Lauterbachs Advents-Appell für mehr Corona-Impfungen Von Sascha Meyer, dpa

Gerade hören viele wieder häufiger von Corona in ihrem Umfeld oder
hatten selbst einen positiven Schnelltest. Was bedeutet das jetzt in
der Vorweihnachtszeit?

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat
angesichts einer aktuellen Corona-Ansteckungswelle zu Vorsicht und
mehr Impfungen in der Adventszeit aufgerufen. Die Infektion sei
«keine Erkältungserkrankung», sagte der SPD-Politiker nach einem
Fachtreffen zu Long-Covid-Beeinträchtigungen am Montag in Berlin.
Wenn man sich jetzt impfen lasse, sei es «der optimale Zeitpunkt» für

eine volle Wirkung bis zum Weihnachtsfest, appellierte er an Menschen
ab 60 Jahren und andere Risikogruppen. Es sei enttäuschend, dass
bisher nur drei Millionen Menschen empfohlene Impfungen mit neuen, an
aktuelle Virusvarianten angepassten Präparaten genutzt hätten.

Lauterbach machte deutlich, dass sich aus Berechnungen auf der Basis
erhobener Daten eine Infektionswelle erkennen lässt. «Wir haben eine
hohe Inzidenz im Moment.» Sie dürfte etwa 1700 Neuinfektionen pro
100 000 Einwohner in sieben Tagen entsprechen. Zum Vergleich: Anfang
Dezember 2022 lag der amtlich mitgeteilte Wert bei gut 200. Er ging
aber auf PCR-Labortests zurück, die nur noch selten gemacht werden.
Schon damals gingen Experten von einer deutlich höheren Dunkelziffer
aus.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lars Schaade,
erläuterte zudem, dass das Niveau wegen der höheren Grundimmunität
durch Impfungen und Infektionen nun eine andere Bedeutung habe als in
der Pandemie. Auch im Abwassermonitoring sei jetzt noch ein Ansteigen
der Werte zu sehen, das spiegele sich aber eben nicht auf den
Intensivstationen wider.

Keine Überlastung von Kliniken erwartet

«Gleichwohl ist natürlich jede Einzelinfektion mit einem gewissen
Risiko behaftet», sagte Schaade. Je älter man sei und wenn man schon
Grunderkrankungen habe, umso mehr steige das individuelle Risiko. Und
es gebe das Risiko von Long Covid. Lauterbach sagte: «Jede vermiedene
Infektion ist eine gute Nachricht.» Auch angesichts anderer Infekte
erwarte er keine Überlastung der Krankenhäuser, aber eine starke
Belastung. «Wir können den Kliniken hier wirklich helfen, indem wir
die Infektionszahlen so niedrig halten wie möglich.» Er habe übrigens

auch volles Verständnis, wenn in Kliniken wieder eine Maskenpflicht
eingeführt werde. Das müssten Häuser selbst entscheiden. «Aber dami
t
schützt man natürlich die Beschäftigten und auch die Patienten.»

Lauterbach rief Menschen aus Risikogruppen auf, von der Ständigen
Impfkommission empfohlene Impfungen und Auffrischimpfungen jetzt
wahrzunehmen. «Im Moment wird die Gefahr, die von Covid ausgeht,
tatsächlich unterschätzt.» An alle, die über Weihnachten ihre Famil
ie
besuchen oder ältere Angehörigen treffen, appelliere er: «Bitte
schützen Sie sich selbst oder Ihre Liebsten durch die Impfung.» Dies
schütze vor einem schweren Verlauf, verringere das Risiko von Long
Covid und - für eingeschränkte Zeit - auch von Ansteckungen.

Lauterbach: Weihnachtsfeiern nicht absagen

Die Zahl der Infektionen, die wöchentlich im Labor bestätigt werden,
wächst laut dem aktuellen RKI-Bericht zu akuten Atemwegserkrankungen
bereits seit längerer Zeit. Für die Woche bis 26. November waren rund
23 250 Nachweise erfasst. Per PCR getestet werden vermutlich noch
insbesondere Menschen mit schwereren Symptomen, etwa im Krankenhaus.
Zur derzeit relativ hohen Rate an akuten Atemwegserkrankungen in der
Bevölkerung tragen laut RKI außerdem noch für die Jahreszeit typische

Erkältungen durch Rhinoviren bei. «Hinweise auf eine beginnende
Grippewelle gibt es bisher noch nicht», sagte Schaade.

Lauterbach riet mit Blick auf Corona dazu, etwa bei Besuchen bei
Menschen aus Risikogruppen im Zweifelsfall auch Maske zu tragen oder
sich zu testen. «Denn nichts ist schlimmer als ein Weihnachtsfest, wo
man jemanden infiziert, der dann schwer erkrankt und möglicherweise
nicht mehr komplett genesen wird.» Weihnachtsfeiern in Betrieben
würde er nicht absagen. Er rate aber Menschen mit Risikofaktoren wie
Asthma oder Immundefekten, sich mit Impfungen und Maske zu schützen
oder lieber nicht teilzunehmen.

Beratungen zu Long Covid

Bei dem zweiten Runden Tisch zu langwierigen Beeinträchtigungen nach
Corona-Infektionen tauschten sich Vertreterinnen und Vertreter aus
Wissenschaft und Gesundheitswesen über bessere Unterstützungsangebote
für Betroffene aus. Beraten wurde über verstärkte Forschung, einen
einfacheren Einsatz lindernder Medikamente, die eigentlich für andere
Behandlungen vorgesehen sind, und Rehabilitationsangebote. Noch gibt
es wenig Anlaufstellen, Wartezeiten für Betroffene sind oft lang.

Unter Long Covid versteht man teils schwere Beschwerden, die nach
einer akuten Krankheitsphase von vier Wochen fortbestehen oder neu
auftreten. Die Bezeichnung Post Covid beschreibt das Krankheitsbild
mehr als zwölf Wochen nach einer Infektion. Die Ampel-Koalition hatte
signalisiert, dass Fördermittel für die Versorgungsforschung zu Long
Covid im Etat 2024 auf 150 Millionen Euro aufgestockt werden sollen.