Lauterbach will Pharma-Produktion verstärkt nach Deutschland holen

Die Verlagerung großer Teile der Arzneiproduktion nach China oder
Indien macht Deutschland Sorgen. Nun will die Bundesregierung die
Pharmabranche in Deutschland stärken. Der Gesundheitsminister spricht
von einer Aufholjagd.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will
deutlich mehr Forschung für den verstärkten Kampf gegen Krebs,
Infektionen und andere schwere Krankheiten nach Deutschland holen.
Ein neues Medizinforschungsgesetz solle dazu noch vor Weihnachten auf
den Weg kommen, sagte Lauterbach am Freitag in Berlin.

Deutschland sei bei Pharma-Innovationen in den vergangenen Jahren
stark zurückgefallen. So gebe es in Großbritannien zehn Mal so viele
Patente wie in Deutschland und 20 Mal so viele Ansiedlungen einer
tatsächlichen Produktion. Das Ziel sei nun eine «Reindustrialisierung
in Deutschland» in dem Bereich. «Hier sind wir zurückgefallen.» Dur
ch
verstärkte Forschung solle auch mehr im Anschluss stattfindende
Produktion neuer Medikamente nach Deutschland geholt werden. «Wo
geforscht wird, findet auch die Produktion statt», sagte Lauterbach.

Schnelle Genehmigungen

Die Gesetzespläne sähen nun eine ganze Reihe von Neuerungen vor.
Lauterbach sagte: «Wir werden hier eine Aufholjagd bei den klinischen
Studien machen.» Konkret ist Bürokratieabbau geplant: So sollen unter
anderem bestimmte klinische Studien künftig nur noch bei einer Stelle
beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
beantragt werden müssen. Innerhalb von 25 Tagen soll der
Genehmigungsprozess abgeschlossen werden. Insbesondere
vorgeschriebene Prüfungen zu Fragen der Ethik, des Strahlen- und des
Datenschutzes sollten vereinfacht werden.

Ziel ist es auch, den Forscherinnen und Forschern mehr Zugang zu
Gesundheitsdaten zu eröffnen. Dazu sollen nach Angaben Lauterbachs
drei Gesetze, die derzeit erarbeitet würden, zusammenwirken - neben
dem nun angekündigten Medizinforschungsgesetz auch ein Gesetz über
eine breitere Nutzung von Gesundheitsdaten sowie das geplante
Digitalgesetz für die Einführung einer elektronischen Patientenakte
für alle Versicherten. Diese Gesetze würden den
Pharma-Forschungsstandort Deutschland «deutlich verstärken», sagte
der Minister.

Mehr Daten und mehr Förderung

Daten, die bei der Abrechnung von Behandlungen anfielen, sollen
künftig bundesweit zusammengeführt werden, wie Lauterbach sagte. Auf
diese Weise solle die Forschung sie besser nutzen können. Hierfür
gebe es Kooperationen etwa mit den USA und Großbritannien.

Dem Aufbau neuer Produktionsstätten in Deutschland sollten zudem
«gezielte Förderinstrumente» dienen, schreibt das
Gesundheitsministerium in einem Strategiepapier. Diese würden
gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium geprüft. So sollten
Start-up-Unternehmen mit steuerlichen Anreizen für Ansiedlungen
gewonnen werden. Lauterbach zeigte sich hier trotz der aktuellen
Haushaltskrise optimistisch. Das Wirtschaftsministerium habe «hier
kluge Ideen».

Im Einklang seien die Pläne für eine Stärkung des Pharmastandorts mit

den Ergebnissen eines Spitzengesprächs bei Bundeskanzler Olaf Scholz
(SPD) am Vortag. Bei dem sogenannten Pharmagipfel hatten unter
anderem Spitzenvertreter der Pharmaindustrie,
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und
Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) teilgenommen.
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