Kranke Modehunde? - Forscher prangert Zucht-Trends an Von Christina Sticht, dpa

Kurznasige Möpse mit Atemnot, Krebs in relativ frühen Jahren: Viele
Hunde entwickeln rassebedingt gesundheitliche Probleme. Tierpathologe
Achim Gruber nennt sie «Geschundene Gefährten». Was muss sich änder
n?

Berlin (dpa) - Kind-Ersatz, Statussymbol, Accessoire für stylishe
Instagram-Bilder: Hunde spielen heute vielfach eine ganz andere Rolle
für ihre Besitzer als noch vor wenigen Jahrzehnten. Gefragt sind zum
Beispiel Mini-Varianten von Pudel, Zwergspitz oder Australian
Shepherd, die niedlich aussehen und in die Handtasche passen.
Zunehmend beliebt sind auch extravagante Farben: Labradore mit
silbernem Fell, bläuliche Französische Bulldoggen oder Chihuahuas.

«Diese verdünnten Farben sehen sehr hübsch aus, aber es handelt sich

nicht einfach um Farbvarianten, sondern um echte Missbildungen, um
Gendefekte», sagt der Tierpathologe und Autor Achim Gruber. In der
Folge litten nicht wenige dieser Tiere aufgrund der genetisch
bedingten Pigmentierungsstörung unter unheilbarem Haarausfall und
weiteren Hautproblemen.

Der Professor am Institut für Tierpathologie der Freien Universität
(FU) Berlin will mit seinem Buch «Geschundene Gefährten» aufkläre
n
über die Irrwege in der Rassezucht und Lösungen aufzeigen. Es
erscheint am 2. Oktober, zwei Tage vor dem Welttierschutztag. «Wir
haben viele Hunderassen total krank gezüchtet», kritisiert der
57-Jährige. «In der Natur gibt es keine Rassen, das Konzept ist
menschengemacht.»

Gruber sieht zwei fatale Fehlentwicklungen. Zum einen bemängelt der
Wissenschaftler die jahrzehntelange Zucht hin zu krankmachenden
Äußerlichkeiten, wie zum Beispiel die Kopf- und Schnauzenform von
Möpsen, die schwer atmen und schlecht hecheln können. Kurzköpfige
Hunde haben laut Deutschem Tierschutzbund oft mit Haut-, Ohren- und
Augenproblemen sowie Kiefer- und Zahnfehlstellungen zu kämpfen. Der
Großteil leide unter Atemnot, vertrage Hitze nicht gut und habe
Schlafprobleme.

«Wir kennen heute weit über 80 verschiedene Krankheitsneigungen,
Leiden und Sinnesstörungen, die als «Nebenwirkungen» der gewünschte
n
extremen Zuchtziele entstanden sind», sagt Gruber. So erhielten nach
Daten einer US-Studie mit krebskranken Hunden reinrassige Tiere diese
Diagnose in einem deutlich jüngeren Alter als Mischlinge (Journal
«PLOS ONE», 2023).

Darüber hinaus sind dem Tierpathologen zufolge weit mehr als 500
Erbkrankheiten beim Hund bekannt - weit mehr als bei allen anderen
gezüchteten Haustieren. Dies habe viel mit Inzucht zu tun. Eine
Lösung sei zum Beispiel der sogenannte Retromops, bei dem andere
Rassen eingekreuzt wurden, damit die Tiere wieder eine längere Nase
und weniger gesundheitliche Probleme bekommen. Auch Designer-Dogs wie
Labradoodles oder Maltipoos könnten ein Lösungsweg sein, weil sie
Mischlinge sind.

Sogenannte Qualzuchten sind laut Tierschutzgesetz eigentlich
verboten. Das Gesetz werde aber kaum umgesetzt, kritisiert Gruber.
«Viele Züchter ignorieren es, und nicht wenige der zuständigen
Veterinärbehörden schauen tatenlos zu.» Eindeutige Defektzuchten
füllten weiterhin in großer Zahl die Wartezimmer der Tierkliniken.

Der Deutsche Tierschutzbund fordert ein Gesetz, das klar definiert,
was Qualzucht ist. «Was viele Halter niedlich finden, ist für die
Tiere eine Qual», erläutert Verbandssprecherin Lea Schmitz. «Um bei
Hunden, Katzen und Co. optische Merkmale wie Kulleraugen, ein
bestimmtes Fellmuster oder eine flache Schnauze zu erreichen, nehmen
Halter wie Züchter Tierleid in Kauf.» Nicht nur die Zucht, sondern
auch die Haltung, der Import sowie der Verkauf von Tieren mit
Qualzuchtmerkmalen sollten verboten werden - ebenso wie die Werbung
mit ihnen, sagt sie.

Die Zahl der Hunde und Katzen ist bundesweit in den vergangenen
Jahren deutlich gestiegen. 10,6 Millionen Hunde waren es nach Angaben
des Zentralverbands Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands (ZZF) im
Jahr 2022. Dazu kommen 15,2 Millionen Katzen.

Der illegale Welpenhandel habe in der Corona-Zeit aufgrund des
Haustier-Booms floriert, sagt Lea Schmitz. Beim illegalen Tierhandel
seien zuletzt Französische Bulldoggen, Zwergspitze und Chihuahuas
Spitzenreiter gewesen - also Rassen, die unter Qualzuchtmerkmalen
leiden. Dies habe eine Auswertung des Tierschutzbundes ergeben.

«Nach meinem Eindruck verwechseln viele Menschen Hunde und Katzen mit
Markenprodukten wie Autos oder Mode», kritisiert Gruber. «Sie
erwarten eine neue Lackierung, eine schickere Form, Farbe, einen
neuen Spaßfaktor.» Das Riesenproblem sei: «Viele der Varianten bei

Hunden und Katzen sind eigentlich Missbildungen und genetische
Störungen, die mit teils schwerem Leid und Schäden einhergehen
können.»

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