Gutachter sieht Wiederholungsgefahr bei mutmaßlichem Ayleen-Mörder Von Christine Schultze, dpa

Vor gut einem Jahr wurde die 14-jährige Ayleen aus Baden-Württemberg
umgebracht, vermutlich von einem heute 30-jährigen Mann. Ein
Psychiater sieht die Gefahr, dass er wieder töten könnte.

Gießen (dpa) - Empathie- und mitleidlos, ohne Schuldgefühle und Reue,
- mit klaren Worten beschreibt der psychiatrische Gutachter die
Persönlichkeit des Mannes, der die 14-jährige Schülerin Ayleen aus
Baden-Württemberg umgebracht haben soll. Dem 30 Jahre alten
mutmaßlichen Täter bescheinigt der Sachverständige am Mittwoch vor
dem Gießener Landgericht eine «dissoziale Persönlichkeitsstörung mi
t
psychopathischen Anteilen». Zugleich hält er ihn für voll schuldfäh
ig
und sieht ein hohes Risiko, dass der Mann wieder töten könnte. Der
Experte hatte sich bei zwei Terminen in der Gießener
Justizvollzugsanstalt ein Bild von dem Mann machen können. Für das
mögliche Strafmaß und mit Blick auf eine eventuelle
Sicherungsverwahrung dürften die Worte des Gutachters von großer
Bedeutung sein - bereits in der kommenden Woche soll das Urteil gegen
den 30-jährigen Angeklagten fallen.

Die Staatsanwaltschaft legt dem Angeklagten unter anderem Mord,
versuchte Vergewaltigung mit Todesfolge und Nötigung zur Last. Ayleen
und er sollen sich über sexualisierte Chats in sozialen Netzwerken
und ein Online-Spiel gekannt haben. Die Tat gilt als ein Beispiel für
das sogenannte Cybergrooming, also die Anbahnung sexueller Kontakte
mit Minderjährigen über das Internet. Am 21. Juli vergangenen Jahres
soll der verurteilte Sexualstraftäter das Mädchen in ihrem Heimatort
Gottenheim bei Freiburg abgeholt und sie in ein Waldgebiet nahe
Langgöns in Hessen gebracht haben. Dort soll der Deutsche versucht
haben, die Schülerin zu vergewaltigen, und sie schließlich erwürgt
haben. Ihre Leiche soll er mit dem Auto zum Teufelsee nahe Echzell im
Wetteraukreis gebracht und versenkt haben. Zu Prozessbeginn vor gut
drei Monaten hatte der Mann die Tötung des Mädchens eingeräumt und
angegeben, die Tat sei im Streit geschehen. Die Ermittler sind jedoch
davon überzeugt, dass sie sexuell motiviert war.

Die Persönlichkeit des Angeklagten müsse im Zusammenhang mit seiner
Herkunft gesehen werden, sagte der Gutachter. Der 30-Jährige habe
vermutlich wenig Fürsorge, Rückhalt und verantwortungsvolle Erziehung
in seiner Familie erfahren, immer wieder habe er sich als nicht lenk-
und leitbar gezeigt, gegen alles aufbegehrt. Auch über frühe sexuelle
Übergriffe sei berichtet worden, die «Inzestschranke» sei in der
Familie möglicherweise nicht intakt gewesen. Nach einer Verurteilung
wegen versuchter Vergewaltigung und versuchten sexuellen
Kindesmissbrauchs bereits im Alter von 14 Jahren habe der Angeklagte
praktisch seine gesamte Pubertät im Maßregelvollzug verbracht und
wesentliche Entwicklungsschritte, auch in sexueller Hinsicht, nicht
durchlaufen können, so der Neurologe und Psychiater.

Auch nach der Entlassung hätten sexuelle Grenzverletzungen das Leben
des Angeklagten in Freiheit geprägt und seien zu einer «früh
etablierten Verhaltensschablone» geworden. «Er versucht,
asymmetrische Beziehungen zu gestalten, die geprägt sind von Dominanz
und Besitzwünschen», sagte der Gutachter. Über Social Media habe er
dies ausgelebt. Diese böten «ideale Voraussetzungen für bestimmte
Arrangements, auch zwischen schwierig sozialisierten Jugendlichen»,
sagte der Gutachter. Junge Mädchen von teils unter 14 Jahren tauchten
hier in eine Welt ein, nähmen Rollen ein, die nicht altersgemäß
seien, würden früh sexuell aktiviert. So werde eine sexuelle Reife
suggeriert, die in der Realität nicht vorliege. Dieses «Testfeld»
habe der Angeklagte genutzt, nach der Kontaktaufnahme Mädchen
manipuliert, die Kontakte eskaliert und seine Strategien eingesetzt,
um sie auch in der Realität treffen zu können.

Psychiatrische Störungsbilder wie etwa eine Schizophrenie oder andere
seelische oder geistige Mängel, die einer Einsichts- oder
Steuerungsfähigkeit entgegenstünden, sieht der Gutachter bei dem
Angeklagten nicht. «Es besteht eine dezidierte Risikoverfassung für
sexuell motivierte Straftaten und eine dezidierte Risikoverfassung
für sexuell motivierte Tötungsdelikte», so der Gutachter.

Dies machte der Experte auch an mangelnden Schuldgefühlen und
fehlender Reue des Angeklagten fest. Bei seinen Gesprächen in der JVA
habe ihm der Mann gesagt, dass er nichts empfunden habe, als er die
Leiche des Mädchens ins Wasser gelegt habe, dass ihn das Geschehen
«nicht belastet», abgeschlossen und erledigt für ihn sei und er sich

anderen Dingen zuwenden wolle. Es sei «halt blöd», dass er sich seine

Zukunft kaputt gemacht habe. «Es findet keinerlei Resonanz auf
fremdes Leid statt», resümierte der Gutachter. Der Prozess soll
kommenden Montag (25. September) mit den Plädoyers mit
Staatsanwaltschaft und Verteidigung fortgesetzt werden.

Online-Wechsel: In drei Minuten in die TK

Online wechseln: Sie möchten auf dem schnellsten Weg und in einem Schritt der Techniker Krankenkasse beitreten? Dann nutzen Sie den Online-Beitrittsantrag der TK. Arbeitnehmer, Studenten und Selbstständige, erhalten direkt online eine vorläufige Versicherungsbescheinigung. Die TK kündigt Ihre alte Krankenkasse.

Jetzt der TK beitreten





Zur Startseite