Rechtschreibung nicht bewertet - Karlsruhe urteilt zu Zeugniseintrag

In manchen Zeugnissen von Menschen mit Legasthenie steht ein Vermerk
darüber, dass ihre Rechtschreibung nicht benotet wurde. Drei
Abiturienten aus Bayern finden das ungerecht, sind bisher aber
juristisch gescheitert. Nun entscheidet das höchste deutsche Gericht.

Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht will am Mittwoch
(10.00 Uhr) klären, ob im Abiturzeugnis von Legasthenikerinnen und
Legasthenikern ein Kommentar dazu stehen darf, dass ihre
Rechtschreibung bei der Benotung keine Rolle spielte. Drei ehemalige
Abiturienten aus Bayern mit Lese-Rechtschreib-Störung meinen, dass
viele Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber durch Hinweise wie «Auf die
Bewertung von Rechtschreibung wurde verzichtet» abgeschreckt würden.

Menschen mit Behinderung bekommen in Schulprüfungen einen sogenannten
Nachteilsausgleich. Das kann zum Beispiel bei Legasthenikerinnen und
Legasthenikern bedeuten, dass sie mehr Zeit zum Schreiben bekommen.

Außerdem gibt es in vielen Bundesländern - darunter Bayern - die
Option auf «Notenschutz». Auf Antrag lassen Lehrkräfte die
Rechtschreibung dann nicht in die Noten mit einfließen. Sie vermerken
im Zeugnis, dass sie die Leistung anders bewertet haben. Nach
Auffassung der Schulbehörden soll dies die Aussagekraft von
Zeugnissen sicherstellen, hatte der Vorsitzende des Ersten Senats,
Stephan Harbarth, bei der Verhandlung im Juni in Karlsruhe erläutert.

Die drei bayerischen Schüler, die 2010 Abitur gemacht hatten, sehen
sich durch die Zeugnisbemerkung diskriminiert und klagten sich durch
die Instanzen. 2015 erteilte ihnen das Bundesverwaltungsgericht eine
Absage, weil nach seiner Ansicht kein Anspruch auf Notenschutz
besteht ohne dessen Dokumentation im Zeugnis. Dagegen reichten die
Kläger Verfassungsbeschwerden beim höchsten deutschen Gericht ein.

In der Verhandlung bekräftigten die Männer in einer Stellungnahme,
dass die Kommentare sie im Berufsleben einschränkten. «Jeder, der das
liest, kann nur denken, dass der Bewerber zu dumm und grottenschlecht
für alles ist», hieß es in dem Statement, das Anwalt Thomas Schneider

verlas. «Das ist, als ob wir einen Stempel bekommen mit der
Aufschrift: Vorsicht, willst du mich wirklich einstellen?»

Hingegen argumentierte der damalige bayerische Kultusminister,
Michael Piazolo (Freie Wähler), die Vermerke schafften die nötige
Transparenz, dass vom allgemeinen Bewertungsstandard abgewichen
worden sei. Das sei wichtig, weil gerade Abschlusszeugnisse objektiv
vergleichbar sein müssten. Die bayerische Gesetzeslage sei dabei
nicht einmalig, mehrere andere Bundesländer handhabten es ähnlich.

Aus Sicht des Anwalts der Kläger kann man Notenausgleich und
Notenschutz nicht trennen. Es gebe keinen Unterschied zwischen einer
Hilfsmaßnahme wie einem Laptop, der automatisch die
Rechtschreibkontrolle übernehme, und der Nichtbewertung der
Rechtschreibung. Auch der Senat stellte der bayerischen
Staatsregierung viele Fragen zu der Unterscheidung zwischen
Nachteilsausgleich, Notenschutz und was wo einsortiert wird.

3,4 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Bayern hätten eine Lese-

und Rechtschreib-Störung, sagte der berichterstattende
Verfassungsrichter Josef Christ. Laut Bundesverband Legasthenie und
Dyskalkulie sind etwa zwölf Prozent der Bevölkerung in Deutschland
von mindestens einer der Beeinträchtigungen betroffen. Bei
Dyskalkulie oder Rechenstörung sind Rechenfertigkeiten
beeinträchtigt, ohne dass das allein durch eine Intelligenzminderung
oder unangemessene Beschulung erklärbar wäre.

Der Deutsche Lehrerverband hatte in der Verhandlung erklärt, dass in
Schulen alles getan werde, um Diskriminierung zu vermeiden.
Schülerinnen und Schüler zeigten in der Regel nicht mit dem Finger
auf die Betroffenen oder seien neidisch auf die Hilfsmaßnahmen.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite