Fossil, aber noch unverzichtbar: Garten- und Gemüsebau brauchen Torf Von Christopher Hirsch, dpa

Moorschutz ist Klimaschutz. Dennoch wird weiterhin Torf aus deutschen
Mooren abgebaut. Denn der Rohstoff kann nicht leicht ersetzt werden.
Das wissen auch Naturschützer. Für sie geht es in erster Linie nicht
um den Abbau.

Rostock (dpa) - Stück für Stück schaufelt ein Bagger die oberste
grüne Bodenschicht ab und lädt sie auf eine Art LKW mit
Kettenantrieb. Was bleibt, ist eine weiträumige dunkelbraune
Mondlandschaft im Göldenitzer Moor südöstlich von Rostock. «Das wir
d
noch gut anderthalb Jahre dauern, zwei, bis die ganze Fläche
abgetragen ist», sagt Christian Mann, Betriebsleiter der Rostocker
Humus & Erden GmbH. Bis zur eigentlichen Ernte seien es dann noch
einmal anderthalb Jahre. Gewachsen ist der Rohstoff noch viel
langsamer, um den es hier geht: Torf.

Er ist rar, seine Nutzung setzt CO2 frei - es gäbe viele Gründe, aus
dem Torf auszusteigen. Aber er hat auch viele Vorteile für den
Garten- und Gemüsebau, die einen Ausstieg schwer machen.

Über Tausende Jahre sind in Mooren Pflanzenteile unter Wasser nicht
vollständig zersetzt worden. Daraus ist Torf entstanden. Er ist
keimarm und sein PH-Wert, seine sehr gute Wasser-Speicherfähigkeit
und homogene Zusammensetzung machen ihn zum idealen Ausgangsstoff für
Substrate für Pflanzen.

Im Gegensatz etwa zu Sand ist Torf nicht mineralisch, sondern besteht
aus Biomasse und enthält Kohlenstoff. Wenn er trocknet, setzt er
diesen in Form von Kohlenstoffdioxid frei - ein Treibhausgas.

Um das Klima zu schützen, wirbt das Bundeslandwirtschaftsministerium
(BMEL) deshalb mit einer Kampagne bei Gärtnern und Gärtnerinnen
dafür, auf torffreie Pflanzenerde zurückzugreifen.

Laut Philip Testroet vom Industrieverband Garten (IVG) macht Torf bei
den im deutschen Hobbybereich verkauften Substraten durchschnittlich
einen Anteil von 43 Prozent aus. Der Rest entfalle mittlerweile auf
Ersatzstoffe. Im Profibereich seien es 77 Prozent Torf. Es werde «an
allen Ecken und Enden geforscht», was Alternativen angeht. «Das kann
Kokos sein, das können Holzfasern sein, Kompost oder Rindenhumus.»
Dennoch werde man mittelfristig nicht auf Torf verzichten können.

Das sieht auch Felix Grützmacher vom Naturschutzbund (Nabu) so. «Das
ist nun mal leider so.» Er verweist etwa auf den Gemüseanbau.
Angesichts der benötigten Mengen stünden nicht ausreichend
Alternativstoffe in guter Qualität zur Verfügung.

Um Torf-Alternativen und entsprechende Herausforderungen soll es am
Donnerstag beim Deutschen Torf- und Humustag gehen, wenn sich im
niedersächsischen Bad Zwischenahn die Substratindustrie trifft.

In Deutschland wird Torf laut BMEL vor allem in Niedersachsen
abgebaut. 90 Prozent der Flächen befänden sich in dem Bundesland.
Weitere Bundesländer mit Torfabbau seien Mecklenburg-Vorpommern,
Schleswig-Holstein, Bayern und Baden-Württemberg. Dazu werden schon
seit langem keine intakten Moore mehr trockengelegt. Vielmehr werden
schon entwässerte Flächen, die zuvor vor allem landwirtschaftlich
genutzt wurden, abgebaut. Durch den Abbau und die Nutzung des Torfes
beschleunigen sich allerdings die Treibhausgasemissionen.

Die Substratindustrie geht davon aus, dass wegen auslaufender
Genehmigungen spätestens 2040 Schluss ist mit dem Abbau in
Deutschland. Doch schon ab 2030 rechnet Testroet nur noch mit
«homöopathischen Dosen». Die Menge des in Deutschland gewonnenen
Torfes halbiere sich alle fünf Jahre. Aktuell werde noch zwischen
drei und vier Millionen Kubikmeter pro Jahr abgebaut.

Er warnt davor, dass künftig Importe fehlende hiesige Produktion
ersetzen könnten. Aktuell komme die Hälfte des in Deutschland
verwendeten Torfes aus dem Ausland. Gleichzeitig exportiere
Deutschland Substrate etwa in den Mittelmeerraum, wo wiederum etwa
Paprika, Tomaten oder Gurken für den deutschen Markt produziert
würden. Deutschland und die Niederlande seien zusammen die größten
Substratproduzenten Europas und stünden zusammen für mehr als die
Hälfte der europäischen Substratproduktion. Unser westlicher Nachbar
habe aber keinen eigenen Torfabbau mehr und setze viel stärker etwa
auf Kokos.

Auch Grützmacher vom Nabu sagt, «lieber Torfabbau in Deutschland als
im Ausland». Durch Importe verlagere man nur den CO2-Fußabdruck ins
Ausland, zumal die Umweltstandards hierzulande höher seien. Generell
spreche er sowieso lieber über Torfnutzung. Diese müsse sinken. Für
Stiefmütterchen, die im Supermarkt an der Kasse stünden, oder
ähnliche Wegwerfprodukte sei Torf zu schade. Auch in den heimischen
Garten gehöre er nicht. Statt dort «immer alles passend zu machen,
wie man es gerne hätte», gelte es, eher zu schauen, welchen Boden man
habe, und entsprechend anzubauen.

Grützmacher akzeptiere zwar, dass es für eine gewisse Zeit weiterhin
nicht ohne Torf gehe, ihm fehlten aber eine Strategie und ein
Zeitplan, was den Ausstieg angeht. Dabei müsste es seiner Meinung
nach um steigende Beimischungsquoten für Torf-Alternativen gehen.
Diese sollten nicht nur freiwillig, sondern per Ordnungsrecht
vorgeschrieben werden. Mit den vorliegenden Maßnahmen etwa im Rahmen
der Moorschutzstrategie der Bundesregierung würden die Pariser
Klimaschutzziele nicht erreicht.

Nach Einschätzung des BMEL könnte die Einstellung der Torfnutzung in
Deutschland jährlich gut zwei Millionen Tonnen CO2 einsparen. Die
Gesamtemissionen aus entwässerten Mooren in Deutschland liegt den
Angaben zufolge bei etwa 54 Millionen Tonnen jährlich.

Im Gegensatz zu anderen Nutzungen entwässerter Moore - etwa für die
Landwirtschaft - sind Torfabbaubetriebe gesetzlich zu einer
anschließenden Renaturierung verpflichtet. Wie gut dies gelingt, ist
laut Grützmacher sehr unterschiedlich. «Jedes Moor ist anders.»

Gut geklappt hat es zum Beispiel im Teufelsmoor wenige Kilometer
nordöstlich des Göldenitzer Moors bei Rostock. Hier hat der
Vorgängerbetrieb der Rostocker Humus & Erden GmbH bis zur Wende
industriell Torf abgebaut. Danach wurde ein Schutzgebiet ausgewiesen.
Bereits zuvor war auf Teilen die Restaurierung des Moores angelaufen.
Diese wurde nach der Wende fortgesetzt also beispielsweise Flächen
unter Wasser gesetzt und Entwässerungsgräben geschlossen.

Mittlerweile wächst das Moor wieder und bildet pro Jahr etwa einen
Zentimeter neuen Torf. Statt über eine Mondlandschaft fliegt hier
heutzutage der Hochmoor-Bläuling, ein seltener Schmetterling, über
typische Moorpflanzen wie Torfmoos, Sonnentau und Besenheide.

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