Tierärztemangel sorgt für Probleme in der Notdienst-Versorgung
In der Tiermedizin mangelt es an Fachkräften. Laut der
Landestierärztekammer Hessen fehlt es an Ärzten und Fachangestellten,
während die Zahl der gehaltenen Haus- und Heimtiere steigt. Das hat
Folgen für Veterinäre und Tiere.
Niedernhausen/Hofheim (dpa/lhe) - Fehlendes Personal bei immer mehr
Patienten: In Hessen mangelt es an Fachkräften in den Tierarztpraxen.
«Das Problem besteht bereits jetzt und wird sich in Zukunft noch
verschärfen», sagt Sabine Tacke, Präsidentin der
Landestierärztekammer Hessen. Insbesondere in Großtierpraxen, aber
auch in Veterinärämtern, Untersuchungseinrichtungen,
Schlachtbetrieben und an Universitäten fehle Personal, was schon
jetzt zu tierschutzrelevanten Situationen führe.
«Die Problematik ist vielschichtig», sagt Tacke. Die Arbeit der Ärzte
sei körperlich und zeitlich mit Notfällen, Wochenend- und Notdiensten
anspruchsvoll. Im Vergleich zu anderen akademischen Berufen würden
Tiermediziner schlecht bezahlt.
Auch an Tiermedizinischen Fachangestellten fehle es. Dabei habe sich
das Arbeitsaufkommen vor allem im Zuge der Corona-Pandemie deutlich
erhöht. «Viele Menschen haben sich in der Zeit ein Haustier
angeschafft, das nun versorgt werden muss», sagt Tacke. Neben dem
Arbeitskräftemangel erschwerten die starren Regelungen des
Arbeitszeitgesetzes eine sinnvolle Verteilung der verfügbaren
Arbeitszeit.
Das bestätigt auch der Bundesverband Praktizierender Tierärzte (bpt).
Es werde immer schwieriger, Tierärzte im Not- und Nachtdienst zu
finden, sagt Geschäftsführer Heiko Färber. «Die Regelbetreuung geht
zwar mit längeren Wartezeiten einher, ist aber sichergestellt. Der
Notdienst ist die Achillesferse.»
Zum einen gebe es weniger selbstständige Tierärzte als früher.
Während sie schon mal bis zu 70 Stunden die Woche arbeiteten,
beschränke das Arbeitszeitgesetz die Arbeitszeit von Angestellten auf
maximal 48 Stunden. Außerdem steige der Anteil an Tierärztinnen seit
Jahren. Rund 85 Prozent der Studierenden seien weiblich. «Sie gehen
eines Tages gegebenenfalls in Mutterschutz oder Elternzeit und kehren
vielleicht nicht mit voller Stundenzahl in den Beruf zurück.»
Dadurch stehe weniger tierärztliche Arbeitszeit zur Verfügung. Die
hohe Arbeitsbelastung bei schlechter Bezahlung, die dauernde
Konfrontation mit dem Tod und häufige Konflikte mit Tierhaltern
verursachten oft mentale Probleme, sagt Färber. Tiermediziner seien
häufiger suizidgefährdet als andere Berufsgruppen.
Die beschriebenen Belastungen kennt auch Katharina Kessler von der
Tierklinik Hofheim. Die Einrichtung zählt zu den größten Tierkliniken
Deutschlands. «Wir haben riesige Probleme, Fachspezialisten wie etwa
Kardiologen, Onkologen und Neurologen zu finden», sagt die
Tierärztin. Die Klinik suche sie inzwischen weltweit und werde
trotzdem nicht fündig. Auch an Tierärztlichen Fachangestellten
mangele es - trotz europaweiter Suche.
Auch Kessler sieht Probleme beim starren Arbeitszeitgesetz. Bei den
Not- und Wochenenddiensten müsse ein Team von rund 30 Menschen
vorgehalten werden, die in der Woche dann fehlten. «Das ist ein
Personalaufwand, den viele Klinken nicht mehr stemmen können. Viele
Häuser geben den Klinikstatus ab, um keinen Notdienst anbieten zu
müssen. Die paar, die übrig bleiben, zerbrechen unter der Last.»
Zudem beschreibt Kessler eine zunehmende mentale Belastung durch
Konflikte mit Tierhaltern. «Sie werden radikaler und fordernder.» Die
Ärzte sollten zu jeder Zeit ihre Dienste anbieten, und das am besten
umsonst. «Sie sind doch Tierfreunde», laute oft die Argumentation.
Zwar schlössen immer mehr Tierhalter eine Tierkrankenversicherung ab,
besonders seitdem die Kosten durch die neue Gebührenverordnung
gestiegen seien. «Aber noch immer bei weitem nicht genug.»
Auch Nutztierhalter klagen über die angespannte Lage. «Der
Tierärztemangel ist auch für die Landwirte spürbar, gerade Notdienste
sind ein Problem», sagt Marie-Claire von Spee, Sprecherin des
Hessischen Bauernverbands. «Pferdehalter müssen beispielsweise am
Wochenende teilweise fünf bis sechs Tierärzte abtelefonieren, bis sie
einen Tierarzt finden, der zu einem Notfall rausfährt.»
In der Region Kurhessen könne die Betreuung noch einigermaßen
gewährleistet werden, aber nur, weil dort viele Schweinehalter die
Tierhaltung aufgegeben hätten. Dadurch relativiere sich der
Tierärztemangel etwas. «Viele Tierärzte behandeln nur noch
Kleintiere, da sie sich dadurch Wege und Aufwand sparen», sagt sie.
Vor dem Hintergrund der Belastung fordern Tacke und Färber eine
Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes mit einer Umstellung von
einer Tages-Höchstarbeitszeit auf eine Wochen-Höchstarbeitszeit mit
einer flexiblen Verteilungsmöglichkeit der Arbeitsstunden. Zudem
müsse Bürokratie abgebaut werden.
Die Landestierärztekammer fordert überdies zusätzliche Studienplätz
e.
Der Bundesverband Praktizierender Tierärzte spricht sich für ein
verändertes Auswahlverfahren aus. «Nach fünf Jahren verlässt ein
Drittel der Absolventen den Beruf des Tierarztes für immer», sagt
Färber. Das hänge vor allem mit falschen Erwartungen an die
Profession zusammen. «Die Universitäten sollten mehr Realität
schaffen und nicht ausschließlich nach der Abiturnote und dem
Ergebnis des Medizinertests entscheiden.» Derzeit bräuchten
Studienplatzbewerber niemals zuvor in einer Tierarztpraxis gewesen zu
sein.
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