen kann ein Warenhaus in Zukunft nur mit einem
Mischnutzungskonzept bestehen.
Marktanteil von Warenhäusern auf 1,4 Prozent gesunken
Im Fall von Galeria setzt das erst einmal voraus, dass sich ein neuer
Eigentümer findet, oder mehrere. Wenn es um mögliche Investoren geht,
fielen zwei Namen zuletzt häufiger. Etwa die Central Group. Eine
Anfrage an das thailändische Handelsunternehmen, das an verschiedenen
Luxuswarenhäusern wie dem Berliner KaDeWe beteiligt ist, blieb
unbeantwortet. Die Droege Group, mit der es laut «Wirtschaftswoche»
Gespräch gegeben haben soll, erklärte: «Wir beobachten kontinuierlich
den Markt, auch die aktuelle Entwicklung bei GKK. Darüber hinaus gibt
es keine konkreten Pläne.» Galeria will sich dazu auf Anfrage nicht
äußern.
Die Bedeutung von Warenhäusern ist in den vergangenen Jahren deutlich
gesunken. 1992 lag der Marktanteil laut dem Institut für
Handelsforschung (IFH) in Köln bei sechs Prozent, 2022 waren es nur
noch 1,4. «Wäre hier nicht die überaus lange und prestigeträchtige
Tradition, würden wir über diesen kleinen Teil im Gesamtmarkt kaum
noch berichten», sagt IFH-Geschäftsführer Boris Hedde.
Egal ist Galeria für die Innenstädte deshalb jedoch nicht. Zu dem
Urteil kommt auch Berentzen. «Während über Jahrzehnte hinweg die
Kaufhäuser für einen stetigen Strom an Menschen in den Innenstädten
gesorgt haben, könnte diese Frequenz mit deren Schließung endgültig
wegbrechen», schreibt er in einem Gastbeitrag mit
Handelsverband-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth in der «Frankfurter
Allgemeinen Zeitung». Zugleich liege für Einzelhändler in einem Aus
von Galeria auch eine Chance, neue Kunden zu gewinnen.
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